Wein verkosten

Wein verkosten

Für jeden Weinliebhaber ist es eine Herausforderung, einen Wein seiner Wahl in geselliger Runde zu präsentieren. Er dokumentiert schließlich bei einem solchen Anlass seinen Sachverstand, sowohl was die grundsätzliche Wahl des Anbaugebietes, des Weingutes und des Jahrgangs betrifft, als auch seine Kompetenz in der richtigen Pflege und Alterung des Weines bis zu seinem optimalen Trinkzeitpunkt. Dabei gibt es einige Punkte zu bedenken, wenn man Gäste zu einer kleinen privaten Weinprobe einlädt.

Man muss sich überlegen, wie viel Wein man benötigen wird, wie man ihn vor dem Servieren behandelt, wie man ihn

am besten serviert und schließlich, in welcher Reihenfolge man verschiedene Gewächse anbietet. Die wichtige Frage, wie viel Wein man bereithalten soll, ist nur sehr schwer zu beantworten, da hier mehrere Faktoren relevant sind. Man muss einschätzen, wie trinkfreudig die Gäste voraussichtlich sein werden, ob sie mit dem eigenen Auto kommen oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln bzw. zu Fuß. Schließlich spielt auch die Frage eine Rolle, ob die Weinprobe im Rahmen eines Menüs stattfindet oder ohne begleitende Speisen.

Bei einem gehaltvollen Essen steigt der Wein schließlich lange nicht so schnell zu Kopfe, als wenn man ihn außerhalb

einer Mahlzeit genießt. Eine bekannte Faustregel empfiehlt, eine Flasche mehr bereit zu halten, als die Anzahl der Gäste beträgt. Einer der verbreitetsten Fehler bei privaten Weinproben ist die Wahl einer falschen Trinktemperatur. Gerade bei Rotweinen unterscheiden sich die ideale Lager- und die beste Trinktemperatur erheblich. So werden Weiß- und Rosöweine immer wieder zu warm serviert, sodass sie ihre Frucht nicht zur Geltung bringen können und ihre Säure geschmacklich unangenehm in den Vordergrund tritt.

Es empfiehlt sich, eine Weinprobe vorausschauend zu planen. Die Weine, die zur Verkostung ausgesucht werden, sollte man mindestens eine Woche vorher aus dem Keller holen und an einem geeigneten Ort in der Wohnung lagern. Rotweine werden dabei schonend temperiert. Hat der Wein ein starkes Depot, ist es sogar günstig, ihn kurzfristig stehend zu lagern. Dadurch kann das Depot langsam zum Flaschenboden wandern und wird durch den Vorgang des Entkorkens nicht mehr aufgewirbelt. Das Dekantieren wird dadurch wesentlich erleichtert.

Die alte Regel, Rotwein bei Zimmertemperatur zu servieren, ist heute so nicht mehr gültig.

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Sie stammt aus einer Zeit, als es in den Wohnstuben im Durchschnitt zwei bis drei Grad kühler war als heute in unseren zentralbeheizten Wohnungen. So werden Rotweine häufig zu warm serviert, wodurch sie müde und schwer wirken können. Auch Weiß- und Roseweine sollten möglichst frühzeitig auf die richtige Trinktemperatur gekühlt werden. Je länger sie diese Temperatur bereits halten, desto besser präsentieren sie sich. Nichts schadet dem Wein so sehr wie gewaltsame Radikalkuren zur Herstellung der optimalen Trinktemperatur.

Kein Weinliebhaber wird einen Weiß- oder Rosewein im Eisfach oder in der Tiefkühltruhe gewaltsam und schnell auf Trinktemperatur kühlen. Die vielfältigen Empfehlungen zur idealen Trinktemperatur, wie man sie beispielsweise auf den Rückenetiketten der Flaschen oft findet, gelten immer für den Wein im Glas. Innerhalb kurzer Zeit können sich insbesondere gekühlte Weine im Glas jedoch um mehrere Grad erwärmen.

Deshalb ist es ratsam, auch im privaten Bereich einen Sekt- und Weinkühler zu benutzen, damit man jederzeit richtig temperierten Wein nachschenken kann. Zur Kontrolle der Trinktemperatur empfiehlt sich die Anschaffung eines Weinthermometers. Der stilvolle Genuss von Wein beginnt mit dem Servieren. Dabei sind einige Dinge zu beachten. Die Kapsel der Flasche, die den Flaschenhals umschließt und den Korken schützt, sollte nicht einfach heruntergerissen werden. Dabei könnte es zu starken Schüttelbewegungen kommen, die ein eventuell vorhandenes Depot aufwirbeln würden. Deshalb lohnt es sich, einen Kapselschneider zu erwerben, mit dem man jede Kapsel sauber abtrennen kann.

Die gängigen Modelle schneiden und einen halben Zentimeter der Kapsel oberhalb der Wulst am Flaschenhals ab.

Das ist vor allem bei Metallkapseln wichtig, denn der Wein kann durch die Berührung mit Metall seinen Geschmack verändern. Optimal wäre es allerdings, die Kapsel unterhalb der Wulst abzuschneiden, dann wäre der Kontakt des Weinesmit dem Metall absolut ausgeschlossen. Es ist nicht sehr elegant, den Korken mit einem Ruck oder einem lauten Geräusch aus dem Flaschenhals zu entfernen. Zum Entfernen des Flaschenkorkens eignen sich Korkenzieher mit einem Hebelmechanismus besonders gut. Wichtig ist vor allem. dass das Gewinde des Korkenziehers mit einer "Seele" ausgestattet ist.

Das bedeutet, dass er nicht die Form einer Schraube besitzt. sondern wie eine offene Spirale geformt sein sollte. Damit kann man auch alte, bröckelige Korken entfernen, ohne sie zu zerschneiden. Auch Schaumweine sollten nicht mit einem Knall entkorkt werden. Besser ist es, den Korken mit einer Hand zurückzuhalten und so langsam zu entfernen, dass nur ein Zischen hörbar wird. Elegant ausgeschenkt wird Schaumwein, indem man die Flasche auf die flache Hand legt und mit dem Daumen in die Vertiefung am Flaschenboden greift. So kann man perfekt die Balance halten.

Viele ältere Rotweine setzen während ihres Reifeprozesses ein Depot aus Schwebeteilchen auf dem Flaschenboden ab.

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Durch das Öffnen der Flasche kann das Depot aufgewirbelt werden, gelangt dann beim Einschenken ins Glas und trübt den Wein. Deshalb sollten solche edlen Weine besonders vorsichtig entkorkt und dann dekantiert werden. Dabei schüttet man den Flascheninhalt vorsichtig in eine Karaffe. Über einer Lichtquelle - am besten einer Kerze - kontrolliert man dabei, dass nichts vom dem Depot in die Karaffe gerät. Auch bei vielen jüngeren Rotweinen lohnt sich das Dekantieren. Sie brauchen nämlich oftmals den Kontakt mit dem Luftsauerstoff, umihre noch schlummernden Qualitäten zu entfalten.

Es wird häufig empfohlen, den Wein zwei Stunden vor dem Genuss zu entkorken, um den Zutritt des Sauerstoffs zu ermöglichen. Diese Methode bietet aber bei weitem nicht die Vorteile des Dekantierens, da durch den engen Flaschenhals nur sehr wenig Sauerstoff an den Wein gelangt. Um die Vorzüge eines Weines zur Geltung zu bringen und darüber hinaus den Weingenuss auch zu einem ästhetischen Erlebnis zu machen, ist die Wahl des richtigen Weinglases von entscheidender Bedeutung. Es ist erstaunlich, wie viele "Kitsch-Gläser" und zur Verkostung von Weinen teilweise schlicht ungeeignete Trinkgefäße immer noch angeboten werden. Da gibt es Gläser mit Gravuren, ins Glas eingearbeiteten Mustern, farbige Gläser und solche mit aufgedruckten Motiven. Oft stimmt die Form auch nicht und der Kelch des Glases öffnet sich nach oben, wodurch der Duft des Weines verlorengeht. Deshalb gibt es einige Regeln für ein taugliches Weinglas: Das Glas sollte farblos sein.

Nur so kann man die Farbe und die Klarheit eines Weines richtig beurteilen.

Zudem sollte es einen langen Stiel besitzen. lst der Stiel zu kurz, neigt man dazu, das Glas am Kelch anzufassen. Dadurch erwärmt sich der Wein. Außerdem wird das Glas durch Fingerabdrücke unklar. Der Kelch sollte an seinem oberen Rand etwas verengt sein, damit sich das Bukett im Glas konzentrieren kann.

Aus nach oben hin weit geöffneten Gläsern entweicht der Duft hingegen schnell. Auf keinen Fall sollte das Glas bis zum oberen Rand gefüllt werden, weil dann die Bukett-Entwicklung behindert wird. ldeal ist es, ein Weinglas maximal bis zu seiner breitesten Stelle zu füllen. Je aromatischer und bukettreicher ein Wein ist, desto größer sollte das Glas sein, damit er sich perfekt entfalten kann. Der Fachhandel hält heute eine schier unüberblickbare Vielzahl von Weingläsern für jegliche Weintypen und Rebsorten bereit.

Wem dies zu aufwändig ist, der kann auf ein typisches Degustationsglas zurückgreifen.

Es besitzt üblicherweise einen nicht übertrieben großen, hohen, sich gleichmäßig verjüngenenden Kelch und eignet sich für nahezu alle Weine. Wichtig für eine gelungene Weinprobe ist auch die richtige Reihenfolge, in der man die verschiedenen Gewächse probiert.

Orientiert man sich dabei an den Weinarten, empfiehlt sich die Reihenfolge: Schaumwein vor Weißwein vor Rosewein vor Rotwein. Stehen jedoch die Geschmacksrichtungen im Vordergrund, sollte man mit den säurereichsten Weinen beginnen und sich langsam zu den süßesten Gewächsen "vorarbeiten". Schließlich gibt es noch die Möglichkeit, Weine verschiedener Qualitätsstufen zu verkosten.

Dabei beginnt man mit den einfachsten Weinen und steigert die Qualität stetig.

Nach dem Spitzenwein bietet man zum "Abtrunk" dann wieder einen leichten, unkomplizierten, vielleicht sogar süffigen Wein an, denn es kann sowohl für den Gastgeber als auch für die Gäste durchaus anstrengend werden, einen erlesenen Wein nach dem anderen zu würdigen.

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Zur Neutralisierung der Geschmacksnerven ist ein schwach mineralisiertes Mineralwasser ideal, auch Brot ist gut geeignet. Wer auf eine Weinprobe geht, bei der im Rahmen des Weinhandels mehrere Weine - ofmals einige Dutzend -angeboten werden, sollte sich allerdings anders verhalten als bei der privaten Weinverkostung im geselligen Rahmen daheim.

Hier ist eine gewisse Konzentration erforderlich, denn wenn eine Kaufentscheidung ansteht, geht es immerhin um viel Geld, und man will sich schließlich nachher nicht ärgern, einen Wein gekauft zu haben, der den eigenen Wünschen vielleicht doch gar nicht so gut entspricht. Dabei geht es natürlich einerseits um subjektive Eindrücke und Vorlieben, andererseits aber auch darum, objektiv festzustellen, dass der Wein fehlerfrei ist.

Der erste Eindruck eines Weines wird mit dem Auge wahrgenommen.

Halten Sie das Glas gegen eine Lichtquelle. Der Wein muss glanzhell sein, von klarer Farbe und frei von Trübungen. Solche sollten auf keinen Fall akzeptiert werden, es sei denn, es handelt sich um alten Rotwein, der ein Depot abgesetzt hat. Solche Weine sind allerdings bei Handelsverkostungen sehr selten. Den nächsten Schritt übernimmt die Nase. Sie prüft, ob der Duft des Weines den eigenen Vorlieben entspricht, aber sie kann die meisten Weinfehler bereits feststellen. Ein Korkgeschmack beispielsweise ist mit etwas Ubung oft schon am Geruch des Weines oder Korkens festzustellen, wobei es natürlich viele Ausnahmen geben kann.

Es gibt Flaschen und Korken, die riechen nach dem Öffnen wenig verheißungsvoll, und doch präsentiert sich der Wein einwandfrei - und umgekehrt. Manche Fremdgerüche, wie beispielsweise der berühmte faulig riechende "Böckser" oder auch eingelegentlich vorkommender Flaschengeruch, verflüchtigen sich nach kurzem Lüften des Weines in der geöffneten Flasche oder besser noch im Glas. Der letzte Schritt besteht in der Geschmacksprüfung. Neben den subjektiven Eindrücken sollte man wiederum darauf achten, ob der Wein typisch für Rebsorte und Herkunft schmeckt, ob er einen seinem Alter angemessenen Geschmack aufweist und frei ist von Fremdtönen.

"Rollen" Sie den Wein im Mund hin und her, lassen Sie ihn die Zunge umspülen und entlocken Sie ihm alle

geschmacklichen Geheimnisse, die er offenbaren kann. Für die Geschmacksprüfung ist es übrigens völlig unnötig, den Wein hinunterzuschlucken, denn hinter der Zunge, im Rachen, sitzen keine Geschmacksknospen mehr. So sollte man sich nicht scheuen, den Wein auszuspucken, wenn entsprechende Behälter vorhanden sind und man viele Weine verkosten will.

Durch die Mundschleimhäute wird zwar auch etwas Alkohol aufgenommen, aber die Menge entspricht bei ca. 30 verkosteten Weinen einem getrunkenen Glas. Auch sollte man die eingeschenkte Menge nicht als Aufforderung verstehen, sondern das Glas nach ein, zwei Probeschlücken ausschütten.

Man sollte sich nicht scheuen nachzufragen, wie lange eine Flasche beispielsweise eines jüngeren, hochwertigen Rotweins bereits geöffnet ist, denn in der geöffneten Flasche kann sich ein eigentlich noch nicht trinkreifer Rotwein über Nacht verändern und wesentlich reifer, samtiger und zugänglicher erscheinen, als er ansonsten tatsächlich ist.