Die Feinde der Rebe

Die Feinde der Rebe

Sobald eine neue Vegetationsperiode beginnt und der Weinstock ausgetrieben hat, erwachen auch die Pflanzenschädlinge und die Krankheitskeime, denn wie jeder pflanzliche oder tierische Organismus auf der Welt steht auch die Weinrebe in einem engen biologischen Kontext.

Dies ist ein enges Beziehungsgeflecht mit vielen anderen Organismen, die für ihre Lebensführung auf pflanzliche Nahrung angewiesen sind und von der Rebe profitieren oder andererseits - wie die Stickstoff produzierenden Bakterien im Boden - den Weinstock nutzen, indem sie seine Umweltbedingungen verbessern.

Bekämpft werden manche Organismen nur deshalb, weil der Rebstock eine Nutzpflanze ist, von der ein ganzer

Industriezweig abhängig ist, der - wie es in der Vergangenheit schon mehrfach geschehen ist - durch das massive Auftreten von Rebschädlingen oder -krankheiten in seiner Existenz bedroht werden kann. lmmer mehr Winzer versuchen heute, nicht schon rein vorsorglich regelmäßig die "chemische Keule" herauszuholen, sondern die Krankheiten und Schädlinge dadurch vorbeugend zu bekämpfen, indem sie natürlichere Bedingungen in ihren Weinbergen herstellen, nicht jeden Unkrauthalm mit Stumpf und Stiel versengen und den natürlichen Kreisläufen mehr Spielraum lassen.

Mit anderen Worten: In unserer hochtechnisierten Zeit mit ihren vielen Umweltproblemen ist jede Spinnmilbe, die von einem Marienkäfer gefressen statt durch ein Insektizid getötet wird, ein Fortschritt für den modernen, zukunftsorientierten Weinbau. Wie zwiespältig die Unterscheidung zwischen nützlich und schädlich sein kann, zeigt der Schimmelpilz Botrytis Cinerea: lm September noch als Graufäule auf nicht ausgereiften Rieslingtrauben gefürchtet, ist derselbe Erreger vier Wochen später auf reifem Traubengut hoch erwünscht als Auslöser der Edelfäule.

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Rebschädlinge

Wenn sich das erste Grün zeigt, sind sofort die Spinnmilbe und die Kräuselmilbe auf der Pflanze. Sie befallen die Blätter und Wachstumstriebe, später auch die Blütender Pflanzen. Der Rebstock kann ohne Hilfe und bei schwerem Befall ernsthaften Schaden nehmen. Die Pockenmilbe befällt nur die Blätter der Pflanze. Diese fallen frühzeitig ab, womit der Rebstock seine Vegetationsperiode wieder einstellt. Ebenfalls im Frühjahr wird der Springwurm aktiv der alle neu gewachsenen Teileder Pflanze schädigt. Auch Engerlinge, Käfer und Läuse können jetz die Rebe befallen, was sich in einem kümmerlichen Wuchs der Pflanze äußert.

Ab der zweiten Maihälfte droht den Blütenständen und später auch den Früchten Gefahr vom Heuwurm.

Er verletzt die Beerenhaut und macht sie anfällig für Pilzerkrankungen. Der schlimmste Rebschädling ist zweifellos die Reblaus, die - von der Ostküste Nordamerikas eingeschleppt -den Weinbau weltweit am Ende des 19. Jahrhunderts beinahe vernichtet hätte.

Sie verbreitete sich rasant über den Globus: 1863 trat sie erstmals in Frankreich auf, 1871 in Portugal und der Türkei, 1872 in Österreich, 1873 in Kalifornien, 1874 in Deutschland und der Schweiz, 1875 in ltalien, 1877 in Australien, 1878 in Spanien, 1885 in Algerien, Südafrika und Neuseeland sowie 1898 in Griechenland, und überall ließ sie die Weinberge öd und verwüstet zurück. lhrem Wirken konnte durch die Entdeckung der resistenten Wurzelstöcke amerikanischer Rebfamilien und das Aufpfropfen europäischer Edelreben auf diese Unterlagen Einhalt geboten werden.

lm Gefolge der Reblauskatastrophe kam es vielerorts zu schweren sozialen Verwerfungen, manche Weinbaugebiete wie

Mälaga in Südspanien haben sich bis heute nicht wiedererholt, in einigen Gegenden wie Süditalien kam es zu massiven Auswanderungswellen in Folge des Verlustes des wichtigsten Erwerbszweigs, des Weinbau. Heute ist die Reblaus, die das Wurzelwerk der Vinifera-Sorten durch ihren Biss so schädigt, dass Krankheitskeime eindringen können und die Pflanzeschließlich abstirbt, immer noch weltweit verbreitet. Mittlerweile haben sich in einigen Gegenden auch Typen der Reblaus entwickelt, die sogar bestimmte amerikanische Unterlagsreben schädigen können, sodass man noch längst keine Entwarnung geben kann.

Rebkrankheiten

Hohe Luftfeuchtigkeit, die oftmals in guten Lagen auftritt, begünstigt den Befall der Rebe mit Pilzerkrankungen. Bereits vom ersten Blättchen der neuen Vegetationsperiode an besteht die Gefahr der Schwarzfleckenkrankheit. Sie äußert sich in schwarz-gelben Pünktchen auf den Blättern und führt schließlich zu deren Absterben. Nach der Entfaltung ihres dritten Blättchens ist die Rebe vom Roten Brenner bedroht. lhre Blätter bekommen rote Flecken und fallen schließlich ab. Gefürchtet ist der Echte Mehltau (Oidium), der als weißgrauer, mehliger Belag sowohl die Blattoberseiten als auch die Trauben befällt.

Die Beeren werden schwarz und platzen schließlich.

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Außerst gefährlich ist auch der Falsche Mehltau (Peronospora). Ersetzt sich als weißer Belag an den Unterseiten der Blätter, an Trieben, Blüten und Beeren fest und führt zum Abfallen von Blüten und Blättern und zum Einschrumpfen der Beeren.

Zwei gänzlich verschiedene Seiten hat der Grauschimmel (Botrytis cinerea). Befällt er unreife Beeren oder rote Rebsorten, so führt er zur berüchtigten Sauer- oder Graufäule. Diese Erkrankung kann zum totalen Ernteausfall führen. Auf vollreifen weißen Trauben löst er hingegen zur Lesezeit die erwünschte Edelfäule aus, die Voraussetzung für die Erzeugung edelsüßer Weine. Die meisten Pilzerkrankungen sind heute durch das Ausbringen entsprechender Spritzmittel leicht zu behandeln.

Viruserkrankungen

Der Befall der Reben mit Viruserkrankungen ist erst bekannt geworden, seitdem in den 1890er-Jahren im großen Stil das Aufpfropfen europäischer Edelreiser auf amerikanische Wurzelstöcke zur Abwehr der Reblaus praktiziert wurde. Bei einer solchen Maßnahme verdoppelt sich die Wahrschein-lichkeit eines Virusbefalls, da ja beide Komponenten schon vorher befallen sein können.

Durch die mit der modernen Klonenselektion verbundene großflächige Verbreitung genetisch identischen Rebmaterials von einer einzigen Mutterpflanze besteht zusätzlich die Gefahr, dass ganze Rebbestände virenverseucht sind, und so mancher Winzer insbesondere in der Neuen Welt hat seine Neuanlagen schon nach kurzer Zeit wieder roden müssen, weil die Viruskrankheiten nicht in den Griff zu bekommen waren.

Viren werden aber nicht nur durch Pfropfen und Klonen verbreitet, sondern auch durch manche an den Pflanzen

saugenden Insekten oder Nemotoden-Würmer. Einige Viruskrankheiten sind harmlos, andere mindern schleichend Ertrag und Qualität des Traubengutes, wieder andere bringen in kürzester Zeit ganze Weinberge zum Absterben.

In fast allen Weinbau treibenden Ländern ist der Blattrollvirus verbreitet, der eine schwere Krankheit hervorruft, in deren Verlauf sich die Ertragskraft der Rebe halbieren kann und die Qualität des Traubengutes durch verzögerte Reife beträchtliche Einbußen erleidet. Die unheilbare Krankheit äußerst sich zudem durch das Einrollen und die besonders intensive, oft als attraktiv empfundene Rotfärbung der Blätter im Herbst. Ahnliche Symptome zeigen die von der Korkrindenkrankheit befallenen Reben, die sich zudem in Abstoßungsmechanismen an der Pfropfstelle von Veredelungsunterlage und Edelreiser zeigt.

Die Krankheit führt sicher zum Absterben der Edelrebe, während die Unterlagsrebe in vielen Fällen überlebt.

Eng verwandt mit der Korkrindenkrankheit ist die in ltalien verbreitete Viruserkrankung Legni Riccio, die allerdings nicht zum Absterbender Rebe führt, sondern "nur" zu empfindlichen Ertragseinbußen. Bis zu 80 Prozent können diese bei der Reisigkrankheit betragen, die an verkümmerten Trieben und deformierten, asymmetrischen Blättern zu erkennen ist. Verbreitet wird sie von Nematoden-Würmern, die im Bodenleben und die Viren von Rebe zu Rebe tragen. Die Viren können in abgestorbenen Reben noch sechs Jahre überleben, sodass die befallenen Weinberge vor der Neubestockung aufwändig entseucht werden müssen.

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Bakterielle Erkrankungen

Einige der schwersten Erkrankungen der Weinrebe werden durch Bakterien hervorgerufen, wie beispielsweise die Bakteriennekrose, die sich durch kümmerlichen Wuchs und schließlich das Absterben der jungen Triebe bemerkbar macht. Diese müssen sofort entfernt werden, bestimmte Spritzmittel auf Kupferbasis können Abhilfe schaffen.

Zudem muss auf äußerste Hygiene geachtet werden, denn auch über Schneidewerkzeuge kann die Krankheit verbreitet werden. Gefährlicher ist die Mauke, eine Krankheit die durch Bakterien hervorgerufen wird, die sowieso in der Rebpflanze vorhanden sind, aber erst nach Schädigungen der Rebe, z.B. durch schweren Winterfrost, mit ihrem zerstörerischen Werk beginnen.

Es bilden sich große Gallen am Stamm der Rebe, alles darüber befindliche Gewebe stirbt schließlich ab.

Der Horror der nordamerikanischen Winzer ist die Pierce'che Krankheit, deren Erreger durch die Rebzikade übertragen wird. Sie ist in weiten Teilen der USA verbreitet, in denen Weinbau dadurch schier unmöglich ist. Bis heute sind bereits zehntausende Hektar Rebland von dem Bakterium vernichtet worden. Befallene Pflanzen verlieren ihre Blätter, wobei die Stiele stehen bleiben, und sterben innerhalb weniger Jahre ab. Eine Heilung ist nicht möglich, vorbeugend wurden weltweit weitreichende Quarantänevorschriften für Edelreiser erlassen.

Mycoplasmosen

Tückisch sind auch die Rebkrankheiten, die durch bakterienähnliche, als Mycoplasmen bezeichnete Organismen hervorgerufen werden. Sie werden durch Pfropfen oder auch durch Insekten übertragen und befallen die Leitungsbahnen im Pflanzengewebe, die für den Transport der zuckerreichen Nährlösungen innerhalb der Pflanze zuständig sind. Die gefährlichste dieser Krankheiten trägt den Namen Flavescence Dorde, zu deutsch "Goldgelbe Vergiftung".

Die Krankheit wird ebenfalls durch die Rebzikade übertragen und tritt epidemisch in Frankreich und ltalien auf, wurde

aber auch schon in Australien, Chile, Deutschland, lsrael, Rumänien und der Schweiz beobachtet. Triebe und Blätter befallener Pflanzen sterben ab, die Beeren schrumpfen ein und werden bitter. Besonders anfällig sind Chardonnay und Riesling.