Im Weinberg

Im Weinberg

Herkunft der Trauben

Soll ein Erzeuger selbst Trauben anbauen? Die Meinungen sind geteilt. Die Befürworter meinen, nur auf diese Weise habe man vollständige Kontrolle über die Führung und Behandlung des Weinbergs und damit über die Qualität der Trauben. Das Argument der Gegenseite lautet, dass eine Kellerei unter den besten Trauben spezialisierter Anbauer in verschiedenen Gebieten wählen kann - sofern sie das Geld dafür hat.

In Frankreich und im größten Teil Europas stammen fast alle Qualitätsweine aus Eigenanbau.

In Kalifornien und Australien sind die Verhältnisse weniger stringent. Kellereien, die ihre Trauben ankaufen, gehören zu den besten ihres Fachs. Immer mehr setzt sich die Praxis durch, Lieferanten vertraglich zu binden.

Klone

Manche Triebe eines Weinstocks wachsen kräftiger, tragen mehr Früchte, reifen früher oder haben andere wünschenswerte Eigenschaften. Bei solchen Trieben und ihren "Augen" handelt es sich um Mutationen, die sich genetisch von der Mutterpflanze leicht unterscheiden. Je länger eine Rebsorte kultiviert worden ist, desto mehr degeneriert sie und beginnt zu mutieren. Die Pinot-Familie ist außerordentlich alt und neigt in besonderem Maß zu Mutationen.

Man ist neuerdings dazu übergegangen, solche Triebe herauszusuchen und sie als Edelreiser für die Vermehrung zu

verwenden. So kann ein ganzer Weinberg aus einer einzigen Pflanze angelegt werden, die man als Klon bezeichnet. Es gibt in Burgund nicht nur eine einzige Pinot-noir-Varietät, sondern unzählige Klone. Ein Erzeuger, der sehr ertragreiche Klone anpflanzt, wird kaum je einen Wein der Spitzenqualität erreichen, während ein anderer, der einen schwächer tragenden Klon mit kleineren Beeren wegen deren Farb- und Geschmacksstoffen aussucht, eben auch mit kleineren Erträgen rechnen muss.

Wahl der Unterlage

Die meisten modernen Weingärten bestehen jeweils aus einer ausgewählten europäischen Rebsorte, die auf eine amerikanische Unterlage mit natürlicher Resistenz gegen Reblausbefall veredelt ist. Gut verträgliche, virusfreie Unterlagen wurden inzwischen für die verschiedenen Bodenarten ausgesucht oder gezüchtet. Zum Teil eignen sie sich für saure und neutrale Böden (zum Beispiel in Kalifornien), während andere auf den kalkhaltigen oder basischen Böden gedeihen, wie sie in den meisten Lagen Europas vorhanden sind. In reblausfreien Teilen der Welt, vor allem in Südamerika, ist es möglich, Reben auf ihren eigenen Unterlagen zu pflanzen.

Veredelung

Das Aufpfropfen von Edelreisern der gewählten Rebsorte auf eine geeignete Unterlage geschieht entweder in der Rebschule (Mengenveredelung) oder aber direkt auf bereits vorhandene Wurzelstöcke im Weinberg (Freilandveredelung).

In Kalifornien ist es neuerdings üblich geworden, dass ein Anbauer, der sich nach einigen Jahren der Zinfandel-

Erzeugung die Sache anders überlegt und lieber mehr Chardonnay haben möchte, ganz einfach die Zinfandel-Rebstöcke knapp über dem Boden absägt und mit einem sogenannten T-Schnitt Chardonnay-Reiser aufpfropft. Zwei Jahre danach kann er Weißwein anstatt Rotwein produzieren. Auf diese Weise geht den Weinbauern nicht nur weniger Ertrag verloren, sie können mit ihren neuen Reben auch auf die fest eingewachsenen Wurzelsysteme reifer Weinstöcke vertrauen.

Neue Kreuzungen europäischer Reben

In Deutschland werden Reben mit dem Ziel gezüchtet, innerhalb der verschiedenen Sorten von Vitis vinifera eine Kombination wünschenswerter Eigenschaften zu finden, die insbesondere den Riesling ersetzen soll. Der ist zwar Deutschlands feinste Rebe, aber er reift relativ spät, und das bedeutet ein hohes Ernterisiko. Bisher hat ihm jedoch noch keine Kreuzung auch nur annähernd den Rang ablaufen können, weder in Geschmacksfeinheit noch Widerstandsfähigkeit, wenn ihm auch einige im Ertrag überlegen sind oder stark aromatischen Most liefern und früher reifen. Die Müller-Thurgau-Traube war die erste und bis heute die bekannteste dieser Art.

Die Universität von Kalifornien hat ebenfalls ein Vinifera-Züchtungsprogramm laufen, aus dem bereits einige

brauchbare Neuheiten hervorgegangen sind, insbesondere sehr ertragreiche Sorten für warme Regionen, die ein gutes Aroma bei kräftiger Säure liefern. Die bekanntesten Beispiele sind Ruby Cabernet (Cabernet Sauvignon × Carignan), Carnelian und Centurion (Cabernet Sauvignon × Grenache), Carmine (Cabernet Sauvignon × Merlot), Emerald Riesling (Riesling × Muscadelle) und Flora (Gewürztraminer × Sémillon).

Südafrika hat die Pinotage-Rebe hervorgebracht, die eine Kreuzung zwischen Pinot noir und Cinsaut sein soll, leider aber kaum eine der Qualitäten dieser beiden Sorten aufweist.

Bei derzeit über 3000 neuen Sorten scheint mir die Auswahl mehr als ausreichend.

Genmanipulation

Im Weinbau wird über dieses Thema natürlich ebenso kontrovers diskutiert wie in der Landwirtschaft. Die gewerbliche Pflanzung genmanipulierter Reben ist zwar verboten, doch es laufen gegenwärtig Forschungsprojekte in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern. Qualitätsbewusste Erzeuger sind strikt gegen genmanipulierte Reben - sie fürchten eine Querkontamination. Weit ist man auch schon bei der Herstellung genmodifizierter Hefen, mit denen man die Gärung besser unter Kontrolle bringen will. Doch sie stoßen bei Weinbauern und Kellermeistern, die um den Verlust von Individualität fürchten, ebenfalls auf großen Widerstand.

Boden

Die verschiedenen Bodenarten werden in Frankreich bei Diskussionen um den Lagencharakter und die Weinqualität mit größter Aufmerksamkeit behandelt und nach zwei Aspekten beurteilt: ihren chemischen und ihren physikalischen Eigenschaften. Nach gegenwärtiger Überzeugung kommt den Letztgenannten bei Weitem die größere Bedeutung zu, da die meisten Böden ohnehin alle chemischen Elemente enthalten, die die Weinrebe braucht.

Die physikalischen Eigenschaften, die einen Einfluss auf die Qualität ausüben, sind die Bodenstruktur, die Durchlässigkeit, die Tiefgründigkeit und selbst die Farbe. In kühlen Klimazonen erweist sich alles als günstig, was zur Erwärmung des Bodens beiträgt. Steine an der Oberfläche speichern die Wärme und strahlen sie nachts wieder ab. Dunklere Böden absorbieren die Sonnenstrahlung. In Deutschland sind die Rebzeilen so ausgerichtet, dass der Boden so lange wie nur irgend möglich dem wärmenden Sonnenschein ausgesetzt wird. Trockener Boden erwärmt sich rascher. Der wichtige Vorteil eines guten Wasserablaufs (etwa in den Kiesböden im Médoc) liegt darin, dass die Rebe gezwungen wird, tief zu wurzeln, um an Feuchtigkeit zu gelangen. Tief reichende Wurzeln aber befinden sich in einer stabilen Umgebung: Die Trauben werden nicht mehr automatisch aufgeschwemmt, wenn vor der Lese unvermittelt starke Regengüsse auftreten.

Anderseits geht aus neueren Experimenten in Davis (Kalifornien) hervor, dass ein Boden, der kühler ist als die

oberirdischen Teile der Rebe, einen günstigen Einfluss auf die Pigmentbildung ausübt und kräftiger gefärbten Rotwein entstehen lässt. Château Pétrus auf dem stark eisenhaltigen Lehm von Pomerol könnte als Beweis hierfür herangezogen werden. Auch St-Estèphe hat einen größeren Lehmanteil im Boden, und die dortigen Weine sind oft tiefer in der Farbe als andere Médoc-Weine.

In Kalifornien scheint Lehm zu größerer Stabilität bei Weißen beizutragen; sie oxidieren nicht so leicht und reifen besser aus. Der allzu schnelle Reifevorgang der Trauben in Kalifornien führt oft dazu, dass die Weine wenig Säure haben und deshalb oxidationsgefährdet sind. Kühler Lehmboden verlangsamt vermutlich den Reifeprozess, und das wäre genau das Gegenteil dessen, was in Deutschland wünschenswert ist.

Fazit: Der beste Boden ist derjenige, der die Trauben stetig zur Reife gelangen lässt: warmer Boden in kühlen Gegenden, einigermaßen kühler Boden in warmen Gegenden. Auch muss er tiefgründig sein, um die Wurzeln ständig Feuchtigkeit finden zu lassen, denn bei akuter Trockenheit schließt die Rebe die Poren, womit die Photosynthese unterbunden wird.

Lage und Mikroklima

Es ist eine Binsenweisheit, dass Wein von Hanglagen besser ist. Der einfache Grund dafür ist die stärkere Sonneneinstrahlung auf eine in Richtung zur Sonne geneigte Fläche, sodass sich der Boden stärker erwärmt und auch kalte Luft besser abgeführt wird. Ein Südhang (in der nördlichen Hemisphäre) kann fast immer als ideale Lage angesehen werden. In Gegenden mit starken Herbstnebeln am Morgen ist ein Westhang noch besser, weil die Sonne normalerweise erst am Nachmittag den Nebel richtig durchbricht. Der Rheingau ist hierfür ein Beispiel. In Burgund und im Elsass dagegen genießen Osthänge den Vorteil, dass die Sonne den Vormittag über den Boden erwärmt, der dann die Wärme speichert, während gegen Nachmittag der Einstrahlungswinkel der Sonne flacher wird. Das Elsass wird zusätzlich durch ein sonnenreiches Lokalklima begünstigt, da die Vogesen den Regen abhalten.

Viele der besten Anbaugebiete der Alten Welt, etwa in Deutschland, im Rhône-Tal und im Douro- Tal, sind an steilen Hängen terrassenförmig ausgebildet, um die Vorteile der Hanglage mit zusätzlicher Tiefe des Bodens zu vereinen. Da diese Terrassen mit Maschinen schlecht zu bearbeiten sind, kommen sie weitgehend aus der Mode. In Deutschland wurden im Zuge der Flurbereinigung gewaltige Erdbewegungsarbeiten durchgeführt, um befahrbare Anlagen zu schaffen. Im Douro-Tal ist man ebenfalls dabei, die einst schmalen, flachen Terrassen in breite und sanft geneigte zu verwandeln. Experimente mit "vertikaler Bepflanzung" an den steilen Hängen des Douro waren wenig überzeugend. Starker Regen neigt dazu, die im Boden gelösten Nährstoffe in Richtung Talboden auszuwaschen. Flache Talsohlen bergen die größten Risiken, weil sie in Frühlingsnächten von kalten Luftströmen geradezu überflutet werden können (siehe Frostschutz).

Bemerkenswerterweise haben in Burgund die Grand-Cru-Lagen weniger häufig Frostschäden zu erleiden als die der

Premiers Crus, vermutlich weil die Winzer dort die kalten Stellen aus Erfahrung kennen und den sichereren Lagen von vornherein den Vorzug geben. Seltsamerweise gilt dasselbe auch für Hagelschäden. In der langen Zeit zwischen dem Aufspringen der Knospen und der Weinlese kann schon eine winzige Veränderung große Folgen haben. Im Rheingau gilt der Wind als großer Widersacher, weil er angestaute Wärme aus den Rebzeilen bläst - weshalb man diese dort quer zur Hauptwindrichtung aus Südwesten anlegt.

Weitere das Mikroklima beeinflussende Faktoren sind Schatten und Feuchtigkeitsbildung unter dichten Laubdächern (siehe Erziehung). Wieder ein anderer Faktor ist die größere Häufigkeit von Frösten über einem mit Gras bewachsenen Boden als über der nackten Erde. Kleinklimatische Einflüsse sind nicht leicht zu bestimmen, doch gibt es keinen Zweifel daran, dass Sonneneinstrahlung, Wind, Höhenlage, Frost und Bodenerosion die Weinqualität nachhaltig beeinflussen.

Frostschutz

Im winterlichen Ruhezustand übersteht die Vinifera-Rebe Temperaturen bis zu -28 Grad Celsius. Wo noch tiefere Temperaturen vorkommen, etwa in Russland und in Teilen des östlichen Nordamerika, wird die untere Hälfte des Rebstocks im Spätherbst durch Erdaufschüttung "eingeschlagen". Am frostempfindlichsten ist die Rebe im Frühjahr, wenn die frischen Austriebe grün und saftreich sind. Früher bestand der einzige Schutz darin, in klaren Frühlingsnächten in den Weinbergen Wärmeöfen aufzustellen. In frostgefährdeten Gebieten Kaliforniens versuchte man mit riesigen Gebläsen die Luft in den Weingärten umzuwälzen und die Ansammlung von Kaltluft zu verhindern, doch erwiesen sich unbeheizte Gebläse als wenig wirkungsvoll. Ähnliches gilt für den teuren Einsatz von über den Weinbergen kreisenden Hubschraubern. Eine weitere Schutzmaßnahme ist die Beregnungsanlage. Sie hüllt die Rebe, bevor sie erfriert, in dichten Regen, das Wasser gefriert, wenn es auf die jungen Austriebe trifft, und bildet um sie eine schützende Eisschicht. Eine Beregnungsanlage kann sich als lohnende Investition erweisen, weil sie in trockenen, heißen Sommern gleichzeitig zur Bewässerung dient.

Rebenerziehung

Die meisten Weinberge bestanden früher aus zahllosen Einzelbüschen, einzelnen Rebstöcken, die jedes Jahr auf einige Augen über dem Stamm zurückgeschnitten wurden. Mit wenigen Ausnahmen (z.B. an der Mosel, Teilen der Rhône und im Beaujolais) werden heute die modernen Weinberge verspannt, die Reben also an Drähten gezogen. Neuere Entwicklungen, gestützt auf die Notwendigkeit des Einsatzes von Lesemaschinen, arbeiten mit höheren Spalieren. Das erste Rebspalier dieser Art wurde in den 1930er-Jahren von Lenz Moser in Österreich entwickelt. Hochspaliere sind in kühleren Gegenden wie in Deutschland, wo die Wärmebestrahlung des Bodens für das Ausreifen wichtig ist, nicht geeignet. Dagegen sind sie in Nordportugal mit großem Erfolg eingesetzt worden, wo man säurereichen Wein hervorbringen wollte.

Weit ausgebreitete, abfallende "Laubvorhänge", manchmal sogar Doppelvorhänge (double curtain), die durch das

Verzweigen der Rebe auf zwei hohen Stützdrähten entstehen, haben in warmen Gegenden Vorteile. Hierbei wird eine größere Oberfläche für die Fotosynthese genutzt und gleichzeitig werden die Trauben darunter gegen die direkte Sonneneinstrahlung abgeschirmt. Allerdings ist die Qualität des dabei entstehenden Weins fraglich. Auf fruchtbaren Böden, die kräftiges Wachstum fördern, erweist sich die Lyra-Erziehung als erfolgreich.

Sie erbringt zumindest hohe Erträge reifer Trauben, wenn auch nicht höchste Qualität.

Schnitt

Das Schneiden der Reben hat sich inzwischen den neuen Methoden der Rebenerziehung angepasst. Die wichtigste Neuentwicklung ist das maschinelle Schneiden, das der mühsamen Handarbeit im Winter ein Ende setzen soll. Hierbei wird die Rebzeile ganz einfach wie eine Hecke behandelt. Diese Methode hat sich in Australien, wo ein System kleiner Kreissägen über die Reben geführt wird, durchaus so gut bewährt wie das geübte Auge und die geschickte Hand. Wohl mag es nötig sein, hie und da von Hand nachzuschneiden, doch besteht kein Zweifel daran, dass sich diese Technik im Weinbau durchsetzen wird. Erfahrungen in Kalifornien zeigen, dass sich die Kosten für das maschinelle Schneiden auf lediglich rund 15 Prozent der Kosten belaufen, die durch das Schneiden der Rebstöcke von Hand entstehen.

Biologischer Weinbau

Wie jede andere Feldfrucht kann auch Wein biologisch angebaut werden, wobei Kunstdüngemittel, Insektizide, Herbizide und andere Chemikalien ausgeschlossen sind. Die Umstellung von konventionellem auf biologischen Weinbau dauert drei Jahre. Nicht alle Spritzmittel sind verboten, so darf etwa das bewährte Kupfersulfat (Bordeauxbrühe) in gewissem Umfang eingesetzt werden. In Europa gibt es im Grunde keinen Biowein, sondern nur Wein, der aus biologisch angebauten Trauben bereitet wrid. In den Vereinigten Staaten dagegen darf ein Gewächs schon als organic, also biologisch, etikettiert werden, wenn der Winzer auf gewisse Bereitungspraktiken wie den Einsatz von Schwefeldioxid verzichtet.

Biodynamischer Weinbau

Noch strenger als der biologische ist der biodynamische Anbau geregelt, der den Grundsätzen des Anthroposophen Rudolf Steiner folgt. Er richtet sich beispielseise nach einem eigenen Kalender, der unter anderem nach den Mondphasen festlegt, wann welche Arbeitsschritte vorzunehmen sind. Aus Kräutern, Blüten und Dung werden ganz spezielle Präparate gemischt und in homöopathischer Dosis ausgebracht. Auch die Kompostproduktion wird reguliert. Manche sehen in der Biodynamik die Rückkehr zur Natur, für andere ist sie Teufelswerk oder schlicht Aberglaube. Außer Frage aber steht, dass man damit den Boden wieder mit mikrobiellem Leben erfüllt. Mittlerweile haben einige Spitzengüter in Frankreich, Kalifornien und Australien mit unbestreitbarem Erfolg auf biodynamischen Weinbau umgestellt.