Geschichte

Wein ist eines der natürlichsten unter den altbekannten Nahrungsmitteln und gehört seit 5000 v. Chr. zu unserer Zivilisation. Seit dieser Zeit ist die Technik der Weinproduktion unverändert geblieben: Hefe verwandelt den Zucker der Trauben in Alkohol. Am Ende des Gärungsprozesses muß man lediglich die Schale der Trauben entfernen und dem Wein Zeit zum Klären lassen, bevor er getrunken oder auf Flaschen gezogen werden kann. Um dieses Ergebnis zu erzielen, braucht es keine Zutaten und keine besondere Ausrüstung, obwohl es wünschenswert wäre. Wenn der Wein vor Luft (genauer Sauerstoff) geschützt ist und innerhalb weniger Monate getrunken wird, sind auch keine Konservierungsmittel oder andere Zusätze nötig. Anders gesagt: Wein, der so hergestellt und verbraucht wird, ist ein reines Naturprodukt, und so haben es unsere Vorfahren vor 7500 ]ahren auch genossen. Neuere archäologische Forschungen haben Weinbau im Zagrosgebirge im westlichen Iran an der Grenze zum Irak nachgewiesen, 500 Jahre früher, als man bislang angenommen hatte.
Von dort und aus dem nahen Georgien ging die Weinkultur westwärts und erreichte Ägypten
und Phönizien um 3000 v. Chr., kam dann um 2000 v. Chr. nach Griechenland und findet sich um 1000 v. Chr. in Italien und Nordafrika. Es waren die Griechen, die den Wein nach Frankreich brachten und 600 v. Chr. Weingärten bei Marseille anlegten, um 200 v. Chr. dann im Languedoc-Roussillon. Langfristig hatten die Römer den größeren Einfluß, sie brachten um 50 n. Chr. Wein in die Region um Bordeaux und ins Rhone-Tal, und, in Abständen von jeweils 100 Jahren, nach und nach ins Burgund, das Loire-Tal und in die Champagne. Seitdem hat der Wein sich über die ganze Welt ausgebreitet, die wichtigsten Anbaugebiete sind in Westeuropa, Nord- und Südamerika, Südafrika und Australien. Was die Menge betrifft, spielt Australien keine große Rolle, im Hinblick auf Qualität ist der Ruf jedoch beachtlich. Die ersten Reben wurden 1788 im Garten von Gouverneur Phillip am Farm Cove in Sydney gepflanzt, dort wo heute die Macquarie Straße mit dem Intercontinental Hotel steht. Wegen des feuchten Klimas und der Sommerregen zog man bald landeinwärts, mit Anpflanzungen in Parramatta, Castle Hill, Penrith und Camden, die schon florierten, als der erste Weinberg 1825 im Hunter Valley angelegt wurde.
Überraschenderweise war Tasmanien der zweite australische Teilstaat, der 1823 mit Weinbau anfing, und er kann für sich in Anspruch nehmen, die Weinproduktion in Victoria und South Australia begründet zu haben, da die Pioniere in diesen beiden Staaten ihre Rebstöcke aus Tasmanien bezogen. Doch Tasmanien fiel hinter Westaustralien zurück. Grund war 1829 die Ankunft des Botanikers Thomas Waters, mit Reben, die er noch im selben Jahr pflanzte. 1830 legte er den Grundstein für das, was heute Olive Farm ist: der älteste Betrieb in Australien, der seit 1834 gewerblichen Weinbau betreibt. Die Grafik oben zeigt den wechselhaften Erfolg der Staaten im 19. Jahrhundert. Um die Jahrhundertwende hatte Victoria die Nase vorn und bekam den Spitznamen "John Bull's Vineyard", weil der Großteil der Produktion nach Großbritannien exportiert wurde. Aus verschiedenen Gründen errang South Australia seine führende Stellung, die es auch heute noch einnimmt: Die Reblaus (Phylloxera, die in Minutenschnelle die Rebwurzeln zerstört), wütete vor allem in Victoria und kam nicht nach South Australia; das Wegfallen der Handelsschranken und Zölle zwischen den Staaten als Folge der Föderation, und der Trend weg vom Tafelwein zum Dessertwein.
Die nackten Zahlen erzählen nicht die ganze Geschichte. Im 19. Jahrhundert wurde überall in Victoria Wein angebaut,
vor allem auf den Spuren der Goldsucher nach 1851. Das Yarra Valley und Geelong waren wichtige Regionen für die Weinproduktion, mit einem konkurrenzlosen Ruf für Qualität. Doch nicht nur in Victoria, quer durch ganz Australien wurde Wein angebaut, in Gebieten, die siebzig und mehr Jahre in Vergessenheit gerieten. Als in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren Reben in "neuen" Gebieten angepflanzt wurden, zeigte ein nur flüchtiger Blick in die Geschichte, daß es eine beachtliche Weinbautradition gab. Nach einer Zeit der Konzentration auf die Herzlande im Barossa und Hunter Valley vergrößerte sich die geographische Weinkarte wieder auf die Dimensionen des 19. Jahrhunderts und sorgt so für eine große Vielfalt verschiedener Weine.
Eigenartigerweise haben die Australier eine Abneigung dagegen, zuzugeben wie gut ihr Wein im internationalen Vergleich ist - vielleicht weil man sich gerne kleiner macht als man es ist. Liest man dagegen die Bücher von namhaften britischen Weinexperten oder die führenden britischen, ja sogar die amerikanischen Weinzeitschriften entsteht eine andere Perspektive.
Chardonnays und Cabernet Sauvignons, um nur zwei Beispiele zu nennen, werden unter die besten der Welt eingereiht, gleich nach den besten Französischen Weinen. Ein Lackmustest besonderer Art erwartet den Überseereisenden, der dort Wein in Restaurants oder Geschäften kauft: Vor allem in Mitteleuropa wird dies ein ziemlicher Schock. Wein ist meist sehr teuer und nicht sehr gut oder nicht ganz so teuer und erschreckend schlecht. Ja, warum ist also australischer Wein so gut? Nun, man genießt eine Reihe von Vorzügen. Zuerst und ganz offensichtlich ist es die von Sonne und Wärme gesegnetes Klima. Im Gegensatz zu Europa liegt das Problem von Weinbauern nicht bei zu wenig, sondern bei zu viel Wärme. Chateau Hornsby in Alice Springs beweist, daß alles möglich ist, aber kaum mehr. Also hat sich der Weinbau im Südosten Australiens konzentriert, mit Vorposten in Westaustralien und Queensland. In dieser Region gedeiht der Wein prächtig, geeignetes Land ist in einem Ausmaß verfügbar, von dem man in Europa nur träumen kann.
Man erntet beständig große Mengen gesunder Trauben, die ein wirtschaftlich gutes und verläßliches Rohmaterial für
die Weinkellereien sind. Wenn man die Australier für eine Nation von Bauern hält, wird man sehr überrascht sein, daß Australien heute ein Vorreiter der weltweiten önologischen Forschung ist. Die Forschungsergebnisse wurden methodisch in der Praxis der gewerblichen Weinherstellung angewendet und haben zu einem hohen Grad technischer Perfektion in unseren Kellereien geführt, während die warmen Sommertemperaturen den Reifeprozeß gesunder Trauben fördern, verursacht die Hitze wirkliche Probleme bei der Weinerzeugung. Das hat Australien durch Kühlanlagen in griff bekommen, durch maschinelle Traubenlese bei Nacht und durch besondere Sorgfalt bei der Bearbeitung des Traubensaftes und des jungen Weins bis zu seiner Abfüllung in Flaschen. Schließlich, und das war das wichtigste, haben die internationalen Weinmärkte ihr Urteil gesprochen: Der Stil des australischen Weins liegt genau im Markttrend. Salopp gesagt:
Australische Weine sind konsumentenfreundlich. Sie sind weich, fruchtig und haben viel Geschmack; sie sind sauber (sowohl was den Geschmack als auch was Zusatzstoffe oder Umweltverschmutzung betrifft), und sie können auch jung gut getrunken werden. Was gerade richtig ist, denn 90 Prozent aller Weine werden innerhalb weniger Tage nach dem Kauf konsumiert. Wie ich später noch ausführen werde, produziert Australien jede Art von Wein, die es auf der weiten Welt gibt. Sind nach Spanien der zweitgrößte Sherry-Produzent und kommen bei Vintage- und Tawny-Port gleich nach Portugal (obwohl Südafrika da widersprechen könnte); sie produzieren einen lieblichen Riesling als Tafelwein, dessen Qualität die Deutschen nervös macht, und die trockenen weißen und roten Tafelweine folgen dem Vorbild der drei größten französischen Weinbauregionen - Bordeaux (wo Cabernet Sauvignon und Merlot-Trauben regieren), Burgund (Chardonnay- und Pinot Noir-Trauben), das Rhonetal (Shiraz- - oder wie man sie manchmal nennt -Hermitage-Traube).
Und als ob das nicht genug wäre, produzieren sie zunehmend hervorragende Schaumweine.
Schließlich haben sie noch die einzigartigen Dessertweine aus dem nordöstlichen Victoria, die sie Muscat und Tokajer nennen. Ich werde Ihnen die wichtigsten Traubenarten vorstellen, ebenso die wichtigsten Weinstile, und beschreiben, wie sie hergestellt werden. Ich werde mich bemühen, zu erklären, warum sie so schmecken, wie sie schmecken. Versuchen Sie, sich nicht einschüchtern oder verwirren zu lassen durch scheinbar endlose Listen von Weinnamen und Traubensorten. Fangen Sie mit einigen wenigen Weinen an, gewinnen Sie so Erfahrung und Vertrauen, auf denen Sie dann aufbauen können. Wein ist eine der größten Gottesgaben: Erfreuen Sie sich daran!