Sangiovese

Sangiovese

Die große Rotweintraube der Toskana und anderer Bereiche Mittelitaliens, insbesondere der Emilia-Romagna, ist wahrscheinlich schon über 2500 Jahre alt und geht bereits auf die Etrusker zurück, wie einige Ampelografen vermuten. Zumindest ihr Name lässt darauf schließen, bedeutet die Übersetzung doch "Blut des Jupiters". Erstmals in schriftlichen Zeugnissen erwähnt wurde der Sangiovese jedoch erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Schon damals waren die Weinkenner von den guten Eigenschaften der Sorte begeistert, nur die Rauheit der allein aus dem Sangiovese bereiteteten Weine machte den sensibleren Zungen auch zu jener Zeit bereits Probleme.

Der berühmte Baron Bettino Ricasoli, im 19. Jahrhundert engagierter Kämpfer für die Freiheit und staatliche Einheit

Italiens und nach deren Erlangung 1861 zweiter Premierminister des jungen Staates, gilt als der "Erfinder" des Chianti, weil er als erster ein Mischungsrezept präsentierte, mit dem sich aus dem starken, herben Sangiovese harmonischer, fruchtiger Wein erzeugen ließ. Genauer gesagt, erfand Ricasoli zwei Chianti-Stile: Der Verschnitt mit dem sanfteren Canaiolo sollte lagerfähige Weine für den späteren Genuss erbringen, kam noch eine gehörige Portion Malvasia hinzu, entstanden leichtere Weine für den baldigen Genuss. Durch den Zusatz des Trebbiano und weiterer weißer Sorten wurde der langlebige Stil des Chianti später wieder verwischt, sodass sich der Chianti allgemein zum einfachen, ländlichen und süffigen Wein entwickelte.

Der Sangiovese hat insbesondere in seiner engeren Heimat, der Toskana, eine ganze Anzahl verschiedener, stabiler lokaler Ausformungen gebildet. Diese wurden in der Vergangenheit nach ihren unterschiedlichen Traubengrößen als Sangiovese Grosso und Sangiovese Piccolo eingeteilt. Auslese wurde dabei weniger nach qualitativen als nach quantitativen Kriterien vorgenommen, nur die ertragreichsten Pflanzen wurden zu Vermehrung gebracht. Dies zeigt ebenso wie die teilweise recht planlosen Anbauversuche in zu großen Höhen der toskanischen Berge, teilweise in Nordlagen, die große Rückständigkeit des italienischen Weinbaus - ein Zustand, der bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein andauerte.

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Erst nach dem Einsetzen einer wissenschaftlichen Betrachtungsweise des Weinbaus begann

man mit der Selektion der Sangiovese-Klone nach qualitativen Gesichtspunkten und stellte fest, dass die alte Grosso/Piccolo- Einteilung viel zu einfach gewesen war, denn letztlich handelte es sich um mehr als eine Hand voll Klone beider Typen, die für die Erzeugung hochwertiger Sangiovese-Weine in Frage kamen. Der Sangiovese hat durch seinen relativ späten Austrieb kaum Probleme mit Frühlingsfrösten und ist auch ansonsten nicht als besonders krankheitsanfällig bekannt. Er ist von aufrechtem Wuchs und nicht übermäßig hartholzig - zwei Eigenschaften, die ihn für die maschinelle Bearbeitung zur idealen Rebsorte machen. Probleme macht gelegentlich seine sehr späte Reife, selten beginnt die Lese vor dem Ende des Septembers, oft sogar erst Mitte Oktober.

Bei herbstlichen Schlechtwettereinbrüchen, wie sie in Mittelitalien durchaus vorkommen können, reifen die Trauben dann nicht mehr voll aus und ergeben harten, tanninbetonten Wein mit hoher Säure. Die Trauben sind dünnschalig und anfällig für Fäule, was vor allem in kühlen, nassen Jahren Probleme mit sich bringen kann. Voll gelungen, sind Sangiovese-Weine jedoch mit festem Tanningerüst versehen, fruchtig, tiefgründig und elegant. Sie eignen sich gut für den Ausbau in Holzfässern und können sehr vom Verschnitt mit dem Cabernet Sauvignon profitieren. Heute sind in Italien weit über 100.000 Hektar mit dem Sangiovese bestockt. Sein bekanntester Wein ist der Chianti, bei dem heute der Zusatz von bis zu zehn Prozent Cabernet Sauvignon erlaubt ist. Der älteste Wein, in dem der Zusatz der edlen französischen Traubensorte aus Bordeaux zulässig ist, ist der Carmignano.

Auch der Vino Nobile di Montepulciano wird zunehmend nach diesem Rezept bereitet, wobei der Sangiovese-Klon, der

dafür zuständig ist, Prugnolo Gentile heißt. Sortenrein aus Sangiovese erzeugt werden der Morellino di Scansano aus der Maremma, dem südlichen Küstenstreifen der Toskana, und der mächtige, wertvolle Brunello di Montalcino. Schließlich hat der Sangiovese seine Eignung, im internationalen Konzert der roten Top-Sorten mitspielen zu können, in den zahlreichen Supertoskanern bewiesen, in denen er - wie beim Tignanello- mit Cabernet Sauvignon verschnitten oder - wie beim Pergole Torte - sortenrein ausgebaut wird.

In der Emilia-Romagna sind ebenfalls große Flächen mit dem Sangiovese bestockt, der hier in der Regel einen fruchtigen, harmonischen und jung zu trinkenden Rotwein ergibt, der ausgezeichnet zur leichten italienischen Sommerküche passt. Riserva-Qualitäten sind gehaltvoller und können mit ihrer tiefgründigen, komplexen Art durchaus das Niveau der besseren toskanischen Sangiovese-Weine erreichen. Die besten sind der Sangiovese di Aprilia, der Sangiovese di Colli Pesaresi und der Sangiovese di Romagna.

In den Marken ist der Sangiovese die Grundlage des Rosso Piceno und Ergänzugssorte im herausragenden Rosso

Conero, in Umbrien stellt er den Hauptanteil im Rosso di Montefalco, während der Sagrantino di Montefalco aus der Traubensorte Sagrantino bereitet wird. Mit den vielen italienischen Auswanderern in die Neue Welt kam der Sangiovese auch nach Argentinien und Kalifornien. In Argentinien werden mit seinen Weinen vor allem die Inlandsmarkte bedient, in Kalifornien richtet sich das Augenmerk mehr auf die klassischen französischen Sorten.