Blauer Spätburgunder

Blauer Spätburgunder

Blauer Spätburgunder ist der deutsche Name des hochvornehmen Pinot Noir, einer der edelsten Rotweintrauben der Welt. Sie alleine ist für all die feinen, überaus sinnlichen Rotweine des Burgunds verantwortlich, worauf sich die Verehrung, die ihr in Kreisen der Weininteressierten weltweit entgegengebracht wird, maßgeblich stützt. Der Pinot Noir ist vermutlich eine der ältesten noch im Anbau stehenden Rebsorten der Welt, bereits vor mehr als 2000 Jahren, mithin zu Zeiten der römischen Herrschaft über Gallien, wurde er wahrscheinlich im Burgund aus einer dort vorhandenen Wildrebe herausgezüchtet und planmäßig angebaut.

In der Zeit des Wiederaufstiegs der abendländischen Kultur ab dem 8. Jahrhundert waren es vor allem die Weinbau

treibenden Klöster, in deren Obhut der Pinot Noir weiterentwickelt und über den gesamten abendländisch-christlichen Kulturkreis verbreitet wurde. Im 10. Jahrhundert waren es zunächst die Benediktiner, später dann insbesondere die Zisterzienser, die diese Aufgaben übernahmen. Ab dem 14. Jahrhundert ist der Anbau des Pinot Noir für das Burgund auch urkundlich belegt. Herzog Philipp der Kühne erließ 1395 ein Dekret, in dem er sich dafür stark machte, an Stelle des angeblich gesundheitsschädigenden Gamay den Noirien, wie der Pinot Noir damals genannt wurde, anzupflanzen.

Im frühen 16. Jahrhundert wurde der Pinot Noir erstmals im Elsass erwähnt, was darauf schließen lässt, dass er zu jener Zeit auch im restlichen Deutschland, zu dem das Elsass damals gehörte, verbreitet war. Mitte des 19. Jahrhunderts gelangte die Sorte von den europäischen Weinbaugebieten nach Übersee. Der Pinot Noir eignet sich hervorragend für kühlere Weinbauregionen, in denen die Trauben einen langsamen Reifeprozess durchlaufen können, denn ähnlich wie beim Riesling geraten Weine aus zu heißen Gegenden, in denen der Reifeprozess zu schnell verläuft, zwar alkoholisch und schwer, aber auch unharmonisch und wenig charmant. Eine Eigenart des Pinot Noir ist seine genetische Instabilität, die durch seinen ausgeprägten Hang zur Mutation auf der positiven Seite zwar so hochwertige Rebsorten wie Pinot Gris, Pinot Blanc, Pinot Meunier und vermutlich auch den Sankt Laurent hervorgebracht hat, andererseits durch Degenerationserscheinungen aber auch negativ ins Gewicht fallen kann.

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Sowohl im Weinberg als auch im Weinkeller erweist sich der Pinot Noir als ziemlich kapriziös, weshalb er zu den launischsten und schwierigsten Rebsorten überhaupt zählt.

Die Sorte treibt früh aus und ist somit stets durch Spätfröste gefährdet, auch ein ausgeprägter Hang zum Verrieseln ist vorhanden. Zudem ist der Pinot Noir ziemlich anfällig für Pilzerkrankungen, Fäulnis und Viruskrankheiten. Die besten Weine entstehen auf kalkhaltigen Böden, tiefgründige, feuchte und kühle Böden bringen hingegen keine besonders guten Ergebnisse. Im Weinkeller besteht die größte Kunst darin, die Farbstoffe und Tannine aus den dünnhäutigen Schalen zu extrahieren. Hier hat es schon verschiedenste Versuche gegeben, von der kalten Maischung mit langen Standzeiten bis hin zur Kurzzeiterhitzung, die gute Extrakt werte, aber auch die Gefahr mit sich bringt, dass der Wein einen gekochten, marmeladigen Geschmackston annimmt.

Wo die Farbextraktion für Rotwein nicht reicht, können aus dem Pinot Noir charaktervolle, feinduftige und elegante Roseweine bereitet werden. Voll gelungene Rotweine aus dem Pinot Noir präsentieren sich tieffarbig, wenn auch nicht so dunkel und tanninherb wie Cabernet Sauvignon. Im Alter kommen Orange-und Brauntöne hinzu. Pinot-Noir-Weine besitzen einen verschwenderisch reichen Duft, der meist mit frischen Erdbeeren, Waldbeeren, Kirschen oder Pflaumen, aber auch mit Gewürzen und Kräutern, bei reifen Weinen auch mit Unterholz, Pilzen oder auch Leder assoziiert wird. Zudem offenbaren die Weine eine süße, schmelzige Frucht. Pinot-Noir-Weine sind früher zugänglich als solche aus Cabernet Sauvignon oder Syrah, die besten sind aber ebenso langlebig wie diese.

Im Herzen Burgunds, an der Cote d'Or, ist der Pinot Noir die einzige zugelassene rote Rebsorte, 7000 Hektar sind hier

mit ihm bestockt. Dazu kommen noch einmal rund 3000 Hektar an der Cote Chalonnaise und im Maconnais. Die Rotweine von der Cote Chalonnaise sind vielleicht etwas robuster und weniger fein als die von der Cote d'Or, dafür aber auch wesentlich preiswerter und insgesamt in ihrer Qualität auch konstanter. Hier steht der Pinot Noir wie auch im Maconnais im Wettstreit mit dem weniger edlen Gamay, während er weiter südlich im Beaujolais keine Rolle spielt. Die zweite Hochburg des Pinot Noir in Frankreich ist die Champagne.

Hier sind rund 10.000 Hektar mit ihm bestockt. Weißgekeltert bringt er in den edlen Schaumwein Kraft, Körper und Komplexität ein, wobei seine Wucht durch die Eleganz des Chardonnay und die Fruchtigkeit des Pinot Meunier ergänzt wird. Im Elsass auf 1000 Hektar angebaut, liefert der Pinot Noir meist relativ blasse Rotweine, die kaum intensiver gefärbt sind als manche Roseweine aus der gleichen Rebsorte. Auf Grund seiner hellen Farbe und seiner feinen Frucht sollte der elsässische Pinot Noir auch wie ein Rose behandelt werden:

Kühl und jung trinken, lautet die Devise. In besseren Jahren und bei verbesserter Maischtechnik entstehen aber auch

dunklere Rotweine, bei denen in jüngerer Zeit viel mit Ausbau in neuem Eichenholz experimentiert worden ist. Dabei sind einige tiefgründige Weine mit feinen Tanninen und einem guten Alterungspotenzial entstanden. In Deutschland ist der Blaue Spätburgunder die edelste Rotweinsorte. Fast 8700 Hektar Rebfläche sind bei weiter steigender Tendenz mit ihm bestockt - damit hat er den traditionsreichen Silvaner weit hinter sich gelassen und steht nun nach Riesling und Müller-Thurgau auf Platz drei des deutschen Sortenspiegels.

Rund 4900 Hektar davon stehen in Baden, von wo auch die gehaltvollsten, den burgundischen Originalen ähnlich wirkenden Gewächse kommen, insbesondere aus der Gegend um Kappeirodeck in der Ortenau und vom Kaiserstuhl und Tuniberg. Berühmt sind auch die Spätburgunder Rotweine von Assmannshausen im Rheingau. Jahrzehntelang waren sie die teuersten deutschen Rotweine. Aber auch in der Pfalz, in Rheinhessen und vor allem an der Ahr werden heute zunehmend ambitionierte Spätburgunder Rotweine erzeugt, die sich an den international gültigen Maßstäben orientieren und zu den besten deutschen Rotweinen gehören.

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So ist in den letzten zehn Jahren ein ganz neuer Rotweinstil in Deutschland entstanden,

mit Weinen aus ertragsbegrenztem Anbau, die in Holzfassern ausgebaut werden und den renommierten Rotwein-Klassikern auf dem deutschen Markt Konkurrenz machen.

Auf der anderen Seite kommen aber auch die Liebhaber des klassisch deutschen Rotweinstils nicht zu kurz, die sich an leichten, lieblichen und süffigen Weinen erfreuen - auch wenn dieser Weinstil immer mehr von anderen Rebsorten bedient wird, wie etwa dem Portugieser oder dem Dornfelder. In Österreich konzentriert sich der Anbau des Blauburgunders auf das Burgenland, von wo exzellente Weine kommen können. In der Schweiz wird der Pinot Noir vor allem im Valais angebaut, wo er im Verschnitt mit Gamay als Dole vermarktet wird. In der Ostschweiz finden sich kleinere Rebflächen des Blauburgunders, der hier charaktervolle Weine liefert, die teilweise im Barrique ausgebaut werden.

Weite Rebflächen Osteuropas sind ebenfalls mit Pinot Noir bestockt, hier entstehen meist

leichtere, fruchtige Rotweine, die mit anderen Sorten verschnitten werden. In Italien wird der Pinot Noir unter dem Namen Blauburgunder in Südtirol und unter dem Namen Pinot Nero insbesondere im Norden des Landes, im Trentino, in der Lombardei, Venetien sowie Friuli-Venezia Giulia angebaut. Kleinere Rebflächen stehen auch in der Toskana im Ertrag, beispielsweise für den Pomino Rosso. Der beste Pinot Nero kommt in der Regel aus Franciacorta, wo er allerdings nur für den DOCG-Spumante zugelassen ist, der Stillwein darf nur als Landwein IGT oder Tafelwein VdT auf den Markt kommen. Ebenfalls herausragend sind einige Weine aus Oltrepö Pavese, wenngleich auch hier der größte Teil der Ernte in die Schaumweinfabriken nach Franciacorta geliefert wird.

1885 kam der Pinot Noir nach Kalifornien und belegt heute in der Statistik der roten Sorten den vierten Platz. Gelegentlich, in besonders heißen Jahren, leiden Frucht und Säure, aber insgesamt kommen ausgezeichnete Weine aus Kalifornien, seitdem man hier die richtigen, kühlen Standorte für die anspruchsvolle Rebe gefunden hat. Das größte Potenzial hat jedoch das kühle Oregon, wo der Pinot Noir Weine hervorbringen kann, die man so nur aus den Grand-Cru-Lagen der Cöte de Nuits kennt: kraftvoll, großzügig bis verschwenderisch in Duft und Frucht sowie ungeheuer konzentriert und tiefgründig.

Die Bemühungen um guten Pinot Noir werden in der Regel bereits durch die klimatischen Verhältnisse in den heißen

Bewässerungsgebieten vereitelt. Nur in einigen kühlen Randlagen in Chile besteht Hoffnung. In Südafrika ist der Pinot Noir allein schon deshalb von Bedeutung, da aus seiner Kreuzung mit dem Cinsaut die kommerziell überaus bedeutende und sehr verbreitete südafrikanische Neuzüchtung Pinotage hervorgegangen ist. In jüngster Zeit kommen allerdings aus der kühleren Küstenregion, vornehmlich aus Paarl, einige Pinot-Noir-Weine mit frischer Frucht, ansprechender Säure und sauberem Sortencharakter.

In Australien stehen mittlerweile 1500 Hektar unter Pinot-Noir-Reben, ein Großteil des Ertrags wird zu Schaumwein verarbeitet doch in den kühleren Gebieten im äußersten Südaustralien sowie auf Tasmanien entstehen auch zunehmend hervorragende Stillweine. Überragend kann der Pinot Noir aus Neuseeland sein, der- so wie fast alle Traubensorten, die in kühlerem Klima am besten ausreifen-, hier eine nahezu ideale Heimstatt gefunden hat. Rund 500 Hektar sind mittlerweile mit Pinot Noir bestockt, die besten Ergebnisse brillieren mit üppigen Aromen und konzentrierter Frucht und stammen aus Canterbury und vor allem Central Otago im Süden der Südinsel.