Wine Shows und Medaillen

Wine Shows und Medaillen

Man muß kein großer Weinkenner sein, doch ein wenig Interesse für Wein haben, um zu bemerken, wie wichtig das System der australischen Wine Show mit ihren Gold-, Silber- und Bronzemedaillen ist. Schwieriger ist es, dieses System, seine Arbeitsweise und die wahre Bedeutung der Medaillen richtig zu bewerten.

Der historische Zusammenhang

Das System dieser Wine Shows geht auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts und die Gründung der Agricultural Societies (jetzt Royal Agricultural Societies) in jeder Hauptstadt und vielen anderen Städten zurück. Mit der wichtigen Ausnahme von Gold war Landwirtschaft die Grundlage der australischen Wirtschaft, und landwirtschaftliche Ausstellungen waren von großer Bedeutung. Es war auch die Zeit der großen internationalen Ausstellungen, bei denen vorwiegend Handwerks- und Industrieerzeugnisse präsentiert wurden, aber auch Wein (als langlebige und transportfähige Ware) war ein wichtiger Teil dieser Ausstellungen. Seit dieser Zeit liegt die Kontrolle über die australischen Wine Shows bei den verschiedenen Agricultural Societies und weniger bei der Weinindustrie.

Ein einzigartiges System

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Nirgendwo sonst auf der Welt besteht ein so umfassendes System von so überragender Bedeutung. In jedem Staat gibt es eine Reihe von regionalen Shows, von denen die durchdachteren sich ganz oder vorwiegend auf die Weine aus ihrer Region oder zumindest ihrem Staat konzentrieren. In einer perfekten Welt wäre dies eine Stufe der Leiter, die zur Show in der Hauptstadt führt, Vorbedingung für die Aufnahme wäre eine Medaille in der regionalen Show. Aus verschiedenen komplizierten Gründen - einige einsichtig, andere nicht - gibt es diese Pyramide nicht, mit Ausnahme von Canberra National Wine Show. Dort wird von jedem Wein gefordert, eine Medaille entweder auf einer Show in einer Hauptstadt oder auf einer offiziellen regionalen Show gewonnen zu haben. Doch die Grundstruktur ist trotzdem vorhanden.

Der Zweck von Shows

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Viele Argumente der wenig kenntnisreichen Kritik am Show-System kommt von dem fehlenden Verständnis für die historischen Zusammenhänge (vor allem der Kontrolle der Agricultural Societies mit ihren eigenen Regeln und Zielen).

Was jedoch wichtiger ist: Planung und Ausführung werden im Interesse der Aussteller organisiert, als eine Art Fortbildung. Winzer können ihre Weine völlig anonym von einem Gremium erfahrener Preisrichter beurteilen und bei dieser Prüfung mit den Weinen ihrer Kollegen vergleichen lassen.

Sie bieten den Ausstellern auch die Gelegenheit, sowohl ihre Weine als auch die Siegerweine der verschiedenen Kategorien bei der auf jede Show folgenden Ausstellerweinprobe zu verkosten, nachdem die Ergebnisse bekannt gegeben worden sind.

So betrachtet, ist das Show-System nicht zum Nutzen der Verbraucher gedacht. Es ist ein teures Vergnügen, wenn man alle Kosten zusammenzählt, und die Finanzexperten der großen Firmen wollen etwas für ihr Geld zurückhaben. Hier kommt der Marketingfachmann ins Spiel, der in Show-Erfolgen auch Public-Relation-Erfolge sieht, damit die Finanzexperten glücklich macht, das System also in seinem Sinn nutzt und die Verbraucher glauben läßt, daß alles zu ihrem Wohl geschieht.

Unzulänglichkeiten des Systems

Die Probleme des Systems betreffen vor allem den Verbraucher: Wie soll er oder sie verstähen, in welcher Beziehung die Klasse 5 der Royal Sydney Show zu Klasse 20 in der Royal Melbourne Show steht? Was heißt überhaupt Klasse 5 oder Klasse 20? Welche anderen Weine waren in diesen Klassen? Wie viele Goldmedaillen wurden verliehen? Im Alltag wird der Verbraucher keine Antwort auf diese Fragen finden, und es fragt sich, ob sie überhaupt so wichtig sind. Ich glaube nicht und werde die Gründe dafür erläutern.

Nicht in Flaschen gefüllte Weine

Das wirkliche Problem mit diesem System ist die Praxis der Verleihung von Trophäen und Medaillen an Weine, die bei ihrer Bewertung in der Show noch nicht in Flaschen gefüllt sind. Canberra war die erste Stadt, die solchen Wein nicht zum Wettbewerb zuließ. Inzwischen folgten andere Shows - oder sie verleihen keine Medaillen, sondern geben nur Punkte. Allerdings wurde der berühmteste Rotweinpreis, Melbournes Jimmy Watson Trophy an einen ein Jahr alten Rotwein verliehen, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Flaschen gefüllt war. Dagegen ist einzuwenden, daß der sechs Monate später abgefüllte Wein - aus unterschiedlichen Gründen - ganz anders sein kann als der bei der Show vorgestellte Wein.

Wie werden Weine beurteilt?

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Alle Weine in der Show haben besondere Etiketten und Codes, die die Organisatoren entwickelt haben, so daß die Preisrichter, selbst wenn sie die Flaschen sehen (was nicht der Fall ist), nicht wissen können, werden Wein produziert hat. Jeder Preisrichter hat einen Tisch mit nummerierten Quadraten, auf die der Kellner die Gläser stellt, und diese Nummern (im allgemeinen 1-100) wiederholen sich auf dem Bewertungsformular. Die einzige andere Klassifikation ist die Klassennummer. Angenommen, es ist die Klasse 5, in der 44 Weine vertreten sind, so trägt jeder Wein von 5/7, 5/2 bis 5/43, 5/44 die entsprechende Nummer. Diese Nummer wird schließlich im Katalog der Ergebnisse erscheinen, zusammen mit dem Markennamen, den verliehenen Punkten und, gegebenenfalls, einer Medaille.

Jeder Preisrichter sitzt in einer Koje, und die jeweilige Klasse wird von einem Gremium von drei Preisrichterm kommentarlos beurteilt. Bei den großen Shows gibt es drei Gremien mit je drei Preisrichtern, geleitet von einem zehnten Preisrichter, dem Chairman. Jedes Gremium wird von einem Senior angeführt; wenn die Probe beendet ist, wird jeder Preisrichter seine Punkte für jeden Wein einzeln ausrufen. Bevor nicht alle Punkte ausgerufen und aufgezeichnet sind, gibt es keine Diskussion. Meist werden die Punkte ähnlich sein, und man nimmt den Durchschnitt. Gibt es jedoch eine größere Diskrepanz, oder haben zwei Preisrichter auf eine Goldmedaille erkannt, nicht jedoch der dritte, wird der Wein diskutiert und oft noch einmal verkostet. Kommen die drei Preisrichter zu keiner Übereinstimmung, wird der Chairman gerufen; er ist die letzte Instanz. Bis zum Schluß erfahren die Preisrichter nicht die Identität des Herstellers, was völlige Unparteilichkeit sichert.

Was bedeuten Gold-, Silber- und Bronzemedaillen?

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20 Punkte können für jeden Wein vergeben werden, maximal 3 für Farbe und Zustand, 7 für das Bukett und 10 für den Geschmack. Erfahrene Preisrichter kommen direkt zu ihrer Punktzahl innerhalb dieser 20, assoziierte Preisrichter (die noch lernen) notieren die Zahlen in jeder Rubrik und kommen so zu ihrer Gesamtzahl. Auch halbe Punkte können vergeben werden.

Mit folgenden Zahlen erreicht man Medaillenränge:

  • 15,5 - 16,5 inkl.: Bronze
  • 17,0 - 18,0 inkl.: Silber
  • 18,5 - 20,0 inkl.: Gold

Im Durchschnitt gewinnen 3 Prozent aller bei einer bestimmten Show gemeldeten Weine eine Goldmedaille, 7 Prozent eine Silber- und 23 eine Bronzemedaille; die allgemeine Erfolgsquote liegt bei 30 Prozent und steigt nur selten, wenn überhaupt bis 40 Prozent.

Keine absolute Uniformität

Der Unterschied zwischen einer Bronze- und einer Silbermedaille ist nicht groß, ebensowenig zwischen einer Silber- und einer Goldmedaille. Wer eine gewisse Gleichschaltung bei den Shows erwartet, wird enttäuscht: Das übliche Ergebnis für einen sehr guten Wein wird bei einer Gold-, zwei Silber- und vier Bronzemedaillen liegen; für einen guten Wein gibt es einen Bronzeregen, vermischt mit gelegentlichem Silber.Bei den meisten Shows werden nur die allerbesten Weine Goldmedaillen gewinnen. Wenn Sie einen Wein mit fünf oder mehr Goldmedaillen sehen, können Sie sicher sein, daß er exzeptionell ist (vorausgesetzt er hat die Medaillen gewonnen, nachdem er in Flaschen gefüllt war.)

Die Gründe für die unterschiedlichen Bewertungen liegen einmal in der Interpretation des Weinstils, dann in einer ähnlich guten Qualität der anderen Weine dieser Klasse, und in der Subjektivität der Urteile. Deswegen ist es das allgemeine Ergebnis, das zählt und deswegen sagte ich schon, daß es relativ unwichtig ist, was die einzelnen Klassennummern bedeuten.

Es gibt noch viele andere Aspekte - züm Beispiel, ob Preisrichter Winzer und Weinstile beeinflussen, oder welches die besten Shows sind -, die hier nicht diskutiert werden können. Sie sollten jedoch Vertrauen in die Integrität des Show-Systems haben und wissen, daß ein Wein mit Medaillensegen tatsächlich ein guter Wein ist.