Der Weinkeller

Der Weinkeller

Auch wenn die Voraussetzungen für die Weinbereitung bereits im Weinberg geschaffen werden und die Art des gelesenen Traubengutes entscheidenden Einfluss auf den Still des entstehenden Weines ausübt, ja diesen sogar vorweg bereits festlegen kann, vollzieht sich die Entstehung des Weines doch im Weinkeller. Hier werden die angelieferten Trauben in Wein,,verwandelt". Doch je nach Weinart die erzeugt werden soll, können sich die Arbeiten erheblich unterscheiden.

Viele Weinkeller sind auf die Bereitung einer bestimmten Weinart spezialisiert, in den meisten deutschen Anbaugebieten

auf die Bereitung von Weißwein. Einige Vorgänge der Weinbereitung unterscheiden sich jedoch nicht voneinander, egal, welche Art von Wein am Ende entstehen soll. Nach der Schließung des Weinbergs im Spätsommer kann sich der Winzer ab September auf die Weiterverarbeitung des Leseguts vorbereiten, das bald in seinen Keller kommen wird.

Die Presse, der Kelter, die Gärbehälter und die Fässer müssen überprüft, gesäubert und desinfiziert werden. Pumpen, Leitungen und Schläuche sind zu reinigen. Der Winzer prüft die Druckbehälter auf ihre Dichtheit und die Kühlvorrichtungen auf ihre Funktionstüchtigkeit. Der Oktober steht ganz im Zeichen der Vorbereitung und Gärung des Mostes.

Chaptalization und Azidifikation

Bevor der Most nun in die Phase der alkoholischen Gärung übergeht, muss der Kellermeister entscheiden, aus welchen Trauben er welche Weine herstellen will. In nördlicheren Weinbaugebieten, in ausgesprochen kühlen Jahren, aber auch in weiter südlich gelegenen Weinbaugebieten kann die Zuckerkonzentration so niedrig sein, dass es sinnvoll ist, die Weine anzureichern.

Dazu wird ihnen vor der Gärung Rohr- oder Rübenzucker oder ein sehr süßes Mostkonzentrat beigemischt, das dann bei der Gärung zusätzlichen Alkohol in den Wein bringt. Diese Maßnahme wird auch als Verbessern oder Chaptalisation bezeichnet. Durch zahlreiche Verordnungen der Europäischen Union und die nationalen Weingesetze ist genau geregelg wo diese Maßnahme überhaupt durchgeführt werden darf und in welchem Umfang.

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So ist Chaptalisation beispielsweise in den nördlichen Cötes du Rhöne erlaubt, in den südlichen Cötes du Rhöne hingegen nicht.

In Deutschland ist die Verbesserung nur bei QbA-Weinen zulässig, bei Qualitätsweinen mit Prädikat, deren Moste eine wesentlich höhere Zuckerkonzentration aufweisen müssen, ist sie ebenso wie in Österreich gesetzlich verboten.

In den meisten anderen Weinbauländern ist die Regelung unabhängig von der Qualitätsstufe der Weine. In heißeren Weinbaugebieten, wo durch die Reifebedingungen der Trauben eher ein Säure- als ein Zuckermangel im Most besteht, darf dieser mit Säure angereichert werden.

Auch diese Maßnahme, die Azidifikation, unterliegt genauen gesetzlichen Regelungen. Zur Nachsäuerung der Weine wird Weinsäure, Apfelsäure oder Zitronensäure verwendet. In manchen Weinbaugebieten ist je nach Jahresverlauf grundsätzlich beides erlaubt, Chaptalisation und Azidifikation, aber niemals beides gleichzeitig, da die gleichzeitige Zugabe von Säure und Zucker vom Gesetzgeber als Panscherei angesehen wird. In Deutschland und Österreich ist die Azidifikation grundsätzlich unzulässig.

Der zentrale Prozess der Umwandlung von Traubenmost in Wein ist die alkoholische Gärung.

Seit Jahrtausenden sind das Phänomen und sein Ergebnis bekannt, doch das Wesen der alkoholischen Gärung, der Umwandlung von Traubenzucker in Athylalkohol und Kohlendioxid sowie eine Vielzahl anderer Stoffe. haben die Menschen erst vor noch gar nicht so langer Zeit begriffen, und einige Geheimnisse sind sogar bis heute nicht vollständig gelöst.

Nachdem man im Mittelalter gelegentlich sogar mystische Erklärungen für den spontanen, stürmisch verlaufenden Gärprozess gesucht hatte, wurde schon den Alchimisten der frühen Neuzeit klar, dass die Komponenten Zucker, Alkohol und Kohlendioxid daran beteiligt sind. Letztlich aufgeklärt hat den Gärvorgang dann im 19. Jahrhundert der geniale Wissenschaftler Louis Pasteur, der 1857 eine Studie über die Gärvorgänge und 1863 eine Untersuchung über die Rolle von Bakterien in verdorbenem Wein veröffentlichte.

Er war der erste, der die Rolle der Hefe bei der Gärung entdeckte und feststellte, dass es sich bei der Umwandlung von Zucker in Alkohol nicht um einen einfachen spontanen Vorgang, sondern um ein kompliziertes Geschehen handelt, das eng mit den Stoffwechselprozessen von Lebewesen verbunden ist. Wichtig für die Vergärung von Zucker zu Alkohol ist die weitgehende Abwesenheit von Sauerstoff, denn unter dessen freier Verfügbarkeit würden die Hefepilze den Traubenzucker vollständig in Kohlendioxid und Wasser umwandeln.

Alkohol entsteht hingegen nur, wenn die Hefen in sauerstofffreiem "anaerobem" Milieu arbeiten.

So formulierte Professor Dinsmore Webb, ein legendärer Önologe, der früher an der University of California in Davis lehrte: "Genaugenommen ist Wein das Nebenprodukt des Stoffwechsels von Hefen, die unter nicht ganz optimalen Bedingungen leben." Der Hefepilz, der hauptsächlich für die Vergärung von Wein, aber auch von Bier und Sauerteig "zuständig" ist, trägt den lateinischen Namen Sacchoromyces cervisiae.

Daneben sind aber auch noch eine ganze Anzahl anderer Hefepilze an der Gärung beteiligt, insbesondere in der Anfangsphase. Viele von ihnen vertragen nur geringe Alkoholgehalte und sterben ab, wenn der Alkohol im gärenden Most eine Konzentration von ca. fünf Volumenprozenten erreicht hat. Alle diese Hefen nennt man wilde Hefen, weil sie sowohl in der Umgebung der Weintrauben im Weinberg als auch im Weinkeller natürlich vorkommen.

Lange Zeit glaubte man, dass sie auf den Schalen der Weinbeeren lebten, weil man sie dort nachweisen konnte, aber inzwischen weiß man, dass sie allgemein in der Umgebungsluft leben und durch Wind oder lnsekten verbreitet werden. So kann beispielsweise eine Fruchtfliege, die während der Lesezeit vom Geruch beschädigter Trauben angelockt wurde und sich auf das im Anhänger eines Traktors befindliche Traubengut setzt, durch die Übertragung von Hefepilzen bereits die Gärung auslösen, was ziemlich fatale Folgen haben und zur Oxidation des gesamten Lesegutes führen könnte. Deshalb wird das Lesegut gemeinhin leicht geschwefelt, denn das Schwefeldioxid hemmt die Tätigkeit der Hefepilze.

In Europa vertrauen viele Weinerzeuger diesen natürlich vorkommenden Hefen und versuchen, ihr Vorkommen zu

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fördern und zu stabilisieren, beispielsweise zur Ausbringung der Gärrückstände in die Weinberge. Allgemein besteht hier die Auffassung, dass die Verwendung natürlicher Hefen, die aus verschiedenen Arten bestehen, eine größere geschmackliche Qualität und Komplexität in den Wein einbringt, vor allem, wenn er nach dem Gärprozess noch eine Zeit lang in Kontakt mit den abgestorbenen Hefen bleibt.

Auf der anderen Seite besteht allerdings noch ein gewisses Restrisiko, dass der Gärprozess bei Verwendung der natürlich im Umfeld vorkommenden Hefen unregelmäßig verläuft oder unter bestimmten ungünstigen Bedingungen sogar "steckenbleibt", also abbricht. Dies geschah früher häufiger, vor allem in kühleren Gegenden bei frühem Wintereinbruch, denn bei Kälte stellen die Hefen ihre Tätigkeit allmählich ein.

lm Frühling, wenn es sich wieder erwärmte, fingen die Weine plötzlich erneut an zu gären, wenn die Hefen ihre

Tätigkeit wieder aufnahmen und den verbliebenen Zucker weiter in Alkohol und Kohlensäure umwandelten. Dieses Phänomen führte letztlich zur "Erfindung" des Schaumweines. ln der Neuen Welt vertrauen die meisten Weinerzeuger speziellen, industriell hergestellten Hefestämmen, den so genannten Reinzuchthefen. Bei ihnen handelt es sich um einzelne Hefestämme, die teilweise erstaunlich verschiedene Fähigkeiten besitzen und meist auf die Erzeugung bestimmter Weinstile spezialisiert sind, beispielsweise durch hohe Alkoholverträglichkeit für starke Weine, leichte Entfernbarkeit der abgestorbenen Zellen für Schaumweine nach der traditionellen Methode der Flaschengärung oder hohe 5chwefelverträglichkeit für süße Weine.

Die Abfüllung

Ein weiterer Arbeitsschritt im Weinkeller, der weitgehend unabhängig von der Art des erzeugten Weines für alle Stillweine gleich oder sehr ähnlich abläuft, ist die Flaschenabfüllung. Das größte Risiko dabei ist der Zutritt von Luftsauerstoff zum Wein, der im schlimmsten Fall zur Oxidation des Weines führen kann.

Dies wird in der Regel allerdings durch die verschiedenen Schwefelungen, die der Wein im Verlaufe seines Werdens erfährt, unterbunden. Das Schwefeldioxid bindet den Sauerstoff, wobei jedoch vorübergehend ein gewisser unangenehmer Geruch entstehen kann, der auch als Flaschengeruch bezeichnet wird, sich später aber wieder verliert.

Heute werden selbst die preiswertesten Weine jedoch äußerst schonend, teilweise sogar unter Schutzatmosphären von

Stickstoff oder anderen Schutzgasen abgefüllt, sodass Oxidation eigentlich nur in sehr rückständigen Kellereienoder bei ungenügender Schwefelung ein Themaist. Auf jeden Fall erleidet der Wein bei der Abfüllung einen Schock und wird vorübergehend "abfüllkrank", sodass er sich einige Zeit erholen muss, bevor er wieder genussfähig wird.