Nicht nur Portwein
Das westlichste Land Europas hat eine lange Weinbautradition vorzuweisen, die mindestens bis zu den Römern zurückreicht, die das Land bereits im 2. vorchristlichen Jahrhundert eroberten und als Lusitania ihrer großen Provinz Hispania einverleibten. Wahrscheinlich waren es aber bereits die Phönizier, die - wie im Nachbarland Spanien - lange vor den Römern im 11. Jahrhundert vor Christus die ersten Reben kultivierten. lm 12. Jahrhundert entdeckten dann die Engländer Portugal als Quelle starken, haltbaren Weines und begannen Weine vom Douro, wie der spanische Duero hier heißt, nach England zu verschiffen.
In der Folgezeit war der Aufstieg des portugiesischen Weinbaus stark mit den Bestrebungen Englands verknüpft, ein
Weltreich zu errichten und zur stärksten Kolonialmacht aufzusteigen. Denn diese Weltmachtpolitik brachte die Engländer immer wieder in kriegerische Konflikte mit den anderen europäischen Großmächten, zuerst mit Frankreich, dann mit Spanien, später dann wieder mit Frankreich, sodass die Zeit vom 15. bis ins 19. Jahrhundert hinein eigentlich eine nicht enden wollende Serie von Kriegen und Handelskriegen Englands gegen Frankreich oder Spanien darstellt. Natürlich versiegten während dieser Konflikte die Weinexporte der englischen Gegner in das Inselreich, und stets waren es die Portugiesen, die davon profitierten und durch ihre Exporte die französischen und spanischen Weine ersetzten.
Aus dieser Zeit stammt auch die "Erfindung" des Portweins. Die portugiesische Insel Madeira im Atlantik war zudem der ideale Handelsstützpunkt, um die vielen Schiffe, die in die Neue Weltsegelten, mit Proviant und vor allem auch Wein zu versorgen. So kam der Madeira zu seinem Weltruf. Die Verwüstungen durch die Reblaus am Ende des 19. Jahrhunderts brachten auch für den portugiesischen Weinbau einen harten Schlag, von dem sich einige Regionen nie wieder richtig erholt haben - zumal solche, die mehr auf Hybridreben als auf gepfropfte Edelreben setzten, von denen man sogar heute in Portugal noch viele findet und die den Qualitätsstand des Weinbaus drücken.
Heute stehen in Portugal rund 400.000 Hektar unter Reben, damit gehört die kleine Republik
zu den großen Weinbauländern der Welt. lm Weinkonsum befinden sich die Portugiesen ebenfalls auf einem ganz oberen Rang: Der Pro-Kopf-Verbrauch ist mit knapp über 50 Litern pro Jahr der viertgrößte weltweit. Lediglich in Luxemburg, Frankreich und ltalien wird mehr Wein getrunken. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass zahlreiche einfache portugiesische Weine gar nicht erst exportiert werden, sie werden im Land selbst verkonsumiert. Für die Spitzenweine wie den Portwein finden sich dagegen weltweit Liebhaber, insbesondere aber in Großbritannien.
Und dennoch ist portugiesischer Wein eine weithin unbekannte Größe: Abgesehen von den drei Welterfolgen des portugiesischen Weinbaus, dem Portwein und den beiden halbtrockenen, perlenden Marken-Roses Mateus und Lancer's, fristet portugiesischer Wein heute bei uns immer noch selbst in großen Fachhandlungen oftmals ein Schattendasein. Doch gibt es eine ganze Reihe von ausgezeichneten Weinen, die weitaus mehr Beachtung verdienen, zumal kaum ein europäisches Weinbauland ein so attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis bietet wie Portugal.
Weinbau in Portugal
Die Erzeugung international konkurrenzfähiger Qualitätsweine konzentriert sich auf den regenreichen, klimatisch gemäßigten Norden und die wesentlich trockenere, heißere Mitte Portugals. lm Süden des Landes entstehen hingegen - von einzelnen Ausnahmen abgesehen - einfache Landweine. Ganz im Norden ähneln die Bedingungen stark denen im spanischen Galizien. Der Atlantik kann hier ungehindert von abschirmenden Bergketten seine klimatischen Launen ausleben, sodass hier die Niederschläge mit örtlich sogar bis zu 2000 mm pro Jahr zu den höchsten in ganz Südeuropa gehören. Dementsprechend werden hier auch ganz ähnliche, leichte und spritzige Weine wie in Galizien jenseits des Rio Minho erzeugt.
Weiter nach Süden und landeinwärts wird es dann immer heißer und trockener, im nur 100 Kilometer von der Küste entfernten Portweingebiet liegt die jährliche Regenmenge nur noch bei rund 500-700 mm. Seit 1986, seit dem Beitritt Portugals zu den Europäischen Gemeinschaften, sind umfangreiche Geldmittel für die Modernisierung der Weinwirtschaft nach Portugal geflossen. Der technische Standard der Weinerzeugung ist dadurch merklich gestiegen. Doch immer noch ist der portugiesische Weinbau sehr stark traditionsverhaftet. 15 Prozent der portugiesischen Bevölkerung leben von der Erzeugung und Vermarktung von Wein. Die Rebfläche von 400.000 Hektar ist in der Hand von nahezu 200.000 Winzern, von denen nur ein winziger Bruchteil die technischen und finanziellen Mittel besitzt, selbst Weine zu bereiten, abzufüllen und zu vermarkten.
So liegt die Weinproduktion weitgehend in den Händen der großen Genossenschaften und Privatkellereien, die sich
zunehmend bemühen, das riesige qualitative Potenzial Portugals adäquat auszuschöpfen.
Nationale Rebsorten
Ähnlich traditionell wie die Strukturen des portugiesischen Weinbaus ist auch der Sortenspiegel. Die internationalen Rebsorten, nach denen vor allem die lukrativen Massenmärkte zunehmend verlangen, spielen in Portugal bisher kaum eine Rolle. Cabernet Sauvignon, Merlot, Chardonnay und Sauvignon Blanc sind in Portugal so gut wie unbekannt. Portugiesischer Wein wird fast ausschließlich aus einheimischen Rebsorten bereitet.
Touriga Nacional ist die edelste rote Rebsorte Portugals, sie liefert dunkle Weine mit intensiv rubinroter bis fast
schwarzer Färbung. Die Weine sind tanninreich und zeigen bei zunehmender Reife eine außergewöhnliche Komplexität. Touriga Nacional wird in allen Regionen Portugals angebaut - vom nördlichen Minho bis in den Alentejo hinein. Die Sorte hat in vielen Gebieten eigene Namen, allein im Däo sind sechs verschiedene Synonyme bekannt: Tourigo, Tourigo Antigo, Tourigäo, Preto Mortägua, Mortägua und Elvatouriga. lm Douro-Gebiet nennt man sie Touriga Fina, im Gebiet des Vinho Verde heißt sie Azal Espanhol. Auch in den angrenzenden Regionen Spaniens hat man das Potenzial dieser Rebsorte erkannt und baut sie zunehmend an.
Darüber hinaus bauen die Winzer im Douro-Tal auch die Sorten Touriga Francesa und Tinta Roriz an, bei der es sich um die portugiesiche Variante der erfolgreichen spanischen Rebsorte Tempranillo handelt. lm Anbaugebiet Bairrada weit verbreitet ist die rote Sorte Baga. Sie bringt kleine, dunkle Beeren mit einem hohen Tanningehalt hervor. Sortenrein ausgebaut, entstehen hier aus der Baga herausragende Rotweine. Weiter südlich steht die rote Sorte Periquita im Anbau, die auch als Casteläo Francös bezeichnet wird.
Unter den weißen Rebsorten dominieren im Norden der Loureiro und der dickschalige
Alvarinho, aus denen die besten weißen Vinhos Verdes gekeltert werden. Weiter südlich ist vor allem die Maria Gomes weit verbreitet, die in Däo und Bairrada die Grundlage für die Weiß- und Schaumweinbereitung bildet. lm Ribatejo und in Südportugal ist sie als Fernäo Pires bekannt. Zudem steht für die Erzeugung trockener Weißweine in Mittelportugal der Arinto im Anbau.
Weinbegriffe in Portugal
Die Weingesetzgebung hat in Portugal eine lange Geschichte, bereits 1756 wurde das Portwein-Gebiet gesetzlich festgelegt. Über die Qualität und Echtheit der Weine wachen heute die regionalen Weinbaukommissionen (Comissäo Vitivinicola). Bis 1986 hieß die geographische Herkunftsbezeichnung der portugiesischen Weine Regiäo Demarcada. 1908 wurden die Gebiete Bucelas, Carcavelos, Colares, Däo, Madeira, Seübal und Vinho Verde zur Regiäo Demarcada erklärt, 1979 folgten Algarve, Bairrada und Douro. Nach dem EG-Beitritt wurde die Regiäo Demarcada in die Denominacäo de Origem Controlada (DOC) umgewandelt. Unterhalb dieser Spitze der Qualitätspyramide existiert die Indicaqäo de Proveniencia Regulamentada (lPR), die ungefähr mit der französischen Stufe der VDQS vergleichbar ist.
Zudem erzeugen die portugiesischen Winzer große Mengen Landwein, in den acht verschiedenen Vinhos Regionales,
die von Norden nach Süden heißen: Minho, Träs-os-Montes, Beiras, Estremadura, Ribatejano, Alentejano, Terras do Sado und Algarve. Die unterste Stufe bilden die Tafelweine, gekeltert aus Trauben, die aus verschiedenen Gebieten stammen und verschnitten werden. Auf Etiketten portugiesischer Weine finden sich meist auch Angaben darüber, wie der Wein ausgebaut wurde. Die besten Rotweine werden als Reserva, Grande Reserva und Garrafeira auf den Markt gebracht. Vor allem der Begriff Garrafeira hat einen Bedeutungswandel vollzogen.
Früher handelte es sich dabei meist um eine besonders wertvolle, lange gereifte Privatcuvee eines Handelshauses, oftmals ohne nähere geographische Herkunftsbezeichnung. Heute wird der Begriff auf Weine mit Herkunftsbezeichnung bezogen und meint eine Reserva eines besonders guten Jahrgangs, der wie diese mindestens zwei Jahre im Fass und ein weiteres Jahr auf der Flasche gereift ist und einen um 0,5 Prozent höheren natürlichen Alkoholgehalt aufweist.
Portugal
"Der Weinbau in Portugal ist von Gegensätzen geprägt. Während im Landesinneren noch schwere, tanninreiche Rotweine und der Portwein vorherrschen, kommen aus dem kühlen atlantischen Klima des Nordens leichte Weine wie der Vinho Verde."