Die Lage des Weinbergs

Die Lage des Weinbergs

Die Topografie, also die konkrete Gestalt einer Landschaftsoberfläche, ist von entscheidendem Einfluss auf das lokale Mikroklima, das sich von Weinberg zu Weinberg beträchtlich unterscheiden kann. Sie ist mit ein Grund dafür, warum manche Lagen immer einen besseren Wein bringen als andere, möglicherweise direkt benachbarte Lagen. Dies gilt oft insbesondere ins chlechteren, kühleren Jahren, wenn die besten Lagen meist immer noch guten Wein hervorbringen, während auf den umliegenden Weinbergen die Frucht nicht mehr zur Reife gelangt.

So ist die Oberflächengestalt einer Landschaft von größter Bedeutung für den Weinbau in einer Region.

Jeder Winzer ist bestrebt, seine Weinberge so anzulegen, dass die Reben in möglichst großen Genuss der günstigen kleinklimatischen Bedingungen gelangen, die in der Region vorherrschen. Sein Einfluss erstreckt sich dabei vor allem auf die Wahl der richtigen Lage seines Weinbergs sowie die Pflanzung der entsprechenden Rebsorten, die die kleinklimatischen Gegebenheiten optimal auszunutzen in der Lage sind.

Die wichtigsten Faktoren, die jeder Weinbauer dabei berücksichtigen muss, sind das Vorhandensein größerer Gewässer, also von Flüssen, Seen oder Meeren, die Neigung und Höhe eventuell vorhandener Hänge sowie ihre Ausrichtung nach dem Lauf der Sonne. also den Himmelsrichtungen.

Der Einfluss von Gewässern

Das Medium Wasser besitzt die physikalische Fähigkeit, große Mengen an Wärme aufzunehmen oder auch abzugeben, ohne seine eigene Temperatur dabei allzu schnell zu verändern. ln Wasser ist viel mehr Wärme gespeichert als beispielsweise in Luft, Gestein oder Erdboden. Je tiefer ein Gewässer ist, umso tiefer kann die Wärme vordringen und umso mehr Wärme kann ein Gewässer speichern, auch wenn große Seen in der Regel über eine so genannte Sprungschicht verfügen, unterhalb derer die Wassertemperatur schlagartig auf ein niedriges Niveau absinkt und über das ganze Jahr hinweg ungefähr stabil bleibt.

Diese Trägheit des Wassers in Bezug auf schnelle Temperaturänderungen beeinflusst die kleinklimatischen Verhältnisse

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in den angrenzenden Gebieten stark und zwar umso stärker, je größer und tiefer das Gewässer ist. Der Einfluss macht sich vor allem in Form von Luftströmungen bemerkbar, also von Wind. Wer schon einmal am Meer war, wird das Phänomen kennen: Tagsüber weht der Wind in der Regel vom Meer aus, also landeinwärts oder auflandig. Das geht bis in die späten Abendstunden so. Später jedoch kommt er zum Erliegen, die Windrichtung ändert sich und es weht nun ein wesentlich kühlerer, manchmal auch empfindlich kalter Wind vom Land her Richtung Meer, also ablandig.

Dieses Phänomen erklärt sich so: Tagsüber wärmen sich bei Sonnenschein die Luftmassen über dem Land schnell auf. denn auch die Landoberfläche wärmt sich rasch auf und strahlt die aufgenommene Wärme schnell wieder ab. Die erhitzte Luft über dem Land steigt auf und zieht, da sie kein Vakuum hinterlassen kann, Luft vom Meer ab, die wir tagsüber als kühlend, abends als wärmend empfinden. Nachts hingegen kühlt sich die Luft beim Kontakt mit den Landmassen schnell wieder ab, die schwere Kaltluft gleitet an der Landmasse ab und sammelt sich über der Wasserfläche.

Hier wird sie wieder erwärmt, steigt erneut auf und kann die in der Zwischenzeit vom Land weiterhin abgeflossene

Kaltluft ersetzen. So funktioniert eine große Wasserfläche wie eine Heizung, was dem Reifeverlauf der Weintrauben in angrenzenden Weinbergen sehr von Nutzen sein kann. Tagsüber hingegen können die Luftströmungen von der Wasserfläche herüber große Temperaturspitzen in heißen Gegenden abmildern, was auch den Reifeprozess fördern kann. Je größer eine Wasserfläche ist, desto größer ist auch das Gebiet, auf das sich der regulierende Einfluss erstreckt. Bei einem Strom wie dem Rhein beschränkt sich der Einfluss in der Regel unmittelbar auf das Flusstal selbst, bei größeren Seen wie dem Bodensee oder dem Neusierdlersee ist die Fläche schon beträchtlich größer und ozeanischer Einfluss kann weit ins Binnenland hinein wirken wie in Bordeaux, an der Loire oder in der Rioja.

Die Bedeutung der Höhenlagen

Nicht umsonst spricht man von Weinbergen, die Anpflanzung von Weinreben vor allem auf höher gelegenen Flächen ist tief in unserem Sprachgebrauch verankert. In heißen Gegenden ist das Ausweichen auf Berge oftmals das einzige Mittel, der allzu großen Hitze zu entgehen und das Entstehen feiner Weine zu ermöglichen.

Je 100 Meter Höhenanstieg sinkt die Temperatur unter ansonsten gleichen Bedingungen um rund 0,6 Grad Celsius, und

so wird klar, warum in einem eigentlich heißen, mediterranen Land wie ltalien die Rebflächen fast immer an den Ausläufern der Apenninen in 300-600 Metern Höhe liegen und nach Süden hin immer weiter in die Berge klettern. Nur so ist es möglich, dass in ltalien eine so große Menge guter Weißweine ezeugt wird, denn die meisten Weißweintrauben reagieren empfindlicher auf große Hitze während der Traubenreife als die Rotweintrauben. lm tropisch heißen Bolivien in Südamerika liegen die Weinberge im Valle dela Concepciön bei Tarija sogar bis zu 2600 Meterhoch in den Anden, wo es im Schnitt um 15,6 Grad Celsius kühler ist als auf Meereshöhe.

Die Bedeutung der Hanglagen

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Zu einem Weinberg gehört aber nicht nur, dass die Rebflächen höher liegen, sondern dass sie sich auch an mehr oder weniger geneigten Hängen befinden. So wird einerseits die Sonneneinstrahlung optimiert und darüber hinaus profitieren die Reben auch nachts und zu Beginn sowie zum Ende der Vegetationsperiode von warmen Luftströmungen, die an Hanglagen entstehen.

Auch wenn keine "Heizung" in Form einer größeren Wasserfläche vorhanden ist können die nächtlichen Luftströmungen die Reben wärmen und den Trauben auch in ansonsten unfreundlichem Klima zur erwünschten Reife verhelfen. Wie bereits gesehen, wärmt sich die Luft tagsüber über dem Land relativ schnell auf und steigt in die Höhe. Nachts kühlt sie sich bei Berührung mit der rasch kälter werdenden Landoberfläche schnell ab.

Die kalte Luft ist schwerer als die wärmere, also fließt die Kaltluft an den Hängen herab in die Täler und sammelt sich

dort. Die abgeflossene Luft wird durch wärmere Luft aus darüber liegenden Luftschichten ersetzt und so fort. So liegen die Reben an den Hanglagen nachts in einem beständigen wärmenden Luftzug, der im Frühjahr die Gefahr von Spätfrösten mindern kann und im Herbst die Traubenreife fördert. Die Talsohlen werden vom Weinbau hingegen oft gemieden, da hier die Frostgefahr am größten ist und die Trauben oft nicht richtig ausreifen, da sich die kälteste Luft eben an dieser tiefsten Stelle des Terrains sammelt.

Die Bedeutung der Ausrichtung

Für den Weinbau optimal sind - zumindest in unseren Breitengraden - Hänge, die möglichst viel Sonneneinstrahlung erhalten, denn sie bieten die wärmsten Bedingungen. Dies sind auf der Nordhalbkugel der Erde die genau nach Süden ausgerichteten Lagen und auf der Südhalbkugel die nach Norden ausgerichteten Lagen. Umgekehrt sind bei uns die Nordlagen und in der südlichen Hemisphäre die Südlagen am kühlsten und werden vom Weinbau weitestgehend gemieden.

Die Unterschiede machen sich am deutlichsten nachts bemerkbar, wenn die Luftmassen hier besonders stark und so schnell abkühlen und abfließen, dass vielleicht irgendwann kein Nachschub an wärmerer Luft mehr vorhanden ist und die Frostgefahr sich auch auf die Hanglagen ausdehnt. Zudem kommen die Weintrauben auf solchen Lagen in der Regel nicht zu der Reife, die für die Erzeugung feiner Weine nun einmal nötig ist. Zudem hat die Erwärmung des Bodens aber auch unmittelbare Auswirkungen auf das Rebenwachstum, denn bei höheren Bodentemperaturen bilden die Wurzeln mehr Wachstums-hormone, die dann in die Triebe, Blätter und Trauben transportiert werden.

Genau wie die Hangneigung ist die Ausrichtung der Weinberge am wichtigsten in den klimatischen Randbereichen des

Weinbaus sowie im Frühjahr und Herbst. Nach Osten ausgerichtete Lagen werden morgens, wenn die Temperaturen am niedrigsten liegen, von der aufgehenden Sonne als erste erwärmt. Sie bieten daher oft für das Wachstum der Reben und den Reifeprozess der Beeren die günstigsten Voraussetzungen, auch wenn sie sich abends schneller abkühlen als andere Lagen. Außerdem schützen Ostlagen durch die dahinter liegenden Hügel oder gar Berge die Reben vor kalten, stürmischen und meist Regen mit sich führenden Westwinden.

Westlagen hingegen werden abends länger von der Sonne beschienen und erhalten oft mäßigende maritime Einflüsse, bleiben allerdings auf der anderen Seite morgens länger kühl und sind stärker den ozeanischen Wetterkapriolen ausgesetzt. lnsgesamt jedoch werden auf der Nordhalbkugel nach Osten und Süden ausgerichtete Lagen, auf der Südhalbkugel nach Osten und Norden ausgerichtete Lagen vom Weinbau bevorzugt.