Der Weinberg

Der Weinberg

Wie im vorengangenen Kapitel beschrieben, hängt ein großer Teil des Erfolgs des Weinbaus von Faktoren ab, die der Mensch nicht beeinflussen kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Winzer im Weinberg nichts zu tun hätte. Der Erfolg jedes Weinguts hängt in großem Maße von der Arbeit im Weinberg ab. So muss der Winzer dort, wo die Topografie es zulässt, die Bedingungen für den Einsatz spezieller Maschinen schaffen, ohne die der moderne Weinbau vielerorts undenkbar wäre.

Wo die Mechanisierung durch die Gegebenheiten des Geländes eingeschränkt wird, muss der Winzer allerdings wie vor

hundert Jahren sämtliche Arbeiten von Hand ausführen.

Pflanzdichte und Rebenerziehung

Die Weinberge der Welt sind soviel gestaltig wie die Weine, die aus ihnen hervorgehen. Beinahe jedes Weinbaugebiet hat seine eigenen Traditionen der Rebpflege und der Gestaltung seiner Weinberge. Markante Beispiele sind die steilen, schmalen Rebterrassen im Dourotal in Portugal, die endlosen Flächen mit frei stehenden niedrigen Rebstöcken in Südfrankreich, die dichten Hecken und ebenso endlosen Rebzeilen in Bordeaux, der Champagne und manchen Gegenden Deutschlands.

Die grundsätzlichen Unterschiede in der Anlage der Weinberge verschiedener Regionen beginnen bereits bei der Anzahl der Rebstöcke, die auf einer bestimmten Fläche angepflanzt werden, der Pflanzdichte. In Bordeaux und der Champagne ist sie besonders hoch, hier stehen auf einem Hektar Rebfläche bis zu 10.000 Pflanzen, jede einzelne Pflanze muss sich also mit einem einzigen Quadratmeter Boden zufrieden geben. Dagegen stehen auf manchen Weinbergen Nordportugals und des benachbarten spanischen Galiziens sowie in einigen Gegenden ltaliens auf jedem Hektar nur 1000 Pflanzen, manchmal sind es sogar nur 600 Weinreben.

Jede Rebe hat dort 10-l5 Quadratmeter Platz für sich allein.

Allgemein geht man davon aut dass eine höhere Pflanzdichte höhere Erträge an besserem Traubengut und somit auch bessere Weine hervorbringt. Dies gilt allerdings nur für relativ unfruchtbare Böden, auf denen die Reben nur langsam wachsen, bei fruchtbaren Böden würde ein solch dichter Weinberg sich schnell in ein grünes Chaos verwandeln, und dem Winzer bliebe nur das Roden mindestens jeder zweiten Rebe übrig, um des Dschungels wieder Herr zu werden.

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In trockeneren Gebieten mit größerem Wasserstress muss eine niedrigere Pflanzdichte allei nauch deshalb gewählt werden, um der Pflanze eine ausreichende Versorgung mit dem kostbaren Nass zugewährleisten. In sehr feuchten Weinbaugebieten muss die Pflanzdichte deshalb niedriger gewählt werden, um durch eine gute Durchlüftung des Weinbergs die Ausbreitung von Pilzerkrankungen und Fäulnis einzudämmen.

Dazu ist es zusätzlich notwendig, das freie Wachstum der Weinreben zu beschränken, denn

sonst würden sie sich schnell zu wild wuchernden Schlingpflanzen entwickeln, die sie ja von Natur aus auch sind. Die Wahl der Pflanzdichte bei der Neuanlage eines Weinbergs hängt auch vom System ab, in dem die Reben erzogen werden sollen. Rebenerziehung ist notwendig, denn die Kletterpflanze Vitis Vinifera entwickelt von sich aus normalerweise keinen richtigen Stamm, auf dem sie frei stehen kann.

In den Anfängen des Weinbaus wurden die Rebstöcke an Bäumen erzogen, sie rankten sich an den Bäumen hoch und ihre schnell wuchernden Triebe konnten dann zwischen mehreren Bäumen aufgespannt werden, sodass eine Art Pergola entstand. In einigen Weinbaugebieten ist dies heute noch üblich, auch wenn mittlerweile fast überall vorgefertigte Gestelle an die Stelle der Bäume getreten sind. Diese Hocherziehung hat den Vorteil, dass die Traubenweit vom Boden entfernt sind, was sich vor allem für Gegenden mit Neigung zu Bodenfrösten empfiehlt.

Der Nachteil liegt vor allem in den schlechten Möglichkeiten der Mechanisierung.

In weiten Teilen 5üdeuropas stehen die Weinstöcke frei und ohne Unterstützungssysteme auf kuzen, meist knorrigen Stämmen. Diese Erziehungsform eignet sich jedoch nur für schwachwüchsige Weinberge und trockene Regionen, da sonst nach schweren Regengüssen das Laub und auch die Trauben in einer nassen Zone hängen und beste Voraussetzungen für den Befall durch Pilzkrankheiten bieten würden.

Heute werden in den meisten deutschen Anbaugebieten sowie in Bordeaux und der Champagne, aber auch in weiten Gebieten der Neuen Welt die Weinberge mit Drähten und Pfählen verspannt, andenen sich die Rebe während der Vegetationsperiode entlangranken kann. Das Laub wird meist an den Drähten befestigt, sodass sich Blätterwand und Traubengut räumlich voneinander getrennt in jeweils eigenen Zonen befinden. So entstehen jene schnurgeraden Rebzeilen, die leicht zu bearbeiten sind und gleichmäßige Erträge bringen.

Die Abstände zwischen den Zeilen können stark variieren, je nach Maschinentyp, der bei der Arbeit bevorzugt eingesetzt wird. In Europa sind die Abstände meist gering, und man hat spezielle Schmalspurmaschinen oder auch solche entwickelt, die sehr hoch gebaut sind und eine Rebzeile übergreifen, während in der Neuen Welt die Weinberge meist direkt auf den vorhandenen Maschinenpark zugeschnitten wurden.

Hier sind Abstände von drei Metern zwischen den Zeilen keine Seltenheit.

Neben den beschriebenen häufigsten Erziehungssystemen gibt es noch eine anarchisch anmutende Vielzahl von lokalen Sonderformen und Spezialsystemen.

Das Arbeitsjahr eines Winzers

Das Arbeitsjahr eines Winzers beginnt im Januar mit dem Rebschnitt. Dabei schneidet er mit der Rebschere das im vergangenen Sommer gewachsene Rebholz zurück. So bringt er den Rebstock wieder in die entsprechende Form für die kommende Saison. Die speziellen Formen des Rebschnitts sind genauso vielfältig wie die unterschiedlichen Pflanzdichten und Eniehungssysteme, alle drei Faktoren müssen eng aufeinander abgestimmt sein.

Mit dem Rebschnitt nimmt der Winzer auch bereits großen Einfluss auf Weinmenge und -qualität des kommenden

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Jahres. Lässt er dabei viele Fruchtansätze stehen, wird die Pflanze zahlreiche Fruchttriebe entwickeln und einen hohen Ertrag hervorbringen. Schneidet der Winzer das einjährige Holz weiter zurück, reduziert er damit den Ertrag, da sich nun weniger Fruchttriebe ausbilden werden. Die Pflanze erhält die Möglichkeit, ihre gesamte Kraft auf die wenigen Trauben, die sie trägt, zu konzentrieren.

Dieser Ertragsschnitt dauert oftmals bis in den Februar hinein. Wenn diese Arbeiten beendet sind, naht mit dem März bereits die richtige Zeit um an den notwendigen Stellen neue Weinreben zu pflanzen. Zudem müssen die Weinberge nun gründlich renoviert werden. Neue Umzäunungen und schützende Gitter sollen verhindern, dass Wild an den Rebstöcken seinen Hunger stillt. Außerdem müssen Wege, Mauern, Treppen, Drähte und Pfähle sowie die Kanalisation des Weinbergs kontrolliert und gegebenenfalls ausgebessert werden.

lm April beginnt der Winzer mit den Arbeiten am Weinbergsboden. Er lockert ihn zunächst mit dem Pflug oder mit Fräsen und düngt ihn zumeist nun auch, wenn es ihm nötig erscheint. Zudem beseitigt er das ebenfalls aus dem Winterschlaf erwachte Unkraut. Die austreibenden Reben werden neu an die Drähte und Pfähle angebunden und mit Spritzmitteln zum ersten Mal gegen verschiedene Schädlinge und Krankheiten geschützt. Der Mai steht ganz im Zeichen des Schutzes der Rebe gegen die gefürchteten Spätfröste, die bereits bei minus drei Grad die gesamte Hoffnung auf eine gute Ernte vernichten können.

Man bekämpft die Folgen heute durch die Berieselung der Reben mit Wasser, das eine schützende Eisschicht über den

Blütenknospen bildet. lm Juni werden die Reben zum ersten Mal "gegipfelt", die stark wachsenden Triebe werden gekürzt, damit die Pflanze nicht ins Kraut schießt. Daneben geht - wie schon im Vormonat - der Kampf gegen drohende Schädigungen der Rebe durch Insekten oder Pilzerkrankungen weiter.

lmmer mehr qualitätsbewusste Winzer schränken dabei den Einsatz von Pestizidenein oder benutzen biologische Pflanzenschutzmittel. Die Arbeiten im Juli unterscheiden sich von denen des Vormonats kaum. Es können nun umfangreiche Laubauslichtungs-maßnahmen nötig sein, um allen Blättern und vor allem den Trauben den Zugang zum Sonnenlicht zu ermöglichen.

Im August wird das Wachstum der Rebe schließlich durch Abschneiden aller Triebspitzen völlig gestoppt.

Alle Aufmerksamkeit des Winzers gilt nun der Gesundheit des Traubengutes, das langsam in seine Reifeperiode eintritt. Nun schneiden immer mehr Winzer auch überflüssiges gesundes Traubengut weg, um den Ertrag zu reduzieren. Dadurch fördern sie die Qualität des Weines beträchtlich, denn eine alte Faustregel sagt: Je geringer die Menge der Trauben, desto höher ist ihre Güte. Ab Ende August ist das Betreten der Weinberge zum Schutze des Leseguts nur noch den Weinbergsaufsehern gestattet. Nun dürfen auch keine Pflanzenschutzmittel mehr verspritzt werden, damit die oftmals gesundheitsschädlichen Stoffe nicht in den Wein gelangen.