Wie Weinkeller aufbauen

Wie Weinkeller aufbauen

Wenn Michael Broadbent und Professor Emile Peynaud es geschafft haben, Bücher über das Probieren von Wein zu schreiben, so ist es mir gelungen, ein Artikel über das Thema, wie man einen Weinkeller anlegt, zu schreiben. So ist dieses Kapitel die kürzest mögliche Einführung in ein Thema, das ein eigenes Buch verdient.

Anforderungen an den Keller

Das Thema hat zwei Seiten - den Keller an sich und das, was man hineinlegt. Bevor ich weiterfahre, muß ich ehrlicherweise zugeben, daß Theorie und Praxis ganz weit auseinandergehen. Ich erinnere mich gut an meinen ersten Keller, und wie stolz ich darüber war. Es war der Wäscheschrank in meiner Wohnung im 5. Stock, der - mehr ging damals nicht hinein - knapp 300 Flaschen enthielt, eine Zahl, die meine Freunde (und insgeheim ich auch) für recht bemerkenswert hielten. Tatsächlich war es gut, daß ich nicht mehr eingelagert hatte, denn dieser Platz war keineswegs ideal. Und damit kommen wir zu den Bedingungen für einen guten, mittel- bis langfristigen Keller.

Tägliche Temperaturschwankungen

Der weitaus wichtigste Aspekt ist ein Schutz gegen die Temperaturunterschiede von Tag und Nacht. Ist dies gelöst, folgt alles andere automatisch oder kann mit einem Minimum von Schwierigkeiten und Kosten gelöst werden. Welche Temperaturschwankungen sind akzeptabel? 0,1 Grad Celsius wäre perfekt, 5 Grad zuviel, 10 Grad Celsius völlig unakzeptabel. Es mag übermäßig streng klingen, aber alles was überein Grad Celsius täglicher Schwankung hinausgeht bedeutet, daß Sie die Vorstellung, Wein länger als ein oder zwei jahre zu lagern, aufgeben sollten, einen anderen Lagerplatz finden oder die Situation in ihrem Keller ändern müssen.

Winter-Sommer-Schwankungen

So wie man bei den täglichen Schwankungen nicht mehr als ein Grad tolerieren kann, sind es im jahreszeitlichen Wechsel 10 Grad, noch akzeptabel wären sieben bis neun Grad, das Ziel wären zwei bis drei Grad.

Verlass ist nur auf ein Thermometer

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Der einzige Weg, um sicher zu erfahren, was im Keller vor sich geht, ist ein Maximum- und Minimum-Thermometer. Nur so kann man jederzeit die höchsten und niedrigsten Temperaturen feststellen (mit einem Knopf oder Magnet wird das Thermometer immer wieder neu eingestellt). Ich habe viele Leute getroffen, die mir allen Ernstes versichern, ihr Keller habe eine immer gleichbleibende Temperatur. Auf Nachfragen stellte sich jedoch heraus, daß sie kein Thermometer hatten, zumindest kein Maximum- und Minimum-Thermometer. Der Beweis für ihre Aussage ist, daß es im Sommer immer kühl sei, wenn sie in den Keller kommen.

Die Wirklichkeit

Es könnte ihnen auch warm vorkommen, wenn sie im Winter hineingehen. Ich erzähle ihnen dann von einem Keller, den ich unter meinem damaligen Haus in Turramurra, einem nördlichen Vorort von Sydney, gebaut hatte. Er wurde in den Sandstein hineingegraben, lag ganz unter der Erde und hatte eine Decke aus Beton, die gleichzeitig das Fundament des dreistöckigen Hauses war. Trotzdem schwankte die Temperatur über das Jahr um neun Grad, einfach aus dem Grund der wechselnden Bodentemperatur in 3 Meter Tiefe.

Wenn Sie in Brisbane, Perth oder Sydney leben, wird es unmöglich sein, einen temperaturstabilen, von Natur aus kühlen Keller unter ihrem Haus zu haben, und in Melbourne oder Adelaide wird es sehr schwierig werden, obwohl die massiven Häuser aus blauem Tonsandstein gute Voraussetzungen bieten. Also hängt man seine Idealvorstellungen etwas tiefer und fragt sich, was zu tun ist.

Isolierung und Air-Condition - Ideal, aber Teuer

Isolierung, ergänzt durch ein spezielles Lüftungs- und Luftbefeuchtergerät, bringt ein perfektes Ergebnis, ist jedoch sehr teuer und eignet sich nur für den wohlhabenden, ernsthaften Weinsammler. Es ist realistischer, wenn Sie versuchen, einen Raum unter dem Haus zu finden, der völlig abgeschlossen und vor Nässe und Licht geschützt ist. Ist dies nicht möglich, wählen sie einen zentral gelegenen Raum oder Schrank.

Pappkartons

Wenn Sie auf dieser Stufe angekommen sind, widerstehen Sie der Versuchung, die Flaschen dekorativ sichtbar zu präsentieren. Die Pappkartons, in denen Wein verpackt ist, sind eine wirksame Isolierung und schützen den Wein auch vor Licht. Die Nachteile sind zugegebenermaßen beträchtlich: Die Kartons neigen dazts, bei Feuchtigkeit aufzuweichen, und man kommt schlecht an die Flaschen heran, vor allem, wenn die Kartons übereinander gestapelt sind.

Die Styrol-Keller-Box

Dies ist eine teure Alternative, bei tropischem Klima allerdings fast unverzichtbar, wenn kein gekühlter Raum vorhanden ist. Styrol-Boxen eignen sich auch als Weinregal und bieten eine fast perfekte Isolierung. Man kann sie seitlich aufeinanderstapeln, und sie haben für jede Flasche ein Fach mit Deckel, der hochgehoben werden kann, auch wenn viele Boxen übereinander stehen.

Regalsysteme

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Damit komme ich zu den Kellerregalen. Wenn Sie einen Raum mit stabiler Temperatur besitzen, sind auch offene Regale möglich. Es gibt zahlreiche verschiedene Systeme, angefangen bei hölzernen Bananenkisten bis zu individuell gebauten Flaschenregalen aus Holz oder Metall. Wenn Sie über keinen geeigneten Raum verfügen, müssen es Weinkartons tun, und eine Styrol-Box wird Wunder wirken.

Was kommt in den Keller?

Ich habe schon vor der Vergänglichkeit alles Schönen gewarnt: Nicht nur der Wein in Ihrem Keller ändert sich, wenn er altert - Ihr eigener Geschmack ändert sich im Lauf der Zeit, es ändert sich auch die Herstellungstechnik des Weins und die Weinphilosophie, was zu einem Wechsel im Stil (und sehr wahrscheinlich in der Qualität) der heutigen und zukünftigen Weine führt.

Fallgruben

Am Ende mußte manch beginnender Weinsammler eine bittere Pille (oder einen bitteren Wein) schlucken. Er holt einen drei oder vier Jahre alten, eifersüchtig gehüteten Weinschatz aus dem Regal, schenkt ihn mit besonderem Stolz auf einer festlichen Dinnerparty ein und ist starr vor Entsetzen: Der Wein ist flach, fade und langweilig. Bestenfalls geht er ohne Kommentare durch, schlimmstenfalls folgt verwirrtes Schweigen, wenn der Gastgeber so leichtsinnig war, diesen Wein mit einem Fanfarenstoß anzukündigen.

Wie man ein solches Missgeschick vermeidet

Der erste und wichtigste Rat ist, keinen billigen Wein einzukellern, in der Hoffnung, daß aus dem Aschenputtel eine schöne Prinzessin wird. Im Cegenteil: Je teurer der Wein ist, um so mehr wird sich das Lagern lohnen. Das erste Gesetz heißt also, den billigen Wein bald zu trinken und den besten zu lagern. Wie immer bestätigen Ausnahmen diese Regel, und wenn Ihnen ein Fachmann einen billigen Wein zum Einlagern empfiehlt, schlagen Sie zu - erwarten Sie aber nicht eine hundertprozentige Erfolgsquote.

Kaufen Sie vernünftige Mengen

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Wenn Sie Wein wirklich ernsthaft einkellern wollen, kaufen Sie in vernünftigen Mengen ein - nicht weniger als sechs, vorzugsweise ein oder zwei Dutzend Flaschen. Es kann an Platz oder Geld fehlen -die Folge wäre eine anfällige und beliebige Sammlung, ein praktischer Vorrat, auf den man schnell zurückgreifen kann - aber nicht mehr.

Probieren Sie regelmässig

Wenn Sie meinem Rat folgen wollen - probieren Sie alle sechs bis zwölf Monate eine Flasche. Schmeckt der Wein wunderbar, trinken Sie ihn aus und seien Sie glücklich. Machen Sie nicht den Fehler, dem ich auch erlegen bin, und sagen sich: "Der Wein ist phantastisch, ich muß ihn aufsparen!". Was wirklich gut ist, kann man nicht verbessern.

Ausgewogene Vorratshaltung

Es mag eine Platitüde sein, zu sagen, daß der Keller ausgewogen sein muß. Doch es ist immer wieder überraschend, wie viele Leute nur Rotwein (und Dessertweine) einlagern. Weißwein kann ebenso lohnend sein (nur wegen eventueller Überraschungen nicht lohnender). An anderer Stelle finden Sie die Weine, die ich zum Einkellern vorschlage. Hier reicht es zu sagen, daß ein 15 bis 20 Jahre alter Semillon oder Rhine Riesling ein großartiger Wein von Weltrang sein kann.

Seien Sie ihr eigener Preisrichter

Aber übertreiben Sie nicht! Einen richtig ausgereiften Wein zu verstehen und zu genießen ist etwas, das nur aus Erfahrung wächst. Für den Anfänger ist ein solcher Wein im besten Fall verschwendet, im schlechtesten Fall schmeckt er ihm sogar nicht. Außerdem will sogar der hingebungsvollste Weinsammler und - kenner nicht jeden Täg alten Wein trinken. Es wird immer Gelegenheiten geben, wo der ungezähmte Überschwang eines jungen Weins am Beginn seines Lebens die richtige Wahl ist.

Krisenzeichen im Keller

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Es bleibt noch, kurz vor den Anzeichen zu warnen, die verraten, daß etwas in Ihrem Keller nicht in Ordnung ist. Wenn Sie dem Rat gefolgt sind, regelmäßig zu probieren, wird Ihre Zunge (und das Urteil derer, mit denen Sie die Flasche teilen) Sie warnen. Aber es gibt auch äußere Anzeichen, von denen Schwund das wichtigste ist, die Luft zwischen Wein und Korken, wenn man die Flasche aufrecht stellt.

Schlimme Krankheit

Viele Menschen sind geborene Sammler - ob es sich nun um Briefmarken handelt, um Münzen, Haferflockenbildchen, Puppen, Bilder, bemalte Eier und was es sonst noch unter der Sonne geben mag. Diese Krankheit packt auch Weintrinker. Man muß nur Zeitschriften wie den amerikanischen "Wine Spectator" lesen, um verwirrt zu erkennen, zu welcher Obsession Weinsammeln werden kann. Einige Leute halten mich auch für infiziert, meine Antwort ist jedoch, daß es einen Unterschied gibt. Wenn Besucher eine sehr alte und rare Flasche in meinem Keller entdecken und fragen: "Bringen Sie es je über sich, diese Flasche zu trinken?" antworte ich: "Wie kann ich es über mich bringen, sie nicht zu trinken?". Denken Sie immer daran, daß es Sie nichts kostet, wenn Sie zu einer schönen Dinnerparty eine Flasche aus dem Keller holen.