Die Weinansprache

Die Weinansprache

Geschmacksqualitäten erkennen ist eine Sache, seine Sinneseindrücke anderen mitteilen eine andere. Grundsätzlich sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, seinen Mitmenschen die persönlichen Empfindungen über einen Wein zu vermitteln. So reichen im internationalen Weinjournalismus die Beschreibungen der Aromen von den feinsten Frucht- und Blütentönen bis hin zu "Achselschweiß" und "nassem Hundefell". Wieweit solche Vergleiche zur Verständigung beitragen, sei dahingestellt. (Vielleicht sollten Sie dennoch zur Sicherheit bei Gelegenheit einmal an einem nassen Hund riechen - aber erklären Sie vorher dem Besitzer ihr Anliegen!) Für einige grundlegende Merkmale von Weinen gibt es aber glucklicherweise allgemeingebräuchliche, auch von professionellen Weinprüfern verwendete Begriffe, die sogenannte Weinansprache. Diese Begriffe werden benutzt, um die Empfindungen und Bewertungen bei einer Probe den anderen Teilnehmern mitzuteilen und sie schriftlich festzuhalten.

Dabei geht es für den einzelnen zunächst einmal nicht darum, ob ihm ein Wein mehr oder weniger gut schmeckt,

sondern er möchte anhand eines allgemeinverständlichen Vokabulars seine persönlichen Geschmackseindrücke den Mitprobenden möglichst klar und eindeutig vermitteln. Daher ist es sinnvoll, daß jeder Weinfreund mit den Begriffen der Weinansprache eine bestimmte Definition verbindet, um Mißverständnisse zu vermeiden. In der Übersicht "Ausdrücke zur Weinbeschreibung" sind die gängigsten Begriffe jeweils nach steigender Intensität geordnet. Für alle Eigenschaften, wie z.B. Süße, Säure oder Alter, gibt es ein Zuviel oder Zuwenig, meist beides (zu jung soll der Wein nicht sein, aber auch nicht zu alt). Das breite Feld der positiven Eigenschaften ist jeweils hervorgehoben. In diesem Bereich sind ausschließlich der persönliche Geschmack und die Gesamtharmonie des Weines ausschlaggebend für die Beurteilung. Oft liegen gut und schlecht nah beieinander.

So ist "süß" eher negativ gemeint, "edelsüß" aber für bestimmte anspruchsvolle Weine ein Ausdruck von höchster Qualitat. "Firn" schmeckt ein überreifer, sherryartiger Wein, der schon über seinen Entwicklungshöhepunkt hinaus ist, bei manchen sehr hochwertigen Weinen ist aber gerade die Note von "Edelfirne", ein charakteristischer feiner, bukettstarker Alterston, hoch geschätzt. Weitere Ausdrücke der Weinansprache sind im Glossar in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt und kurz erläutert. Die einzige Methode, diese Sprache zuverlässig verstehen und sprechen zu lernen, ist es aber, mit erfahrenen Weinkennern zusammen zu proben und ihnen dabei zuzuhören. Die Weinansprache kann nicht wie Vokabeln gepaukt werden. Die wichtigsten Ausdrücke werden Ihnen bald gelaufig sein, wenn Sie erst einmal einige Weine getrunken haben, auf die die Begriffe zutreffen.

Farbe

Weißweine

Positiv: hellfarbig, grünlichgelb, gelb, goldgelb, bernsteinfarbig.

Negativ: farblos, wäßrig, hochfarbig, braun.

Rotweine

Positiv: rubin, granatrot.

Negativ: rose, hellrot, braunrot.

Geruch

Positiv: zart, duftig, blumig, fruchtig, aromatisch.

Negativ: duftlos, flüchtig, aufdringlich, parfurniert.

Körper

Positiv: leicht, zart, kräftig, vollmundig, ölig, von edler Fülle.

Negativ: dünn, dick, plump.

Süße

Positiv: durchgegoren, trocken, leichte Restsüße, harmonische Süße, reife, edle Süße.

Negativ: süß, pappig.

Reife

Positiv: jung, frisch, lebendig, reif, auf der Höhe, abgelagert, edelfirn.

Negativ: mostig, gärig, hefig, unentwickelt, firn, gealtert, müde, passe, tot.

Säure

Positiv: mild, harmonisch, rassig, herb, stahlig.

Negativ: weich, spitz, unreif, grün, ziehend, sauer.

Alkohol

Positiv: leicht, schwer.

Negativ: arm, brandig, spritig.

Gesamtbild des Weines

Gesamtbild des Weines

Das Alter eines Weines kann von einem geübten Weinprüfer recht genau bestimmt werden, was Laien immer wieder tief beeindruckt. Wer sich bewußt um die Entwicklung seines Riechvermögens bemüht, wird aber feststellen, daß es garnicht so schwierig ist, den Reifezustand eines Weines zu beurteilen. Der beste Weg zur Meisterschaft liegt auch hier im steten Vergleich von hochwertigen Weinen aus verschiedenen Jahrgängen. Die Geschmackskomponenten eines jungen Weines treten noch recht deutlich und rauh zutage, da die Zeit der Reifung und Abrundung fehlt. Oftmals kann man die jugendliche Spritzigkeit beim ersten Schluck schon ganz deutlich schmecken, denn die ausgeprägte Säure hat einen mundwässernden Effekt. Vor dem geistigen Auge taucht die Farbe Grün auf - man sagt auch, daß ein junger Wein noch "gras-grün" schmeckt, ein Greenhorn unter den Weinen.

Ein Geruch nach rohem Kochapfel weist auf einen zu hohen Säuregehalt hin und ist in unreifen Weinen aus mäßigen Jahrgängen anzutreffen. Die Milde und Reife des Alters dagegen ist auch im Bukett des Weines wiederzufinden: es wird weicher und harmonischer. In vielen Weißweinen ist ein Hauch von Honig und Nüssen erkennbar, Rotweine werden reicher und tiefer in ihren Aromatönen. Ein überalterter Wein "zerfällt" im Bukett, er wird flach und müde und kann im fortgeschrittenen Stadium nach verdorbenem Kohl riechen, was die Nasenflügel im wahrsten Sinne des Wortes zum Flattern bringt. Die Alterung in der Flasche ist ein Teil der Entwicklung zur Reife und dient der Abrundung und Harmonisierung - aber auch hier gilt: zuviel ist ungesund.

Frucht

Ein fruchtiger Ausdruck in Geschmack und Geruch ist eine wünschenswerte Eigenschaft des Weines. Der Begriff kann sich sowohl auf die Traubensorte beziehen, aus der der Wein gemacht ist, als auch auf andere fruchtartige Aromen, die sich mit verschiedenen Obstsorten vergleichen lassen, so etwa das Pfirsichbukett mancher Rieslingweine oder der Johannisbeerton der Scheurebe. Meistens handelt es sich hier um relativ säurehaltige Weine. Dagegen zeigen reife und säureärmere Rotweine eher einen Erdbeer-, Himbeer- oder Brombeergeschmack. Klassische Beispiele sind der Spätburgunder und der Lemberger. Die Frucht eines Weines ist aber nicht nur sortenbedingt, sondern auch abhängig von der Weinbergslage und auch vom Reifezustand der Trauben, also vom Jahrgangdes Weines.

Umgang_Mit_Wein_01

Körper

In der sehr anschaulichen Sprache zur Weinbeschreibung versteht man unter dem "Körper" das geschmackliche Gesamtgewicht, die Substanz des Weines - chemisch gesehen hauptsächlich den Gehalt an Extraktstoffen (das sind alle Inhaltsstoffe, die nach dem Verdampfen des Weines zurückbleiben) und Alkohol. Allgemein geläufig für einen körperreichen Wein ist der Ausdruck "vollmundig". Das Gegenteil von "körperreich" ist "dünn". Sie werden den Ausdruck augenblicklich verstehen, wenn Sie einmal einen körperreichen Wein bewußt probiert haben, und ihn in Zukunft mit Begeisterung gebrauchen. Der Körper variiert erheblich je nach Qualitätsklasse, Weinbauregion, Jahrgang und Weinbereitungsmethode.

Harmonie

Das hohe Ideal des Weines ist die perfekte Balance aller Duft-und Geschmackskomponenten, die den Charakter des Weines ausmachen. Die einzelnen Komponenten allein sind uninteressant, würden für sich probiert häufig sogar als unangenehm empfunden. Erst in ihrem Zusammenspiel geben sie dem Wein sein Gesicht. So ist in Wasser gelöster Alkohol nicht gerade ein Geschmacksvergnügen, den Wein aber macht er elegant und geschliffen und bringt seine Frucht vorteilhaft zum Ausdruck. Zuviel Alkohol wiederum wirkt brennend und stechend, man nennt den Wein dann "spritig" oder "brandig". Wer einen Wein beurteilen will, muß zudem noch berücksichtigen, daß sich im Laufe der Zeit mit zunehmender Flaschenreife das Gewicht und das Verhältnis der Komponenten zueinander verändert.

So wirkt ein roter Bordeaux in seiner Jugend durch dominierende Säuren und Gerbstoffe rauh und unzugänglich, nach fünf oder zehn Jahren haben sich die geschmacklichen Kanten gerundet und verschmelzen zu einem harmonischen Gesamtbild. Bei hochklassigen deutschen Weinen ist der Winzer bemüht, das Gleichgewicht von Säure, Zucker und Alkohol schon von Anfang an zu finden. Das erlaubt eine frühe Flaschenfüllung und damit die Bewahrung der so hochgeschätzten Aromastoffe in Verbindung mit der erwünschten frischen Fruchtsäure.

Abgang

Der "Abgang" - das ist der Nachgeschmack, der nach dem Herunterschlucken zurückbleibt - erlaubt sichere Rückschlüsse auf die Qualität. Ein sauberer, frischer Abgang ist das Kennzeichen eines guten, gehaltvollen Weines. Mindere Qualitäten enden dünn und wäßrig, sie sind "kurz" oder "stumpf" im Abgang. Spitzenweine hingegen schließen mit einem lang anhaltenden, nachhaltigen Eindruck, der sich nur zögernd vom Gaumen verabschiedet.