Weinbau und Kellertechnik

Weinbau und Kellertechnik

Weinbergsarbeit

Amerikas Weinindustrie zeichnet sich durch die Kombination traditioneller europäischer Vinifizierungsmethoden, mit neugewonnenen Erkenntnissen und Innovationen sowie dem gezielten Einsatz hochmoderner technischer Geräte und Verfahren einerseits, und der Rückkehr zu ursprünglichen, handwerklichen Produktionsmethoden andererseits, aus. Mittlerweile heißt das Hauptkriterium "Qualität" und hochtechnisierte Weinherstellung am Computer tritt mehr und mehr in den Hintergrund. "Handcrafted wines" und "Terroir" lauten die Zauberwörter der Zukunft. So kommt inzwischen weniger den einzelnen Sorten und Klonen an sich, als vielmehr dem Terroir (Boden, Mikroklima, Exposition) und seinen spezifischen Anforderungen die Hauptbedeutung zu. Oregon ist besonders experimentierfreudig und setzt für Chardonnay und Pinot Noir zunehmend Dijon-Klone ein. Die von UC Davis empfohlenen, auf phylloxeraresistente Wurzelstöcke gepfropften Rebstöcke eignen sich vor allem für wärmere Klimate. Doch auch dort werden mehr und mehr die Vorteile der Dijonstöcke erkannt. Maßgeblich sind in den USA eine Reihe von Weinuniversitäten. Fresno State, Oregon State und natürlich die berühmte University of California at Davis (UC Davis).

Doch bei weitem nicht jeder Winemaker hat ein komplettes Onologie- oder Vitikultur-Studium absolviert, viele

einflußreiche Kellermeister haben sich ihr Wissen in jahrelanger Praxis erworben. Ein "Master of Wine" - ein von der Wine Society in London vergebener Titel - ist ebenso hoch angesehen, wie selten: Derzeit gibt es weltweit 175, 16 davon in den USA (acht in CA, zwei in WA). Obwohl es in den USA keine gesetzlich geregelte Ertragsbegrenzung gibt (12 tons/acre sind im Central Valley keine Seltenheit), versuchen gute Weingüter den Ertrag durch Erziehungssysteme (trellasing), dichte Bestockung, Wahl bestimmter Klone, Wlnter- und Sommerschnitt (Ausschneiden grüner Trauben und Entlauben) oder spezifische Bodenwahl gering zu halten - 3 tons/acre und weniger sind das Ziel. Werden die Reben Streß ausgesetzt, ist garantiert, daß die vorhandene Energie in weniger Fruchtstände fließt und dort hochkonzentrierte Früchte erzeugt. Bei Neuanpflanzungen ist ein enges Setzen der Rebstöcke (spacing) nach europäischer Manier (1x1 m) verbreitet. Es sorgt für Konkurrenz unter den Pflanzen und damit für gehaltvollere Trauben. Bei der üblichen Bepflanzung mit 2300-2500 Reben pro ha und Abständen von 1,50 m zwischen den Rebstöcken und 1,90 m breiten Wegen, werden vielfach im Sommer Fruchtstände herausgeschnitten.

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In Kalifornien wird zur Reberziehung überwiegend Vertical Trellasing (Cordon-System) praktiziert, das vertikale Aufbinden an einem Drahtsystem (quadrilateral - mit vier Seitentrieben- oder bilateral - mit zwei). Bei Zinfandel taucht vor allem das alte Gobelet-System (head trellasing) auf. In Oregon entwickelt wurde das Scott-Henry-System, bei dem die Triebe abwechselnd in verschiedenen Höhen gezogen werden, so daß zwei Traubenreihen entstehen; benannt wurde es nach dem Ingenieur und Begründer der Henry Estate Winery (1978). Um die Rebstöcke im Frühjahr vor Frost zu schützen sind in Kalifornien riesige Ventilatoren im Einsatz, die für eine Umschichtung der Luftschichten sorgen. Obwohl große Firmen und Grower ihre Bepflanzung dem Einsatz von Maschinen unterordnen, kehren viele Vitikulteure zu althergebrachten, europäischen Methoden und Handarbeit zurück. In den Weingärten übernehmen mexikanische Arbeitskräfte die Hauptarbeit und zu der in qualitätsorientierten Betrieben üblichen Traubenlese in Handarbeit sind sie unschätzbar.

Ohne ihre Hilfe wäre der qualitative Aufstieg des Weins in Kalifornien, Oregon und Washington unmöglich gewesen.

Gerade in kleineren Weingütern gehören die festen Mitarbeiter und die Jahr für Jahr zur Ernte anrückenden Mexikaner bereits zur "Winery Family" und werden entsprechend behandelt und bezahlt. Auf einem anderen Blatt stehen die Arbeitsbedingungen in den Massenbetrieben. In Kalifornien und Washington ist mit wenigen Ausnahmen Bewässerung (irrigation), meist in Form von Tröpfchenbewässerung, nötig. Trockenanbau (dry-farming) kann lediglich in günstigen Hanglagen, bei hohem Grundwasserstand und bei alten robusten Rebstöcken (z.B. Zinfandel) erfolgen. In Oregon ist künstliche Bewässerung seltener, während im Osten Washingtons, wo traditionell Obst und Nußfarmen Vorrechte haben, Wasserrechte ein vieldiskutiertes Thema sind und die Bewässerung oft ein Problem darstellt.

Die erste Reblausplage (Phylloxera) drohte schon im 19 Jh, dem amerikanischen Weinbau den Garaus zu machen, und in den 90ern sorgte eine neuerliche Epidemie fur ein Umdenken. Von vielen wird heute die Rückkehr der Reblaus als Segen betrachtet, bewirkte sie doch die fortan stärkere Berücksichtigung des Terroirs und die Pflanzung der geeigneten Rebsorten. Es wurde natürlich verstärkt nach phylloxera-resistenten Rebsorten gesucht und seither ist das Aufpfropfen von Schößlingen von Sortenreben auf robuste Rebstöcke in gefährdeten Gebieten üblich geworden. Bei Sortenwechseln kann auf diese Weise die Unterlagsrebe relativ unkompliziert neu veredelt werden, was eine schnellere Rekultivierung ermöglicht. Die Angst vor einer neuerlichen Ausbreitung der amerikanischen Reblaus ist an der Westküste omnipräsent, zumal inzwischen erkannt wurde, daß neue Typen auch den angeblich resistenten Sorten gefährlich werden könnten. Die für Kalifornien optimal geeigneten rootstock clones haben sich für Oregons Klima dagegen als eher ungeeignet erwiesen. Die geringste Phylloxera-Gefahr besteht in Washington, wo zwar seit 15 Jahren dle Krankheit bei Tafeltrauben bekannt ist, sich aber nie ausgebreitet hat. Die sandigen, gut durchlüfteten Böden und die besonders kalten Winter könnten dafür verantwortlich sein. Statt der in Kalifornien verbreiteten aufgepfropften Rebstöcke werden hier überwiegend Sorten mit eigenen Wurzeln verwendet.

Botrytis Cinerea taucht in zwei unterschiedlichen Gestalten auf:

Zum einen als unerwünschter Grauschimmel, bewirkt durch zu große Feuchtigkeit, vor allem im Frühjahr, zum anderen als die erwünschte Edelfäule im Herbst. Jüngstes Sorgenkind in manchen Regionen ist die schon in den 1880ern für das Ende des Weinbaus in Los Angeles mitverantwortliche Pierce's Disease. Dahinter verbirgt sich eine Insektenart namens green-hended sharpshooter, die bevorzugt in Wald- oder Bachnahem Gestrüpp lebt und nachts gerne angrenzende Weingärten heimsucht, um die Pflanzen mit einem Bakterium zu infizieren.

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Anders als hierzulande wird für die Menge des im Traubensaft gelösten Zuckers (Mostgewicht) die Maßeinheit Brix (1 Grad=1g Zucker/100ml) verwendet. Der Wert kann in Kalifornien bis zu 28 Brix betragen - eine Erklärung für den oft sehr hohen Alkoholgehalt dieser Weine; im Durchschnitt liegt der Wert bei 22 - 25, der Alkoholgehalt zwischen 12,5 und 13,5%. Amerikanische Winzer verlassen sich jedoch eher auf phänomenologische als auf rein statistische Kriterien, weswegen die Brix auch nur ein Faktor für die Wahl des Erntezeitpunkts sind; Optik und Geschmack der Trauben sind ausschlaggebend.

Kellertechnik

Nach der Anlieferung der Trauben wird in vielen qualitätsorientierten Kleinweingütern zunächst per Hand auf einem Band ausgelesen. Bei weißen Sorten ist Ganztraubenpressung (whole cluster pressing), unentbeert mit Stielen, üblich. Bei manchen Roten (v.a. bei Zinfandel, Pinot Noir und bei Top-Cabs) wird Ganztraubenvergärung (whole cluster fermentation), d.h. die Verwendung ganzer Trauben mit Stielen, zumindest zu einem bestimmten Teil, praktiziert - immer abhängig vom terroir- und sortenspezifischen Tanningehalt. Generell wird aber in den meist kombinierten Entbeer-Mahl-Maschinen (destemmer-crusher) vorsichtig entrappt, aber kaum gequetscht, um die Schalen eines möglichst hohen Beerenanteils unbeschädigt zu lassen.

Nach der Pressung weißer Trauben bewirkt eine Kühlung des Safts auf 4°C zunächst eine natürliche Klärung und

nach Hefezugabe folgt eine erste Fermentierung (meist temperaturreguliert bei 14 - 15°C) in geschlossenen Edelstahltanks, wobei die Standzeiten auf der Hefe unterschiedlich ausfallen können (bis zu vier Wochen bei Chardonnays). Chardonnays werden gerne gleich nach Einsetzen der Gärung in Barriques weitervergoren (s.u.). Um die alkoholische Gärung in Gang zu setzen, wird zumeist mit verschiedenen Reinzucht (trocken)hefen (cultured yeasts) geimpft, so kommt z.B. Prise de Mousse bevorzugt bei Chardonnay zum Einsatz, während Champagnerhefen gerne bei Cabernets eingesetzt werden (ca. 18g/hl). Von kleineren Weingütern und besonders bei Zinfandel wird gelegenllich das Risiko in Kauf genommen, die vorhandenen wilden oder natürlichen Hefen (native oder wild yeasts) die Arbeit übernehmen zu lassen.

Rote Trauben durchlaufen dagegen meist in offenen Gärbehältern unterschiedlicher Größe und Form (open top tanks oder open bins) die erste Gärung bei 22-28°C, was zwischen fünf Tagen und mehreren Wochen dauern kann. Es bildet sich dabei ein sog. Tresterhut (cap), der in regelmäßigen Abständen aufgebrochen werden muß. Ziel ist ein möglichst schonender Umgang mit dem Produkt und das Extrahieren eines Höchstmaßes an Farb- und Aromastoffen ohne zu aufdringlichen Tanningehalt. Dies erfolgt in Kleinbetrieben meist durch manuelles (oder maschinelles) Herunterdrücken (punching down) der festen Bestandteile, ein- bis zweimal täglich, oder aber sonst durch Überbrausen mit umgepumptem Most. Ist die alkoholische Gärung abgeschlossen, wird der Most abgepumpt und die Maische abgepreßt, wobei - vor allem bei Cabemet Sauvignon - zwischen Hauptwein oder Vorlaufmost (free run) und Preßwein (press juice) unterschieden wird.

Sanftes Pressen mit hochentwickelten deutschen oder italienischen Membranpressen, z.B. Bucher, Eurostar oder

Willmes, garantieren eine hohe Qualität und deshalb werden Free run und press juice oft gar nicht getrennt ausgebaut, sondern gemeinsam zum Absetzen der Trubstoffe in Edelstahltanks gebracht und von dort zum Reifen und Lagern in Fässer gepumpt. Filtration ist zu diesem Zeitpunkt unüblich. Der biologische Säureabbau (malolactic fermentation) findet normalerweise im Faß statt. Um diesen Prozeß einzuleiten, wird der Most in der Regel mit Milchsäurebakterien zum Abbau der Apfelsäure geimpft. Seltener werden die natürlichen Bakterien durch Temperaturerhöhung aktiviert, so daß es gleich nach der alkoholischen Gärung zu einer meist spontanen Milchsäuregärung im Faß kommt. Ein kompletter, zumindest aber teilweise, biologischer Säureabbau ist beim Großteil der kalifornischen Chardonnays erwünscht, um Körper, butterige Fülle und Cremigkeit zu erreichen. Die "Malo" dauert 40 - 45 Tage und der Wein bleibt für einige Monate auf der Hefe im Faß, ehe er dann nach Abzug der Rückstände und evtl. nötiger Schönung zum Reifen und Altern in andere Fässer umgepumpt wird.

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Wie die meisten Roten ist auch der Chardonnay erst nach rund 18 Monaten im Faß flaschenreif. Chaptalisation (Zuckerzusatz) und Aufsäuerung wird in Kalifornien kaum praktiziert, in Oregon wird manchmal Rohrzucker in kleinen Mengen zugefügt. Gelegentlich kommen bei sehr hohem Zuckergehalt der Trauben Methoden zum Senken des Alkoholgehalts auf unter 14% zum Einsatz. Schwefel (potassium metabisulfite) wird eingesetzt, um Oxydation und Verderben zu verhindern, Frische zu erhalten und Bräunung zu verhindern. Die legale Obergrenze in Kalifornien beträgt zwar 350 ppm, meist aber kommen höchstens 150 ppm zum Einsatz. Einige Weingüter sind auf sulfatfreie Weine speziaiisiert (z.B. Ojai oder Amity). Soweit möglich, wird auf Klärung und Schönen verzichtet, ggf. wird bei Qualitätsweinen mit Eiweiß (eines pro Faß) geschönt. Mechanische komplette Klärung nach abgeschlossener alkoholischer Gärung ist unüblich, die Lagerung im Holzfaß sorgt fur eine natürliche Stabilisierung. Vor der Flaschenabfüllung wird bei Bedarf filtriert. Meist sorgt das besonders in den ersten Monaten häufiger erfolgende Umziehen (racking) dafür, daß sich Rückstände am Faßboden absetzen und automatisch zurückbleiben.

Die Häufigkeit des Umziehens ist ebenso variabel wie die Dauer des Faßausbaus, je

nach Sorte 18 - 24 Monate. Besonders bei Chardonnay und Cabernet Sauvignon spielt der Einsatz von neuem Holz (üblicherweise Steineiche/Quercus sessilis, Sommereiche/Q. pedunolator oder amerikanische Weißeiche/Q. alba) eine große Rolle. Der Ausbau erfolgt heute üblicherweise in Barriques (225 l), wobei der Anteil neuer Fässer, ihre Herkunft, ihr Toast je nach Philosophie des Kellermeister und Finanzen des Betriebes - ein französisches Faß kostet mit rund $ 600 beinahe das Doppelte wie ein amerikanisches - schwanken kann. Obwohl amerikanische Eichenfässer im Vormarsch sind - Seguin Moreau Napa Cooperage, Inc. stellt z.B. nach französischer Methode in Kalifornien Fässer u.a. aus Oregon-Eiche her - verlassen sich die meisten Winzer, besonders in Kalifornien, doch immer noch auf französische Fässer von Firmen wie Seguin Moreau, Radoux, Transaud Cooperage, Francois Freres oder Nadalie, mit medium oder medium plus Toast. Übrigens: Da Korkprobleme in letzter Zeit zugenommen haben, erobern Synthetische Korken, z.B. von Supreme Corq (WA), Supply USA oder Neocork Technologies Napa, allmählich einen größeren Marktanteil.

Vorausgehend konnten nur die Grundstruktur und die wichtigsten Besonderheiten der amerikanischen Weinherstellung dargestellt werden. Das Besondere an der Westküste ist jedoch, daß es keine Dogmen, keine festgeschriebenen Vorgehensweisen gibt weder im Weinberg noch im Keller. Erziehungs- und Schnittmethoden, Erntemengen, Klone und Alter der Weinstöcke werden nach Gusto gehandhabt und jeder Kellermeister greift auf seine ganz speziellen Methoden und Erfahrungen zurück, was Traubenverwendung (mit Stielen, ganzbeerig oder teils gequetscht), Gärtemperatur, Hefen, Art der Vergärung (z.B. punching down oder pumping over), Umziehen, Schönen und Filtern, Art und Alter der Fässer, Ausbau und Assemblieren angeht. Daraus wird kein Geheimnis gemacht, man diskutiert gerne die Vor- und Nachteile seiner ganz spezifischen Art und Weise, möglichst hervorragende Weine zu produzieren. Denn das ist das gemeinsame Ziel und nur in einem derart liberal-innovativen Umfeld können Jahr für Jahr tatsächlich derart viele Topweine entstehen.