Chardonnay

Chardonnay

Der Chardonnay ist der König der Weißweinreben. Wenn vielleicht auch der Riesling im Einzelnen noch langlebigere und der Sauvignon Blanc noch pikantere Weine hervorzubringen mag, so steht angesichts der ungeheuren Anzahl an Spitzenweinen, die weltweit aus dem Chardonnay erzeugt werden, diesem letztlich doch unbestritten der erste Rang unter allen Weißweinreben der Welt zu. Vor allem durch die weltweite Verbreitung des Chardonnay und den Trend zu Rebsortenweinen in der Neuen Welt, aber auch bei den hochwertigen französischen Vins de Pays, ist der Begriff Chardonnay zum Markennamen geworden, der sogar jedem äußerst sporadischen Weintrinker ein Begriff ist.

Im Weißweinbereich ist die Erfolgsstory des Chardonnay einzigartig- vergleichbar allenfalls mit dem, was im

Rotweinbereich mit dem Cabernet Sauvignon geschehen ist und in jüngster Zeit mit dem Merlot geschieht. Namen der französischen Klassiker, die aus dem Chardonnay bestehen und dessen Reputation entscheidend mitbegründet haben, sind dagegen etwas in den Hintergrund getreten: Chardonnay kennt jeder, Chablis kennen wahrscheinlich noch die meisten auch nur am Rande an Wein Interessierten, doch Meursault, Corton- Charlemagne oder Montrachet - Gewächse, in denen der Chardonnay den Gipfel des Weinolymps erklimmt - sind doch nurjenen ein Begriff, die sich näher mit französischen Weißweinen aus dem Burgund beschäftigen.

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Die Herkunft des Chardonnay ist nach wie vor ungeklärt. Da die Mutationsfreudigkeit des Pinot Noir seit langem bekannt war und bereits den Pinot Gris und den Pinot Bianco hervorgebracht hatte, dachte man lange Zeit, der Chardonnay sei ebenfalls ein durch Mutation entstandenes Mitglied der Pinot-Familie. Demnach nannte man ihn lange Zeit Pinot Chardonnay- in einigen Gegenden Italiens sogar noch bis in die jüngste Vergangenheit hinein.

Andere Theorien suchen den Ursprung des Chardonnay in Vorderasien, zumal er im Libanon

und in Israel schon sehr lange bekannt ist. Wieder andere Weinfreunde verweisen auf den Ort Chardonnay im Burgund im Mâconnais, zumal das Burgund die Hochburg des Chardonnay in Frankreich ist. Letztlich zu klären ist diese Frage nicht, unbestreitbar ist hingegen, dass der Chardonnay seinen Siegeszug der letzten Jahrzehnte durch die Welt des Weines von Frankreich aus angetreten hat.

Auf Grund der weiten Verbreitung des Chardonnay bringt er in den vielen Winkeln der Welt, in denen er mittlerweile eine Heimat gefunden hat, naturgemäß auch verschiedene Weinstile hervor. Doch allen gemein ist das freundliche, wärmende und nicht allzu komplizierte Wesen, das ihm den Zugang zu so vielen Weinfreunden auf der ganzen Welt beträchtlich erleichtert hat. Die Duftpalette ist groß: Es sind bei kargeren Weinen aus kühleren Gegenden oder früh gelesenem Traubengut bereits Aromen von nicht ganz reifen Äpfeln beschrieben worden, bei anderen Weinen wiederum der Duft von überreifen Stachelbeeren, Melonen, Bananen bis hin zu exotischen Früchten. Einige Klone besitzen ein vordergründiges Muskataroma, sie werden als Chardonnay Musque bezeichnet. Die Mutation Chardonnay Rosé trägt rosafarbige Beeren.

Chardonnayweine sind meist körperreich, besitzen oftmals reichlich Alkohol und Extrakt und sind stoffig und

nachhaltig. Das größte Geheimnis des Chardonnay ist wahrscheinlich seine Anpassungsfähigkeit: Er gedeiht sowohl in den nördlichsten Weinbergen Frankreichs unter den kühlen Bedingungen des Chablis und der Champagne als auch in den heißesten Gegenden Australiens oder Argentiniens, wo er auf Bewässerung angewiesen ist. Und überall ist er in der Lage, außergewöhnliche Spitzenweine hervorzubringen, die nicht selten die besten Weine des jeweiligen Landes stellen. Der Chardonnay ist eine Rebe mit hoher Wuchskraft, was in der Vegetationsperiode umfangreiche Laubauslichtungsmaßnahmen erforderlich macht, damit die Trauben nicht vom Laub beschattet werden.

Er liefert zuverlässig recht hohe Erträge, auch wenn er nicht in der Lage ist, bei so hohen Erträgen, wie der Riesling liefert, noch dessen Traubenqualität zu erreichen. Irgendwo jenseits von 70 Hektoliter pro Hektar liegt für den Chardonnay die Grenze, darüber kann er selbst unter besten äußeren Bedingungen nur noch dünne, bescheidene Weine liefern. Die Sorte treibt früh aus und ist damit frostgefährdet, was ihr vor allem im Chablis, Burgund und in der Champagne immer wieder zu schaffen macht.

Die grünen Beeren wachsen gelegentlich ungleichmäßig, und auch ein ausgeprägter Hang zur Zwergwüchsigkeit der

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Beeren ist bei einigen Klonen bereits beobachtet worden. Nur die wenigsten, auf sehr hohe Qualität und niedrigste Erträge ausgerichteten Erzeuger wissen dies zu schätzen. Daneben besitzt der Chardonnay bei kühlem, nassen Wetter zur Blütezeit auch einen ausgeprägten Hang zum Verrieseln, was die Erträge schmälern, bei ansonsten gutem Witterungsverlauf des Jahres die Qualität im Endeffekt jedoch beträchtlich steigern kann. Ansonsten ist der Chardonnay im Weinberg ausgesprochen anspruchslos und findet sich auf allen Böden zurecht, die für den Weinbau grundsätzlich auch geeignet sind. Empfindlich ist er dann erst wieder gegen Ende der Vegetationsperiode, wenn die Reifezeit begonnen hat, denn seine Beeren sind sehr dünnhäutig und bei stärkerem Regen zur Lesezeit anfällig für die Graufäule.

Die Wahl des richtigen Lesezeitpunktes ist beim Chardonnay sehr wichtig, denn ab dem Erreichen der Vollreife setzt ein rasant verlaufender Säureabbau ein, der dazu führt, dass zu spät gelesene Weine zwar von üppiger Öligkeit sind, auf Grund der geringen Säure jedoch flach und breit wirken. Die besten, voll- gelungenen Chardonnayweine sind dagegen einzigartig und unnachahmlich:

Voller Frucht und mit beeindruckendem Körper zeichnen sie sich durch unvergleichliche Komplexität und Tiefe und

übergroßen Nuancenreichtum aus. Sein Renommee stützt der Chardonnay auf seine klassischen Anbaugebiete in Frankreich. An erster Stelle steht hier das Burgund, dessen bedeutendste weiße Rebsorte er ist. An der Côte d'Or, insbesondere in den Weinbergen der Orte Meursault, Aloxe-Corton, Chassagne-Montrachet und Puligny-Montrachet an der Côte de Beaune, bringt er die Weine hervor, die überall in der Welt, wo die modische Rebsorte heute kultiviert wird, als absolute Maßstäbe der Weißweinerzeugung gelten.

Aber auch an der Côte Chalonnaise rund um die Ortschaft Pouilly und in einigen Gemein-den der AC Macon-Villages erbringt der Chardonnay Weine von unbestrittener Weltklasse. Ebenfalls Weltruhm genießen die Chardonnayweine aus Chablis, die - trotz gänzlich anderen, entschieden kargeren Stils - in den 1970er-Jahren in weiten Teilen der Neuen Welt zum Synonym für Chardonnay geworden sind, sodass in Kalifornien, Südafrika und Australien große Mengen an Typenweinen entstanden sind, die für den Export in die Europäische Union freilich nicht zugelassen sind, da die Herkunftsbezeichnung Chablis hier gesetzlich geschützt ist. Ein weiteres Zentrum des Chardonnay-Anbaus in Frankreich ist die Champagne, wo der Chardonnay neben den roten Sorten Pinot Noir und Pinot Meunier (Schwarzriesling) die einzige weiße Rebsorte für die Produktion der edlen Schaumweine ist.

Der Süden der Champagne, die Côte des Blancs, ist ausschließlich mit dem Chardonnay bestockt, der dem

Champagner Eleganz, Feinheit und Langlebigkeit verleiht. 90 Prozent aller französischen Chardonnay-Reben stehen in der Champagne oder im Burgund. Bedeutung besitzt die Sorte darüber hinaus im Jura, wo er sortenreine Weine, im Verschnitt mit dem Savagnin langlebige, charaktervolle Gewächse sowie größere Mengen Schaumwein liefert. Vor allem in die Schaumweinproduktion fließen auch die Chardonnayweine des benachbarten Savoyen ein. Im Elsass, an der Rhone, in Bordeaux, im französischen Südwesten und in der Provence ist der Chardonnay hingegen praktisch bedeutungslos, während er an der Loire, im Languedoc-Roussillon und auf Korsika zwar nicht für die Erzeugung von Qualitätsweinen zugelassen ist, aber dafür große Mengen teilweise ausgezeichneter sortenreiner Vins de Pays hervorbringt.

Insgesamt sind bei steigender Tendenz heute ca. 25.000 Hektar mit Chardonnay bestockt. Damit stehen aber noch längst nicht die meisten Chardonnay-Reben in Frankreich, denn die französische Anbaufläche wird noch übertroffen von der kalifornischen. Fast die Hälfte aller Weißweinflächen sind mit Chardonnay bestockt, das
entspricht einer Fläche von rund 30.000 Hektar. Die Sorte gedeiht hier am besten in kühleren Regionen, weshalb sie besonders entlang der nördlichen Küstenabschnitte in den Counties Monterey, Napa und Sonoma zu finden ist.

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Hier werden im kühleren Klima bei früher Lese besonders aromatische, pikante Weine mit

ausgeprägt fruchtiger Säure erzeugt, während aus den südlicheren Regionen und insbesondere aus dem Central Valley üppigere, stärkere Weine mit exotischen Aromen, aber geringerer Säure kommen. Die Weine aus den heißeren Gegenden werden meist reduktiv in großen Edelstahltanks vergoren und ausgebaut, damit ihre Frische erhalten bleibt. Die kernigeren Gewächse aus kühleren Regionen sprechen dagegen sehr gut auf den Ausbau in neuem Eichenholz an, die besten Weine werden sogar in neuen Eichenfässern vergoren, wobei der Hefesatz regelmäßig mit durch das Spundloch des Fasses geschobenen langen Stangen aufgerührt wird.

Ungeachtet des gänzlich anderen Stils, können sich die besten kalifornischen Chardonnays durchaus mit den Spitzenprodukten aus dem französischen Mutterland messen. Darüber hinaus findet die Sorte auch Eingang in die besten kalifornischen Schaumweine, sofern sie sich die großen Schaumweine der Champagne zum stilistischen Vorbild genommen haben. Auch in den meisten anderen Wein anbauenden Staaten der USA sowie in Kanada hat der Chardonnay mittlerweile auf breiter Front Heimstatt gefunden. In Argentinien, Chile und Südafrika kommt der Anbau von Chardonnay dagegen schleppender voran. Die meisten Anbaugebiete dieser Länder sind zu heiß für den Chardonnay, und die Bewässerungstechnik ist noch nicht genügend auf die während der Traubenreife prekären Bedürfnisse der Sorte abgestimmt.

Aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann auch aus diesen Ländern die ersten Chardonnays im "New World Style" den

europäischen Verbraucher erreichen werden. Anders hingegen die Situation in Australien: Hier steht der Chardonnay mittlerweile mit rund 17.000 Hektar auf dem Spitzenplatz des Sortenspiegels für Weißweine. Australische Chardonnays spiegeln die rasant gewachsene Weinbereitungskompetenz der Kellermeister auf dem fünften Kontinent wider. Sie sind selbst in der untersten Preisklasse mit ihrer reichhaltigen Frucht, der lebendigen Säure und ihrer meist betont eichenholzwürzigen Art sehr charaktervolle Weißweine.

Die besten australischen Chardonnays hingegen zählen mit ihrer äußerst verschwenderischen, reichhaltigen Art zu den besten Weißweinen der Welt. Noch frischer präsentieren sich hingegen die Chardonnays aus Neuseeland, die auf Grund des deutlich kühleren Klimas eine lebendigere II Säure behalten als ihre australischen Pendants. Auch die Chardonnays beweisen - neben den Weinen aus dem Sauvignon Blanc und dem Riesling- dass der Inselstaat im Südpazifik zu den bedeutendsten Lieferländern hochwertigster Weißweine gerechnet werden muss.

In Europa hat sich die Ausbreitung des Chardonnay auch auf Italien erstreckt, hier wird sie als "Chardonizzazione"

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bezeichnet. Zwar war er ursprünglich nirgendwo für die Erzeugung von DOC-Weinen zugelassen, doch - wohl vor allem, um eine Entwicklung wie bei den roten Super-Toskanern zu verhindern - hat man mittlerweile einige DOC-Bereiche für sortenreine Weine- darunter den Chardonnay- eingerichtet, wie etwa im Trentino, in Südtirol und im Piemont. Andernorts können sortenreine Chardonnays die Einstufung IGT für Landweine erlangen.

Besonders gute Ergebnisse erbringt der Chardonnay in Südtirol sowie in Umbrien, wo das Castello della Sala von Antinori einige bemerkenswerte Barrique-Weine erzeugt. Auch in Italien fließt der Chardonnay zudem in die Schaumweinerzeugung ein. In Spanien stehen die mit Chardonnay bestockten Weinberge vornehmlich in den kühleren, nicht so trockenen nördlichen Anbaugebieten, vor allem in Navarra, Somontano und in KataIonien.

Ein großer Teil geht in die Cava-Produktion, die Stillweine orientieren sich stilistisch an den französischen Vorbildern.

Bemerkenswert ist vor allem der Chardonnay Milmanda von Miguel Torres aus der katalanischen DO Conca de Barberà, der wohl beste spanische Chardonnaywein. Verbreitet ist die Sorte ebenfalls in Österreich, wo sie in der Steiermark meist als Morillon bezeichnet wird - wie übrigens im französischen Chablis auch. Ausgedehnte Rebflächen finden sich auch in Südosteuropa, vor allem aus Rumänien kommen regelmäßig ansprechende Weine zu uns. In Deutschland erfolgte die Zulassung des Chardonnay erst im Jahre 1991. Vorher wurde in einigen Versuchspflanzungen mit ihm experimentiert. Der Chardonnay trifft in Deutschland aber auch auf entschiedene Gegner, die eine Konkurrenz zwischen dem Chardonnay und dem Riesling um die besten Lagen befürchten. Dass dies jedoch jeglicher Grundlage entbehrt, zeigt sich bereits bei der Betrachtung der potenziellen Anbaugebiete für den Chardonnay.

Niemand käme auf die Idee, an der Mosel Chardonnay zu pflanzen, und ebenso gehören die Weinbauorte im

rheinhessischen Hügelland, der pfälzischen Südlichen Weinstraße und dem badischen Kaiserstuhl, die bisher erfolgreich Chardonnay angebaut haben, sicher nicht zu den klassischen Rieslinghochburgen Deutschlands. Inzwischen sind in Deutschland mehr als 500 Hektar mit Chardonnayreben bestockt. Insgesamt steht der Chardonnay mit seiner einzigartigen Erfolgsstory heute hinter der spanischen Airén, dem italienischen Trebbiano und dem russisch-chinesischen Rkatsiteli weltweit auf Platz vier der weißen Rebsorten.