Wein - Proben

Wein - Proben

Weinproben können eine ernsthafte Angelegenheit oder ein unbeschwertes Vergnügen sein, aber einen Wein gründlich zu verkosten, um hinterher ein fundiertes Urteil darüber abgeben zu können, erfordert immer ein hohes Maß an Konzentration. Ein professioneller Verkoster hat gelernt, einen Wein nicht einfach nur zu genießen, sondern ihn nach allen Regeln der Kunst zu analysieren. Obwohl ich beileibe kein professioneller Verkoster bin, ertappe ich mich albernerweise manchmal dabei, wie ich ein Glas Leitungswasser so aufmerksam behandle, als müsste ich seine Qualität beurteilen: Wenn ich es auch vielleicht nicht gegen das Licht halte, so rieche ich doch daran und behalte das Wasser einen Moment lang im Mund, um abzuwägen, inwieweit es den Ansprüchen, die man an gutes Wasser stellt, entspricht. Und natürlich spucke ich es dann aus.

Auch wenn man es nicht darauf anlegt, seinen Geschmack zu schulen (das hat nämlich auch Nachteile:

Man schluckt fehlerhaften oder uninteressanten Wein nicht mehr kritiklos), hat es jedenfalls keinen Sinn, für teures Geld einen charaktervollen Wein zu kaufen und ihn dann einfach hinunterzukippen. Es ist ein verbreiteter Irrglaube, dass einem ein "besserer" Wein automatisch einen höheren Genuss beschert. Um bestimmte Qualitätsmerkmale erkennen und würdigen zu können, braucht man klare, aufmerksame Sinne und ein Wissen darüber, wie man in den Weinen methodisch das suchen und finden kann, worauf es wirklich ankommt.

Bevor jetzt jedoch jedes Essen mit Freunden zur Andacht gerät, sei angemerkt, dass man sich nicht immer und überall völlig versenken muss: Wenn man diese Konzentrationsübung hin und wieder in geeigneten Momenten praktiziert, hat man das nötige Rüstzeug, um einen Wein auch auf "sozialverträglichere" Weise zu verkosten.

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Was aber soll überhaupt gesucht und gefunden werden? Eine Verkostung für Einsteiger könnte aus fünf Weinen bestehen, mit denen der Anfänger zuallererst die unglaubliche Vielfalt des Weins erleben kann: ein trockener und ein süßer Weißwein, ein leichter, junger und ein feiner, reifer Rotwein sowie ein Sherry oder ein Port - Erzeugnisse, die nichts miteinander gemein haben. Eine ähnlich grundlegende Erfahrung wäre, typische Beispiele für die fünf oder sechs Rebsorten zu probieren, die einen besonders ausgeprägten und leicht erkennbaren Charakter besitzen.

Meistens werden bei Weinproben Abfüllungen verglichen, die eine wichtige Gemeinsamkeit

haben, etwa den Ursprung, das Alter oder die Rebsorte. So kann man, wenn man Rieslinge aus zehn oder zwölf verschiedenen Ländern kostet, hervorragend feststellen, was ihr gemeinsamer Nenner - der Rieslinggeschmack - ist, und beurteilen, wie er auf unterschiedlichen Böden und unter verschiedenen klimatischen Bedingungen ausfällt. Noch spezieller wäre der Vergleich von Rieslingen derselben Qualitätskategorie (Kabinett oder Spätlese) aus den wichtigsten deutschen Anbaugebieten.

Vertikale und horizontale Verkostungen

Probiert man verschiedene Jahrgänge des gleichen Weins, spricht man von einer vertikalen Verkostung; der Vergleich verschiedener Weine (ähnlicher Art) des gleichen Jahrgangs heißt horizontale Verkostung. Professionelle Degustationen, die dazu dienen, Weine zum Kauf auszuwählen, sind fast immer horizontal. Wichtig ist hier, dass man nur vergleicht, was sich auch vergleichen lässt. Im professionellen Rahmen ist es nicht von Interesse, einen Bordeaux mit einem Burgunder zu vergleichen oder einen Chablis mit einem Meursault: Wenn der Chablis ein guter Meursault ist, ist er ein schlechter (weil untypischer) Chablis. Ein Médoc, der wie ein Wein aus dem Napa Valley schmeckt, ist ein schlechter Médoc - auch wenn ein Erzeuger aus dem Napa Valley schwer davon zu überzeugen ist, dass dies umgekehrt genauso gilt.

Da normale Menschen den Wein meist zum Essen trinken, beurteilen sie ihn zum Teil danach, wie gut er zu den

Gerichten passt, die sie besonders gern mögen. Berufsverkoster und Preisrichter bewerten ein Erzeugnis hingegen entweder für sich allein oder im Vergleich zu anderen und haben daher einen anderen und wohl auch klareren Ausgangspunkt. Am klarsten ist er, wenn man Hunger hat und nicht müde ist; der späte Vormittag ist deshalb der bevorzugte Zeitpunkt für eine professionelle Weinprobe.

Die idealen Bedingungen für eine Verkostung sind relativ nüchtern: ein sauberer, gut beleuchteter Raum ohne jede Atmosphäre, ohne den durchdringenden Geruch nach Fässern, ohne Ablenkung durch nettes Geplauder und vor allem ohne die Käsewürfel, die gegrillten Würstchen und das ofenfrische Brot, mit denen seit Menschengedenken die meisten zweitklassigen Weine ihren Abnehmern schmackhaft gemacht werden.

Ob es besser ist zu wissen, was man probiert, oder blind zu verkosten und erst hinterher zu erfahren, womit man es zu tun hatte, ist ein ewiges Streitthema. Die Macht der Suggestion ist gewaltig. Es ist schwer, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein, wenn man das Etikett gesehen hat. Häufig werden die Eindrücke, ob man sich dessen bewusst ist oder nicht, von dem geprägt, was man erwartet, anstatt von dem, was man wirklich wahrnimmt.

Wenn ich die Wahl habe, verkoste ich am liebsten alles zuerst blind. Es ist die sicherste Methode, das höchste Maß an

Konzentration aufzubieten und sich dazu zu zwingen, die richtigen Fragen zu stellen, analytisch und unvoreingenommen an die Sache heranzugehen. Ich notiere mir meinen Eindruck und frage dann, was es für ein Wein war, oder schaue aufs Etikett. Wenn ich richtig gelegen habe, freue ich mich: Ich weiß, dass die Vorstellung, die ich mir von dem Inhalt gemacht habe (oder die Erinnerung, wenn ich ihn schon einmal gekostet habe), der Wirklichkeit sehr nahe kam. Wenn ich (was sehr viel häufiger der Fall ist) falsch lag oder überhaupt keine Ahnung hatte, ist das meine Chance, den Wein kennenzulernen, ihn erneut aufmerksam zu verkosten und zu verstehen versuchen, warum diese Rebsorte in diesem Weinberg in diesem Jahr dieses Ergebnis geliefert hat. Dies ist der richtige Zeitpunkt, um sich mit anderen Verkostern auszutauschen.

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Es ist immer interessant zu sehen, wie viel Übereinstimmung zwischen mehreren Leuten herrscht, die das gleiche Gewächs probieren. Geruchs- und Geschmacksempfindungen sind in so geringem Umfang messbar und nicht im Geringsten reproduzierbar. Die Sprache dient eher als Krücke denn als Stütze und zieht für fast alles, was an Erhellendem gesagt werden kann, Vergleiche und Metaphern heran. Bei Wettbewerben, bei denen die Teilnehmer gegeneinander antreten, muss zwangsweise blind verkostet werden: Sieger ist die Person oder das Team mit der größten Erfahrung und dem besten Geschmacksgedächtnis. Bei Wettbewerben, bei denen Weine gegeneinander antreten, ist es das einzige faire Verfahren. Dennoch kann es auch dabei zu irreführenden Ergebnissen kommen, weil die unmittelbare Wirkung stärker berücksichtigt wird als weniger auffällige, aber letztendlich wichtigere Eigenschaften: Wenn kalifornischer Cabernet mit rotem Bordeaux ähnlichen Alters verglichen wird, tragen die Kalifornier fast immer den Sieg davon. Sie sind wie Tennisspieler, die durch ihren unerhörten Aufschlag gewinnen.

Der Vorgang des Verkostens

Viele Experten haben sich schon über das Wesen der Verkostung Gedanken gemacht. Für mich gibt es fünf Aspekte, die Aufschluss über einen Wein geben und die mir helfen, seine Qualität zu bewerten: sein Ursprung, sein Alter, die beteiligten Rebsorten sowie seine voraussichtliche Haltbarkeit (und ob er noch besser wird). In ihnen äußert sich gewissermaßen die ganze Fülle eines Weins, mit Ausnahme vielleicht seiner berauschenden Wirkung. Es sind - in der Reihenfolge ihres Auftretens - das Aussehen, der Geruch, der erste Eindruck im Mund, der Geschmack, während man den Wein im Mund hat, und der Nachgeschmack. Ich berücksichtige jeden einzelnen dieser Aspekte, notiere mir zu jedem etwas (die Notiz dient nicht nur als Gedächtnisstütze, sondern zwingt einen auch dazu, sich auf einen Eindruck festzulegen) und ziehe dann einen allgemeinen Schluss.

Das Verkosten ist eine anspruchsvolle Tätigkeit und etwas ganz anderes, als wenn man einen Wein einfach nur trinkt.

Manchmal beschränkt sie sich auf eine kurze, private Zeremonie, zum Beispiel auf einer Party, wo das Getränk nicht im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses steht. Trotzdem kann man Wein eigentlich nur angemessen genießen, wenn man diesen Anspruch zur Gewohnheit macht und mit Methode vorgeht.

Aussehen ist sehr viel mehr als nur Farbe. Guter Wein ist von funkelnder Klarheit. Durch das Dekantieren stellt man sicher, dass auch ein alter Wein mit Depot glänzt wie ein Edelstein und das Licht mit einer solchen Intensität reflektiert, dass es schon ein Vergnügen ist, ihn nur zu betrachten. Je nach seiner Viskosität hinterlässt der Wein, wenn man das Glas schwenkt, schwere, langsam zurückrinnende "Tränen" an der Glaswand oder bildet wie Wasser sofort wieder eine ebene Fläche. Je dicker er ist, desto mehr Geschmacks- und Extraktstoffe beziehungsweise Zucker enthält er - was an sich weder gut noch schlecht ist, sondern nur dem jeweiligen Wein angemessen sein muss. Kristallablagerungen in Weißwein sind kein Zeichen für schlechte Qualität, sondern etwas ganz Natürliches und unter keinen Umständen ein Fehler.

"Die Farbe", ich zitiere Emile Peynaud, "ist gewissermaßen das Gesicht des Weins. Sie verrät viel über sein Alter und einiges über seinen Charakter." Dazu braucht man allerdings noch weitere Informationen, die einem bald der Geruch liefert. Am besten erkennt man die Farbe, wenn man das Glas vor einen weißen Hintergrund - etwa ein Stück Papier - hält und es ein wenig von sich weg neigt, sodass man durch den Rand der Flüssigkeit schaut. In Teilen Frankreichs, vor allem in Burgund, wo der Wein in dunklen Kellern lagert, verwendet man flache Silberschalen als Probiergefäße, weil man vor dem reflektierenden Hintergrund die Farbe besser beurteilen kann. Weißwein wird im Alter dunkler; Rotwein verblasst langsam von purpurfarben über rot zu rotbraun (was man auch durch das grüne Glas der Flasche sehen kann, wenn man den Hals gegen das Licht hält). Bei jungen Weinen ist die Farbe im Glas von Rand zu Rand fast gleichmäßig. Bei älteren Weinen ist der Rand meist deutlich heller. Ein bräunlicher Rand ist bei Rotwein ein sicheres Zeichen für Reife.

Im Allgemeinen haben Weine von guten Rebsorten aus heißen Gegenden, etwa Cabernet und Syrah aus Australien,

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Kalifornien und Südafrika, eine intensivere Farbe als ihre Pendants aus kühleren Gefilden. Vintage Port ist dunkelpurpurrot, Ruby Port hat eine viel hellere, wässrigere Farbe und Tawny Port, der viele Jahre lang in Holzfässern reift, liegt irgendwo zwischen dem Braunrot von altem Bordeaux und einem klaren, hellen Bernsteinton, wenn er sehr alt ist - das extremste Beispiel dafür, dass Rotwein im Alter verblasst.

Bei Weißwein ist die Vielfalt kaum geringer. Chablis hat einen grünen Schimmer in seiner hellgoldgelben Farbe, was bei anderen weißen Burgundern ungewöhnlich ist. Auch Moselwein zeigt einen Anflug von Grün, aber weniger Gold, während Rheinwein eher strohgelb ist, alte Süßweine sogar fast orange. Sherry erhält seine Farbe durch die Oxidation: Bei jungen Finos ist sie noch schwach, alte Olorosos sind mahagonibraun. Wenn großer süßer Sauternes alt wird, nimmt er nacheinander alle Schattierungen von Gold bis hin zu einem satten Goldbraun an.

Die Reihenfolge beim Verkosten

Bei Verkostungen ist, genauso wie wenn man Weine zum Essen serviert, ein Crescendo des Geschmacks erwünscht: Wer nach einem geschmacksintensiven Wein ein leichteres Gewächs probiert, wird es unweigerlich als blass und unbedeutend empfinden, so gut es auch immer sein mag. Üblicherweise kommt jung vor alt, leicht vor schwer, trocken vor süß und Weiß- vor Rotwein. In Bordeaux verkostet man allerdings oft erst Rot-, dann Weißwein. Man sollte beides ausprobieren.

Weinprobe beginnt

Weinprobe beginnt

Die Probe ist zusammengestellt, die Gäste sind geladen - was gibt es sonst noch zu bedenken? Der Raum, in dem Sie Ihre Gäste bewirten wollen, soll gut gelüftet und nicht zu warm sein. Und - bei aller Behaglichkeit - möglichst hell genug, um auch die Farbe des Weines prüfen zu können. Reichen Sie zur Probe knusprige Brötchen, frisches Bauernbrot oder auch etwas Käse, damit sich der beanspruchte Gaumen erholen kann, außerdem ein mildes Mineralwasser gegen den Durst. Vergessen Sie übrigens nicht, Ihre Gäste darauf hinzuweisen, daß keine umfangreiche Mahlzeit geplant ist. Nichts stört bei einer Weinprobe mehr als ein knurrender Magen, der notdürftig mit trocken Brot gestopft werden muß! Sehen Sie für jeden Gast mindestens zwei Gläser vor, damit er Weine direkt vergleichen kann und nicht gleich austrinken muß.

Sicher brauchen Sie keinen Schrank voll verschiedener Gläser, aber das Glas zählt doch zu den Werkzeugen des

Weingenusses und darf in seiner Wirkung nicht unterschätzt werden. Probieren Sie nur einmal den selben Wein aus verschiedenen Trinkgefäßen, Sie werden staunen, wie unterschiedlich er wirkt. Selbst der edelste Tropfen kann nicht überzeugen, wenn er aus Plastikbechern genossen wird, und auch im Wasserglas kann er sich nicht richtig entfalten. Die Form des Glases entscheidet mit, wie der Wein auf die Zunge und deren Geschmackszonen trifft. Wer einen feingliedrigen Wein aus einem zu wuchtigen breitmäuligen Glas trinkt, dem wird sich der Wein wie bei einem Dammbruch in die Mundhöhle ergießen und sich plump und schwer über den Gaumen wälzen. In einem zu kleinen Glas hingegen wirken große Weine haufig eindimensional. Das Weinglas soll farblos-klar sein, um die Farbe des Weines voll zur Geltung zu bringen. Selbst Kristallschliff beeinträchtigt die Beurteilung der Klarheit.

Ein nach oben sich verjüngender (tulpenformiger) Kelch führt die Duftstoffe des Weines gezielt der Nase zu. Der Stiel muß handlich und stabil sein. Grundsätzlich sollte das Weinglas immer am Stiel und nicht am Kelch angefaßt werden, um Fingerabdrücke zu vermeiden und den Wein nicht unnötig zu erwärmen. Andererseits darf die Hand beim Rotwein ruhig einmal den ganzen Kelch umfassen, wenn der Wein zu kühl gereicht wurde. Im ldealfall ist jedes Glas in seiner Form dem Charakter der jeweiligen Weinsorte angepaßt: bauchige Gläser für Burgunder, damit der voluminöse Röte seine Fülle entfalten kann. Schlankere Formen für Bordeaux, so daß seine eleganten Aromen sich nicht in zuviel Luft auflösen. Eiförmiges Design für frischen Riesling, weil er dadurch gleichsam auf die Spitze der Zunge springt, dort Frucht und Extrakt zeigt und die Säure harmonisch eingebunden wird. Für Rotwein nimmt man etwas größere, offenere, für Auslesen und alkoholreiche südliche Weine kleine Gläser.

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Für die Reihenfolge der Weine gilt generell:

in der Qualität aufsteigend, nach dem glanzvollen Höhepunkt dann, gewissermaßen zur Erholung, abschließend wieder ein leichterer Wein als leichter, herber "Abtrunk". Diese Regel gilt übrigens nicht nur für die Weinprobe, sondern auch für das festliche Menü oder den gemütlichen Abend mit Freunden. Achten Sie immer darauf, daß der Wein, den Sie gerade verkosten wollen, die richtige Temperatur hat. Mit der Temperatur der Weine steht und fällt die Weinprobe . Zu kalte Weine sprechen nicht an. Sehr flüchtige Bukettstoffe sind gerade noch erkennbar, aber Aroma und Extrakt können kaum wahrgenommen werden. Weine mit Restsüße wirken bei niedrigen Temperaturen süßer, als sie sind. Bei zu hoher Temperatur "kommen" Säuren und Unreinheiten treten stärker in Erscheinung. Das Temperieren darf auf keinen Fall gewaltsam erfolgen.

Zum Abkühlen oder Erwärmen braucht der Wein Zeit, also Rotwein nicht etwa in heißes Wasser oder neben die Heizung stellen. "Zimmertemperatur" meinte übrigens ursprünglich ein Zimmer mit Kaminfeuer, also 16 bis l8°C. Wenn Sie den Rotwein früh genug aus dem Keller holen und einen halben Täg im Zimmer stehen lassen, ist er richtig temperiert. Perl-und Schaumweine sollten 8 bis 10°C aufweisen. Weißweine einfacher und mittlerer Qualität sind zwischen 10 und 11°C optimal, edlen Weißwein trinkt man am besten bei 12 bis 13°C. Wer ganz sicher gehen will, kann zur Ermittlung der richtigen Temperatur ein Probethermometer benutzen. Da Weißwein kühl getrunken werden soll und keinen längeren Luftkontakt verträgt, öffnen Sie die Flasche nicht vor der Zeit, und bringen Sie den Wein erst kurz vor dem Ausschenken ins Zimmer. Rotweine dagegen können bereits Stunden zuvor geöffnet werden.

Sie entwickeln und entfalten sich erst, wenn sie Gelegenheit haben zu "atmen".

Sekt wird erst in letzter Minute entkorkt, denn er soll kühl und frisch im Glas perlen. Zum Öffnen der Weinflasche wird die Kapsel - das ist der Kunststoff- oder Metallfolienüberzug über Korken und Flaschenhals - direkt über dem gläsernen Verstärkungsband am Flaschenhals sauber abgeschnitten oder aufgerissen. Später beim Ausschenken soll der Wein nicht über den Kapselrand fließen, weil er bei Stanniolkapseln sonst metallisch schmekken kann. Die Flaschenmündung wird mit einem Tuch sauber abgewischt. Ein guter Flaschenkorken muß elastisch sein, er soll wenig Poren, eine glatte Oberfläche und mehr als sechs Jahresringe auweisen. Erst dann gewährleistet er eine hohe Dichte und einen optimalen Verschluß der Flasche. Wenn man den Korken auseinanderschneidet, ist dies alles wunderschön zu sehen - allerdings ist es dann meistens zu spät. Man kann aber davon ausgehen, daß ein guter Wein zu einem guten Preis auch einen ordentlichen Korken hat.

Die Korkenlänge richtet sich in erster Linie nach der Güte des Weines. Normale Trinkweine werden mit einem 39 Millimeter langen Korken verschlossen, für wertvolle Gewächse dürfen es schon 55 bis 60 Millimeter sein. Normalerweise hat selbst der beste Korken keine längere Lebensdauer als 20 Jahre. Sitzt er lose im Flaschenhals, so kann daraus geschlossen werden, daß der Wein vertikal statt horizontal gelagert wurde und der Korken dadurch ausgetrocknet ist. Bricht beim Öffnen einer Flasche der Korken ab, so liegt das im allgemeinen am Korkenzieher oder an demjenigen, der damit hantiert. Es gibt sehr viele verschiedene Arten von Korkenziehern. Kein anderes Wein-Accessoire ist in vergleichbarer Vielfalt auf dem Markt, und es ist kein Problem, dafür ein kleines Vermögen anzulegen. Man bekommt seine Flasche aber auch billiger geöffnet. Achten Sie darauf, daß der Korkenzieher nicht einem Bohrer ähnelt, sondern die Gestalt einer offenen Spirale hat, deren innere Windung groß genug ist, um ein Streichholz hindurch-zustecken.

Auch sollte er unbedingt eine scharfe Spitze haben, die dem Lauf der Spirale folgt und nicht zentriert ist.

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Ziehen Sie den Korken vorsichtig heraus, nicht mit einem Ruck, damit der Wein nicht gestört wird. Solange getrunken wird, kann die Flasche offen bleiben. Sollten beim Entkorken Schmutz oder Korkbrösel auf die Flaschenmündung geraten sein, wischen Sie mit dem Tuch nochmals vorsichtig darüber. Nun ist es soweit. Der Wein ist bereit zum Einschenken. Weingläser dürfen nicht ganz gefüllt werden, etwa ein Drittel bis die Halfte ihres Volumens sollte frei bleiben, damit sich das Bukett darin entfalten kann. Sind die technischen Voraussetzungen erfüllt, ist der weitere Fortgang der Weinprobe eigentlich in erster Linie ein psychologisches Problem: Wie locke ich meine Gäste aus der Reserve? Man prostet sich zu, nippt am Glase und wartet ab, wie der Wein in der Runde ankommt. Die Atmosphäre ist noch etwas steif, und Ihre Gäste werden sich vermutlich darauf beschränken, Ihnen artig zuzunicken und anerkennende Worte zu murmeln. Provozieren Sie ein wenig. Etwa, wenn der Wein eher säurebetont ist:

"Da zieht sich ja der Mund zusammen, könnte der nicht etwas milder sein ... - oder was meinen Sie/meint Ihr?" oder, wenn er eher mild ist: "Der ist vielleichtein bißchen schlaff, nicht wahr?". Meist wird ein Gast widersprechen oder zumindest abwiegeln, und die Diskussion ist eröffnet. Anschließend geht es an die systematische Begutachtung des Weines. Ganz entscheidend ist es, die Gäste nicht zu überfordern. Man muß nicht gleich in einer Blindprobe (mit verdecktem Etikett) Rebsorte, Anbaugebiet und Jahrgang erraten wollen. Zunächst einmal geht es nur darum, den Wein bewußt und konzentriert wahrzunehmen. Da kann jeder mitreden! Es soll also nicht der Eindruck erweckt werden, daß es um spezielle Kenntnisse geht oder man gar das Wissen der Teilnehmer abfragen wolle. Vorsichtig tastet die Runde sich unter der Regie des Gastgebers (oder kompetenter Gäste, die der Anfänger klugerweise dazugeladen hat) an den Wein heran.

Ist es ein alter Wein - zu erkennen am typischen Alterungston im Aroma, an der Weichheit und der dunkleren Farbe -

oder ein junger Jahrgang, der sich an der spritzigen, lebendigen Art und einem helleren Farbton verrät? Aus welcher Rebsorte ist er gemacht? Woher kommt er? Bei allem Vergnügen an der Sache ist aber schließlich doch noch ein wenig Disziplin ratsam: Machen Sie sich Notizen, damit die Probeneindrücke nicht einfach verpuffen. Legen Sie sich ein "Kellerbuch" an, eine einfache linierte Kladde, mit der Sie jede Weinprobe begleiten. Wollen Sie systematischer vorgehen, dann verwenden Sie ein Formblatt, auf dem die wichtigsten "Fragen an den Wein" verzeichnet sind. Um mit den Aufzeichnungen arbeiten zu können, empfiehlt sich die Anlage einer Kartei;

Computerbesitzer können natürlich ebensogut mit ihrem elektronischen Helfer arbeiten. Halten Sie alle wesentlichen Daten über den Wein fest, außerdem Ihre persönlichen Eindrücke und nicht zuletzt die Kommentare Ihrer Gäste. Dabei wird sich zum Beispiel herausstellen, daß der teuerste Wein durchaus nicht unbedingt am besten ankommt. Mit der Zeit werden Sie auf diese Weise einen reichen Wein-Erfahrungsschatz anhäufen und gezielte Vergleiche anstellen können (wie war der entsprechende Wein dieses Weingutes im Vorjahr?). Obendrein sind die Erlebnisse Ihrer privaten Weinproben der beste Ratgeber bei künftigen Einkäufen für einen geselligen Abend mit Wein oder auch bei der Wahl von Weinpräsenten.

Probieren Unterwegs

Probieren Unterwegs

Bisher war die Weinprobe zu Hause das Thema. Es gibt aber auch eine Vielzahl reizvoller Möglichkeiten, außerhalb der eigenen vier Wände Wein zu probieren - ganz ernsthaft oder auch nur zum reinem Vergnügen...

Wenn Sie den Wein dort kennenlernen wollen, wo er gewachsen ist, ohne gleich einen Winzer persönlich anzusprechen, bieten sich die Straußwirtschaften - in manchen Gegenden auch Besen- oder Heckenwirtschaft genannt - und Gutsschänken an. Diese praktische Institution geht, man höre und staune, auf Karl den Großen zurück, der nicht nur für die Verbreitung des Weinbaues in seinem Reich sorgte, sondern sich auch um den Absatz des Weines bemühte. Er ordnete an, daß Winzer, die ihren Wein direkt ans Volk verkaufen wollten, dies durch einen ausgehängten Kranz (corona de racemis) deutlich zu machen hätten. Die Straußwirtschaften bieten Originalität und die ungezwungene, persönliche Atmosphäre eines Familienbetriebes. Auch heute noch sind sie durch den "Buschen", durch Bündel von Zweigen, einen Strauß oder Kranz gekennzeichnet.

Ein Blick in die örtliche Tägeszeitung hilft, längere Irrfahrten zu vermeiden.

Zum Wein gibt es ein mehr oder minder umfängreiches Angebot von rustikalen kalten oder warmen Speisen der regionalen ländlichen Küche - ganz original. In den Weinorten entlang der Weinstraßen findet man immer häufiger den Hinweis "Weinprobierstand". In kleinen Probiergläsern kann man die in der Gemarkung gewachsenen Weine testen und von denen, die besonders gut schmecken, auch gleich ein paar Flaschen mitnehmen.

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Letzteres sollten besonders die Autofahrer beherzigen, die sich ja leider nur ein paar Probeschlückchen erlauben dürfen. Probiert man den Wein dann noch einmal in Ruhe zu Hause, schmeckt er oft überraschend anders. Zum einen wirkt sicherlich die Stimmung - sei es im Urlaub oder auf einem Wochenendausflug - stimulierend auf die Geschmacksnerven und die Beurteilung des Wahrgenommenen im Gehirn. Dazu kommt natürlich noch die Luftveränderung, das eventuell andere Licht und Klima.

Für unsere weinfernen Leser im kühlen Norden ist der Weg in die Weinberge weit. Anläßlich von Weinwochen, -ausstellungen und -messen bieten aber oft weitab vom Produktionsgebiet regelrechte Weinprobierstraßen Gelegenheit, Weine aus den verschiedensten Anbaugebieten zu kosten. Man sollte diese Chance unbedinst nutzen und seine Zunge immer wieder trainieren, zumal an diesen Ständen die gebietstypischen Weine direkt und in guter Auswahl miteinander verglichen werden können. Empfehlenswert sind auch die Probierstände auf Wein- und Winzerfesten. Die Proben werden in kleinen Gläsern angeboten, man kann deshalb preiswert die Qualitätsstufen bis zur Beerenauslese hinaufsteigen. Am Ende der in Reih und Glied aufgestellten "Himmelsleiter" von Probierständen sind Sie dann zumindest in seliger Laune.

Durchs ganze Jahr von April bis Dezember gibt es immer irgendwo ein Weinfest, ob es nun Weinfrühlingsfest heißt oder

Weinblütefest, Weinkirmes, Weinmarkt, Weinlesefest oder Winzer-Erntedankfest. Wer generell seine Kenntnisse über den Wein ergänzen und vertiefen will, der ist gut beraten, eines der heute zahlreich angebotenen Weinseminare zu besuchen. Zunächst einmal gibt es in vielen Stadten die Weinkollegs der Volkshochschulen, in denen nicht nur theoretisches Wissen über den Wein gelehrt, sondern auch das eine oder andere Glas geleert werden sollte. Vom Frühling bis in den Herbst hinein werden in den Anbaugebieten Weinseminare angeboten. Auch dies keineswegs eine trockene Angelegenheit, sondern vielmehr eine attraktive Möglichkeit, Weinkultur und Weinerzeuger, aber auch Weinrestaurants und die um den Wein herum präsentierte Regionalküche vor Ort und hautnah kennenzulernen. Vorlesungen und Lehrweinproben werden von erfahrenen Praktikern abgehalten, und auf Rundfahrten lernen die Teilnehmer weinbezogene Sehenswürdigkeiten kennen.