Wo kaufe ich Wein?

Wo kaufe ich Wein?

Nach aufmerksamer Lektüre der vorangegangenen Kapitel haben Sie das Rüstzeug, den Wein "richtig" - das heißt: mit Verstand und Verständnis - zu genießen. Alles weitere ist Übungssache. Wobei diese Übungen glücklicherweise nichts mit verbissenem Training zu tun haben. Denn die Materie ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht trocken, und sie bietet dem Anfaäger ebensoviel Vergnügen und Abwechslung wie dem erfahrenen Weinkenner. Ein weiterer erfreulicher Zug dieses Hobbys: Es wird daheim im allgemeinen als Gesellschaftsspiel praktiziert. Denn Wein wird nun einmal flaschenweise angeboten, und diese Flaschen lassen sich nur in größerer Runde zu allseitigem Nutz und Frommen leeren. Vor allem aber: der Austausch unter Gleichgesinnten ist es gerade, der zum aufmerksamen, bewußten Weingenuß motiviert. Vom geselligen Vergnügen einmal ganz abgesehen: auch mit Verstand getrunken, löst der Wein die Zungen, und wenn er am Schluß des Abends nicht mehr ganz so im Mittelpunkt steht wie zu Beginn, dann ist das kein Fehler, sondern ein willkommener Nebeneffekt.

Die Gäste werden gern wiederkommen.

Eine Weinprobe - das heißt im weitesten Sinne das vergleichende Probieren von Weinen - ist längst nicht mehr nur ein exklusives Vergnügen für erfahrene Gourmets oder Kenner. Sie ist heute hingegen eine willkommene Gelegenheit, Freunde und Gäste im eigenen Heim auf anregende Weise zu bewirten und zu verwöhnen, Urlaubserinnerungen aufzufrischen und auf weinkulinarischem Wege Länder und Regionen kennenzulernen. Eine Weinprobe soll Spaß machen, ob man nun einen festlichen Rahmen mit ausgewählten Gästen wünscht oder sich ganz familiär mit guten Freunden trifft. Empfehlenswert ist diese Art von ungezwungenem Studium gerade auch in sehr gemischten Runden, in denen einer den andern nicht kennt: Man kann sich erst einmal am Weinglas "festhalten", alle Gäste haben ein gemeinsames Gesprächsthema, und Neulinge werden schnell integriert.

Wo kaufe ich meinen Wein?

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Man muß keinen gutsortierten Weinkeller besitzen, um seine Gäste mit einer Weinprobe unterhalten zu können. Die Weinabteilungen der Kaufhäuser sind heute ebenso gut bestückt wie alteingesessene Delikatessenläden. Früher mußte sich der Konsument an das Weinfachgeschäft oder den Erzeuger selbst wenden; diesen Weg braucht er heute nicht mehr auf sich zu nehmen - auch wenn er sich immer wieder lohnt. Heute gibt es Wein in allen Sparten der Lebensmittelbranche zu kaufen, ob im einfachen Gemüseladen gleich um die Ecke oder in der noblen Vinothek. Vergleichen Sie aber ruhig die Preise. Nicht in jeder teuren Designer-Flasche steckt auch ein nobler Inhalt. In Weinhäusern, Delikatessenläden und Weinfachgeschäften erhält man die beste Fachberatung. Sie sind traditionsbewußt und betonen ihre Gediegenheit durch die Qualität ihrer Weine. Hier findet man ein reichhaltiges Sortiment deutscher und ausländischer Weine und auch gehobene Qualitäten. Sucht man etwas ganz Ausgefallenes oder einen alten Jahrgang, so kann oft der Inhaber persönlich weiterhelfen.

Meist weiß er auch über ein Weinbaugebiet besonders gut Bescheid; er ist jedenfalls immer zu einem Beratungsgespräch mit den Kunden bereit. Guts- und Lagenweine sind hier stärker vertreten; oft ist man bestrebt, Weine bestimmter Herkunft durch die Jahre zu führen. Oftmals kennt der Inhaber seine Weinlieferanten und die Betriebe persönlich, vielfach gibt es schon Geschäftsbeziehungen über Generationen. Man kann also in der Regel als Kunde davon ausgehen, daß der Verkäufer weiß, was er anbietet. Vor wenigen Jahren noch waren das Kaufhaus und der Supermarkt unter Weinkennern verpönt und galten als Lager für Massenware. Heute erfüllen sie auch höhere Ansprüche, ja glänzen oft geradezu durch ein Kenner-Sortiment. Das Shop-im-Shop-Konzept und der Delikatessenladen im Kaufhaus brachten dem Weinsortiment im Lebensmittelhandel eine enorme Aufwertung. Doch bedauerlicherweise fehlt es hier oft an fachgerechter Beratung.

Die rund 20 000 Weingüter und Winzergenossenschaften im deutschsprachigen Raum, die selbst in Flaschen abfüllen,

verkaufen ihre Erzeugnisse zumeist auch direkt an den Endverbraucher. Immer mehr Weinliebhaber nutzen ihre Wochenend- und Ferienreisen dazu, Weinlandschaften, Winzer und Weingüter zu besuchen und so den Wein an seiner Geburtsstätte kennenzulernen. Geschätzt wird dabei vor allem das Fachgespräch, auf das man weitab vom Produktionsgebiet leider oft verzichten muß. Der Einkauf direkt im Weingut wird allerdings nicht unbedingt billiger, weil die Betriebe in aller Regel sowohl an den Handel als auch an den Endverbraucher verkaufen und dabei den Flaschenpreis für den privaten Kunden entsprechend der Handelsspanne erhöhen, um keinen grauen Markt entstehen zu lassen. Ein größeres Angebot als der Einzelbetrieb können meist die Winzergenossenschaften vorweisen, denn ihr Einzugsgebiet ist umfangreicher. Schrecken Sie nicht vor der Bezeichnung "Genossenschaft" und dem oft sehr sachlichen Äußeren der Betriebe zurück. Es sind hocheffiziente Gemeinschaftskellereien, entstanden aus der "Vernunftehe" vieler kleiner Winzer, die hervorragende Weine anbieten.

Ihr veränderter Geschmack

Wenn Sie mit Wein vertrauter werden, wird sich ihr Geschmack ändern. Ganz gleich, wie alt und wie erfahren Sie werden - diese Entwicklung wird anhalten. Vieles kommt dabei zusammen: ganz allgemein Ihre zunehmende Vertrautheit mit Wein, Ihre Bekanntschaft mit bislang unbekannten Weinen (meist große Weine aus Frankreich und Europa). Mit zunehmendem Alter und - mit etwas Glück - zunehmendem Einkommen wird sich Ihr Lebensstil ändern. Sie werden merken, daß Qualität besser als Quantität ist und daß die Folgen ausschweifender Trinkgelage nicht mehr so leicht wegzustecken sind.

Änderungen im Weinstil

Doch diese Veränderungen kommen von innen, und so wie Sie reifer und anders werden, verändern sich auch die Weine, die Sie kaufen. Ich spreche hier nicht von den unerwarteten Veränderungen eines Weins, der in der Flasche reift, sondern über die veränderten Stile und Bereitungsarten. In den letzten zwanzig Jahren hat es eine Flut neuer Traubensorten gegeben und eine riesige Vergrößerung der Weinlandkarte. Neue Eiche, einst ein Luxus, den nur wenige Winzer kannten, ist nun ein wesentlicher Bestandteil der Produktion von Spitzenweinen. Weinproduzenten gehen durch einen ständigen Lernprozeß und nehmen die Konsumenten auf diesem Weg mit.

Die erste Regel: Vorsicht

Die erste Regel für den unerfahrenen Käufer heißt, vorsichtig zu sein. Dies gilt auch in mancher Hinsicht für die Experten. Wo immer es möglich ist, probieren Sie den Wein, den Sie kaufen wollen. Das kann erfordern, eine einzelne Flasche zu kaufen oder an einer Weinprobe teilzunehmen, wie sie viele Weinhandlungen in den meisten Großstädten veranstalten.

Die Meinung von Experten: Nützlich, aber nicht verbindlich

Sammeln Sie als nächstes so viele Expertenmeinungen wie möglich über Wein. Sie sind in Büchern, Zeitungen, Weinzeitschriften, Weinclub- und Weinhandelsinformationen nachzulesen. Persönliche Empfehlungen können, müssen aber nicht verläßlich sein. Der Rat eines Weinhändlers fällt in dieselbe Kategorie: Wenn Sie Kontakte zu einem guten Weinhändler aufbauen, der Ihren Geschmack und Ihre persönlichen Vorlieben kennt, wird dieser Rat das allerbeste sein. Das Gegenteil wäre ein Weinhändler, der ihren Geschmack nicht kennt, aber ein begründetes Interesse hat, irgendwelche Restposten eines bestimmten Weins zu verkaufen.

Persönlicher Geschmack: Ihre ganz eigene Entscheidung

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Sie müssen immer daran denken, daß Ihnen ein Experte erklären kann, weshalb ein Wein sehr gut, gut oder schlecht ist, daß er Ihnen aber nie sagen kann, ob Sie ihn mögen werden. Dies ist eine ganz persönliche und sehr subjektive Entscheidung. Wenn Sie den Wein mögen und der Fachmann ihn für sehr gut hält, können Sie ihn vertrauensvoll kaufen. Wenn Ihnen der Wein schmeckt, der Experte ihn jedoch für schlecht hält, seien Sie vorsichtig: Kaufen Sie erst eine Flasche, und prüfen Sie dann, ob Sie den Wein immer noch angenehm finden.

Weinkauf in Discountgeschäften

Wenn man in einer der großen Städte im Süden Australiens lebt (also überall außer in Brisbane und Darwin), findet man immer und überall Läden, in denen man beste Weine zu vernünftigen Preisen kaufen kann.

Hier muß man sich entscheiden: Es gibt aggressive Discountgeschäfte und Ladenketten, die ausgewählte Weine zu Tiefstpreisen - und manchmal darunter - verkaufen. Auf individuelle Fachberatung müssen Sie dabei verzichten - dies ist bei Massenware und Lockvogelangeboten nicht zu erwarten.

Hier werden Kunden mit Anzeigen geködert, die ausgewählte Weine zu Niedrigpreisen anbieten, während andere Weine zu normalen Preisen verkauft werden. Darüber hinaus konzentriert sich das Angebot unvermeidlich auf die großen Markenführer.

Spezialisierte Weinhandlungen

Die andere Wahl ist, sich ein oder zwei gute Weinhandlungen auszusuchen. Bevor Australien sich nicht völlig von der Rezession 1991 erholt hat, heißt Wettbewerb, daß Sie hier guten Wein zu angemessenen Preisen, wenn auch nicht so billig wie beim Discounter, kaufen können. Ausgleich dafür bieten der Rat des Fachmanns und ein Angebot von Weinen guter Qualität, die er schon ausgewählt hat. Der Händler hat bereits sein Herz, beziehungsweise sein Geld auf die Zunge gelegt, indem er die Weine eingekauft hat, die seiner Meinung nach das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Denn kein Weinhändler kann mehrals eine bescheidene Auswahl aus den Tausenden verschiedener Weine, die die rund 650 australischen Hersteller produzieren, gleichzeitig in seinem Angebot haben.

Weinclubs und Weinkauf in der Provinz

Viele Kreditkartenunternehmen, mehrere große Einzelhandelsgeschäfte (vor allem David Jones) und eine Reihe anderer Organisationen (vor allem die gemeinnützige Australian Wine Society) bieten Wein mit Mailorder an, mit richtigen Katalogen und einem Standingorder-System mit ausgewählten Weinen. Die Kreditkartenunternehmen haben ein Edelangebot mit der Cellarmasters Organisation (die den American Express Weinkeller ins Leben rief, jetzt aber nicht mehr daran beteiligt ist) und mit einem der am weitesten entwickelten Computersysteme auf der ganzen Welt. Sie bieten dem Käufer auf dem Land die Mögtichkeit, Wein zu Stadtpreisen (oder günstiger) zu kaufen, und die Sicherheit, daß viel Arbeit und Erfahrung in der Auswahl dieser Weine steckt. Ein Nachteil ist das unvermeidlich begrenzte Angebot, doch dies kann für den Anfänger auch ein Vorteil sein, denn es macht die Wahl leichter.

Schwellenangst

Tatsächlich bringen diese Annehmlichkeiten den Clubs und Versandfirmen auch eine Menge städtischer Kunden. Die Tatsache, daß die Auswahl an Weinen und Marken so groß ist, kann den Einkauf zermürbend machen. Es ist verständlich, daß der Käufer fürchtet, dumm zu wirken und die falsche Wahl zu treffen. Manche Geschäftsleute haben einfach keine Zeit, selber einzukaufen, und es ist höchst bequem, seine Sekretärin den Wein nach den Versandangeboten mit der Kreditkarte bestellen zu lassen.

Auktionen

Das andere Extrem sind Weinauktionen, wie sie Langton's in Sydney und Melbourne oder Colin Gaetjens in Adelaide veranstalten. Dies können glückliche Jagdgründe für die jenigen sein, die die besten und seltensten Weine suchen, und auch für diejenigen, die auf Schnäppchen aus sind. Man kann auch telefonisch oder per Fax mitbieten und muß nicht persönlich dabeisein, wenn man gerade keine Zeit hat. Aus der Ferne mitzusteigern, hat auch noch einen zweiten Vorteil: Man wird nicht vom Auktionsfieber angesteckt, bei dem durch gegenseitiges Überbieten die Preise in die Höhe, oft über ein vernünftiges Maß hinaus, getrieben werden.

Die Fallen

Doch es gibt Fallen. Wenn Sie für alte Weine bieten, ist es wichtig, daß Sie oder eine Person Ihres Vertrauens die Flaschen vorher inspizieren. Der erfahrene Blick des Experten kann oft Anzeichen einer schlechten Lagerung erkennen, die den Wein beschädigt haben können, manchmal zeigen sogar junge Weine solche Symptone (vor allem beschädigte Korken). Passionierte Auktionsbesucher werden auch Weine aufspüren, die schon einmal versteigert und dann wieder angeboten wurden, dochmit einer Flasche weniger. Daraus folgt, daß der Käufer mit dem Wein nicht zufrieden war. Aber man darf den Auktionator nicht fragen, werden Wein verkauft und warum. Die Identität des Verkäufers und sein Motiv bleiben ein streng gehütetes Geheimnis.

Der einzige Weg, Wein Privat zu verkaufen

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Auktionen sind der einzige legale Weg für eine Privatperson, Wein zu verkaufen - Ausnahmen sind ein Todesfall oder Bankrott (oder beides). Bei so traurigen Anlässen kann eine Auktion die vernünftigste Methode sein, größere Mengen an Wein in einem vertretbar kurzen Zeitraum zu verkaufen. Daraus soll man jedoch nicht folgern, daß nur unerwünschte Waisenkinder auf Auktionen versteigert werden; einige der größten Weine, sowohl australische wie importierte, findet man nur auf Versteigerungen.

Die Kellertür

Schließlich noch diese Möglichkeit: Man durchschreitet die Tür zum Weinkeller. (Man ist vorbereitet durch den Versandkatalog, mit dem die meisten der kleinen Kellereien arbeiten.) In eine Kellerei zu fahren, dort zu probieren und einzukaufen, ist die genußreichste Einkaufsart. Die australischen Weinbaugebiete liegen in sehr abwechslungsreichen Landschaften, und ihre Kellereien bieten die unterschiedlichsten Weinstile - ich kenne keine, die nicht ihre eigene Schönheit hätte. Von allen großen Städten sind es nur ein paar Stunden Fahrt, Melbourne und Adelaide liegen besonders günstig.

Privileg, nicht Recht

Fast immer sind Weinproben kostenlos, und in den meisten Regionen gibt es einige Kellereien, die auch Restaurants haben. Die Ausstattung für die Weinproben ist höchst komfortabel, verglichen mit der Zeit, als ich anfing, Kellereien zu besuchen, und ebenso groß ist die Auswahl an Kellereien. Es wird nicht unbedingt erwartet, daß Sie Wein kaufen - aber bedenken Sie andererseits die Kosten des Weinproduzenten. Er läßt Sie nicht nur probieren, sondern zahlt für dieses Privileg auch noch 20 Prozent Steuern an die Regierung. Dazu kommen die Kosten für die Räume, die Gläser (die kaputt gehen oder verschwinden) und die Lohnkosten für das Personal. Freie Weinproben sind ein Privileg, daß man nicht mißbrauchen sollte.