Levante
Die mit Abstand größte Weinbergdichte Spaniens findet man südlich und südöstlich von Madrid in einem riesigen Block, der bis zum Mittelmeer reicht und dort von Valencia im Norden bis Alicante im Süden verläuft. Das zentrale Band mit einigen verstreuten Außenposten in der Extremadura weiter westlich hatte keine großen Namen, keine herrschaftlichen Güter und keine Enklaven herausragender Weinkultur zu bieten. Seine Weine waren mehr oder weniger schlicht und alkoholstark, aber immerhin mit reichlich Körper ausgestattet.
In den letzten 15 Jahren hat sich jedoch einiges getan. Mit Spaniens Beitritt zur EU wurden die traditionellen Genossenschaftskellereien mit der Realität des modernen Markts konfrontiert und waren gezwungen, in moderne Technologie zu investieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. In Zentralspanien herrscht ein extremes, aber voraussehbares Klima. Deshalb können Önologen die Weine durch Anpassung des Lesezeitpunkts und durch Gärregulierung "entwerfen". Obwohl die großen Kooperativen nach wie vor einen beträchtlichen Teil des Weins produzieren, treten immer mehr kleinere Bodegas auf den Plan. Auf Versuchspflanzungen werden französische Rebsorten getestet, während man einheimischen Sorten bis dato ungeahnte Nuancen entlockt. Zentralspanien muss noch einen weiten Weg gehen, ist aber kein seichtes Meer der Mittelmäßigkeit mehr. Besonders vielversprechend erscheint die DO Ribera del Guadiana mit 26000 Hektar Rebfläche, insbesondere ihre Subzone Tierra de Barros. Früher dominierten hier Weißweintrauben, doch eignen sich Böden und Klima wesentlich besser für Rotweinsorten, obwohl man aufpassen muss, dass die Beeren nicht zu reif werden.
Die Provinz Toledo südwestlich von Madrid enthält die DO Méntrida. Ihre 9000 Hektar Weinberge sind in erster Linie
mit Garnacha bestockt, die kräftige Rote liefert. Bis in die 1980 er hinein war der Mindestalkoholgehalt auf 14 Prozent festgesetzt, doch manche Winzer schraubten ihn bis auf 18 Prozent hoch. Heute sind die Weine etwas ausbalancierter, es besteht aber noch immer Spielraum für Verbesserungen.
Das bei Weitem größte Anbaugebiet Spaniens ist La Mancha, die unwirtliche Hochebene des Don Quixote. 187000 Hektar stehen hier unter Reben. Meist handelt es sich um die recht geschmacksneutrale Airén, doch neuere Pflanzungen werden eher mit der vielversprechenderen Verdejo bestockt. Qualitätsenklave in der Mancha ist die DO Valdepeñas 160Kilometer südlich von Madrid. Früher vergor man den Rebensaft in hohen tinajas aus Ton, die man sich ganz offensichtlich von römischen oder noch älteren Gefäßen abgeschaut hatte. Mit modernen Methoden aber lässt sich aufzeigen, wie viel besser der Wein ausfallen kann. Erzeuger wie Los Llanos oder Felix Solin arbeiten nun mit Kaltvergärung und Eichenausbau. Dabei entstehen zwar ansprechende Weine, allerdings fehlt ihnen die Größe der besten Gewächse aus Rioja oder Ribera del Duero.
Die traurige Geschichte setzt sich mit der DO Manchuela östlich von La Mancha fort. Ihre 4000 Hektar werfen Rot- und Weißweine ab. Die kleinere DO Almansa um Albacete bildet den Abschluss der Anbaugebiete auf der kastilischen Ebene. Ihre 7600 Hektar sind mit dunkelschaligen Trauben, insbesondere Garnacha und Monastrell, bestockt.
Die Levante umfasst sechs DOs, die gegenwärtig von sehr bescheidenem Interesse sind, wenngleich sich mit der
Einführung moderner Methoden ein erkleckliches Potenzial offenbart. Im Norden an der Küste liegt Valencia, wo viel alkoholstarker Weiß- und wenig Rotwein entsteht, obwohl eine Handvoll Güter zeigt, was mit guten Trauben auf rotem Terrain möglich ist. Landeinwärts hinter Valencia stößt man auf Utiel-Requena, ein hügeliges Gebiet, dessen dunkle Trauben - allen voran die Bobal mit Weinen schwarz wie die Nacht - früher eingesetzt wurden, um anderen Gewächsen mehr Farbe zu geben. Dazu vergor man jeden Posten mit der doppelten Menge Schalen, um ihnen möglichst viel Farbstoffe und Tannin zu entziehen; die dabei entstandene Suppe nannte man vino de doble pasta.
Das Nebenprodukt, der kaum mit der Schale in Kontakt gekommene und daher sehr helle Ablaufmost, ergab eine weitere Spezialität, einen rassigen, hellen Rosado, der eher dem modernen Geschmack entspricht. Nun machen einige Winzer aber deutlich, dass Bobal bei korrekter Behandlung durchaus interessante Weine liefert. Die DO Alicante umfasst Küstenweinberge für süßen Moscatel und Hügelflächen für Rote, vino de doble pasta und Rosados gleichermaßen. Lokal begrenzt wird etwas Weißwein (relativ teuer) produziert. Hinter Alicante in der Provinz Murcia sind gleich drei Denominationen versammelt: Bullas mit viel Rosé, außerdem Yecla und Jumilla, wo die jeweiligen Genossenschaftskellereien versuchen, ihrem tintigen Material moderne Manieren beizubringen. Bislang scheint Jumilla noch die mit geringem Abstand beste Zone des Trios zu sein, denn ihre Weine überraschen mit unerwartetem Alterungspotenzial.
Die verblüffenden Erfolge des Marqués de Griñón in Castilla-La Mancha brachten die DO- Behörden derart aus dem Konzept, dass sie das Problem lösten, indem sie ihm 2002 eine eigene Denomination gaben (siehe Dominio de Valdepuesa).
Valencia
Die "Perle der Levante" ist die drittgrößte Stadt und das wichtigste Weinhandelszentrum Spaniens. Hier haben einige große Im- und Exportfirmen ihren Sitz, die den Wein fassweise in alle Welt schicken. Zudem werden hier viele Fassweine aus der ganzen Welt auf Flaschen gefüllt und dann in die Absatzmärkte nach Nordeuropa geliefert. Das 16.000 Hektar umfassende Weinbaugebiet Valencia kann jedoch viel mehr. Es ist zweigeteilt in ein Gebiet im Hinterland von Valencia und eines, das sich südlich des Rio Jücar befindet. In den heißeren, näher am Mittelmeer gelegenen Gegenden werden körperreiche und würzige Rotweine und starke Weißweine mit wenig Säure erzeugt. Am besten sind die Gewächse aus den kühleren Regionen im Hinterland. Sie liegen etwas vom Meer abgewandt in den Bergen und bringen fruchtigere Weißweine und moderatere Rotweine hervor. Wichtige Produzenten sind u.a. Vicente Gandia Pla, Bodegas Schenk, Cherubino Valsangiacomo und die Bodegas Vinival.
Utiel-Requena
Westlich des Anbaugebietes Valencia erstreckt sich um die beiden Ortschaften Utiel und Requena die DO Utiel-Requena. Fast 40.000 Hektar stehen unter Reben, ein großer Teil davon dient allerdings der Produktion von Tafeltrauben und Traubensaft. Auf den für die Weinproduktion genutzten Rebflächen reifen die Trauben der lokalen Sorte Bobal, die säurereichere und weniger alkoholstarke Weine erbringt als der Monastrell. Zudem stehen große Flächen an Cencibel im Anbau, wie man den Tempranillo in Zentralspanien nennt. Aus ihm werden zunehmend leichtere, elegante Rotweine erzeugt die moderat in Körper und Alkohol sind und mit ihrer fassgereiften, kernigen und straffen Art bereits gute Exporterfolge erzielen konnten. Zu den bekanntesten Produzenten gehören u.a. die Cooperativa Agricola de Utiel und Casa de Calderon.
Alicante
Südlich von Valencia liegt rund um die Stadt Alicante das gleichnamige Weinbaugebiet. Aus der 14.000 Hektar Rebfläche umfassen den Region kommen jedes Jahr über 300.000 Hektoliter Wein, die man je nach genauerer Herkunft in zwei grundsätzlich verschiedene Typen einteilen kann. In der heißen Küstenregion werden aus der rund um das Mittelmeer verbreiteten Moscatel-Traube fast ausschließlich süße, aufgespritete Weißweine von tiefgoldener Farbe erzeugt. Im dahinter gelegenen Bergland hingegen entstehen wuchtige, alkoholreiche Rotweine. Die besten dieser Gewächse sind als Gran Reserva jedoch äußerst langlebig und können sich selbst nach 30 Jahren Lagerung und mehr noch äußerst lebendig präsentieren. Oftmals benötigen sie sehr viel Luftkontakt, um ihre Tiefgründigkeit und ihre Kraft zu entfalten. Dann gehören sie sicherlich zu den besten Rotweinen Mittelspaniens. Zu den besten Erzeugern zählen u.a. die Bodegas Eval, Garcia Poveda, Bodegas Gutierrez de la Vega und Salvador Poveda.
Yecla
Die Weinberge von Yecla befinden sich weit westlich von Alicante in den Bergen von Murcia an der Grenze zur kastilischen Hochebene. Die Abgeschiedenheit dieser Gegend hatte in der Vergangenheit zur Folge, dass die gefährliche Reblaus hier bisher kaum aufgetreten ist und folglich nur geringe Schäden verursachen konnte. So sind in Yecla noch 40 Prozent der ander Levante verbreiteten Monastrell-Reben ungepfropft, stehen also nicht auf gegen die Reblaus resistenten amerikanischen Wurzelstöcken. Sie liefern einen sehr dunklen Rotwein, der überwiegend zu Verschnittzwecken benutzt wird. Die in vielen ähnlichen Anbaugebieten bereits fast abgeschlossene Modernisierung der Kellerwirtschaft hat in Yecla gerade erst begonnen. Bekannte Erzeuger sind u.a. die Cooperativa Agricola La Purfsima und die Bodegas Castano.
Jumilla
Jumilla ist mit 45.000 Hektar Rebfläche eines der größeren spanischen Weinbaugebiete. Es liegt südöstlich von Yecla im bergigen Hinterland von Alicante. Die Rotweine, die hier heranwachsen, stammen fast ausschließlich von ungepfropften Monastrell-Reben, denn bis in diese trockene Landschaft ist die Reblaus nie vorgedrungen. In den langen, heißen Sommern reifen die Trauben auch hier so weit aus, dass traditionell mächtige Rotweine entstehen. lm Gegensatz zu Yecla sind in Jumilla die Bemühungen um die Erzeugung leichterer, zeitgemäßer Weine viel weiter fortgeschritten. Vor allem durch moderne Kellertechnik und die Beimischung weißer Trauben zu den mächtigen Rotweinen sind hier bereits viele Weine entstanden, die auch erfolgreich in die nördlichen Länder Europas exportiert werden konnten. Dabei haben sich u.a. vor allem die Vinedos Agapito Rico, Bodegas Bleda, Asensio Carcelen, Bodegas J. Garcia Carriön, Bodegas Vitivino, Cooperativa San Isidro und die Bodegas Senorio del Condestable einen guten Namen erworben.