Vin de Pays

Vin de Pays

Die niedrigste Qualitätsstufe des französischen Weines ist der Vin de Table, der Tafelwein. Gelegentlich ist diese rechtliche Bezeichnung verwirrend, denn im umgangssprachlichen Sinne sind gerade die besseren französischen Weine Tafelweine, d.h. Weine, die hervorragend mit Speisen harmonieren und vorwiegend bei Tisch genossen werden. Die Qualitätsstufe Tafelwein erbringt Jahr für Jahr rund ein Viertel der französischen Weinproduktion. Damit tragen die Tafelweine etwa genauso viel zur Gesamterzeugung bei wie die Vins de Pays, die Landweine, bleiben in der Menge jedoch weit hinter den Qualitätsweinen, den AC-Weinen zurück.

Bei Tafelweinen handelt es sich um einfache, unkomplizierte Weine für den baldigen Verbrauch, und so werden sie auch

gelegentlich als, "Vins ordinaires" bezeichnet. Die meisten stammen aus dem Midi und kommen entweder von Rebflächen, die außerhalb der AC-Gebiete liegen, oder von Rebsorten. die für die Erzeugung von AC-Weinen nicht zugelassen sind. Der weitaus überwiegende Teil der Tafelweine ist rot, der Anteil an Weißwein ist gering. Aber nicht nur im Midi entsteht Tafelwein, fast in jeder Weinbauregion Frankreichs wird das einfachste Lesegut zu Tafelwein verarbeitet.

Die gesetzlichen Bestimmungen sind locker, es gibt kaum Beschränkungen bei den Ertragsmengen oder den Rebsorten. Im Midi sind die Massenträger Carignan und Aramon sowie der Alicante Bouschet, eine französische Neuzüchtung aus der Kreuzung einer Teinturier-Sorte und Aramon mit dem Grenache, an den meisten Tafelweinen beteiligt. Dabei entstehen leichte, süffige und nicht allzu konzentrierte Weine. die in der Vergangenheit oft mit Gewächsen aus Nordafrika und Süditalien verschnitten wurden, um ihnen mehr Farbe, Körper und Alkohol zu verleihen.

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Ein großer Teil der Tafelwein-Produktion ist gar nicht verkäuflich. da sich in den letzten Jahren immer mehr Konsumenten den Vins de Pays und vor allem den AC-Weinen zugewendet haben. So wird der EU-Weinsee, in dem sich die überschüssige Weinproduktion der Gemeinschaft sammelt, zu einem nicht unerheblichen Teil aus französischem Vin de Table gespeist, wenn dieser nicht gleich zwangsdestilliert wird. Deshalb versucht die EU-Kommission. die betreffenden Winzer durch Prämien zur Rodung der entsprechenden Weinberge zu bewegen. Dies zeigt mittlerweile Wirkung und so geht sowohl die für die Erzeugung von Tafelwein genutzte Rebfläche als auch die erzeugte Menge selbstständig zurück.

Zudem verliert der Tafelwein auch beständig Konsumenten an den attraktiveren, aufstrebenden Landwein.

Die wichtigsten Verwendungen von Vins de Table sind heute der lokale Konsum unmittelbar im Erzeugungsgebiet, der Verschnitt mit anderen Tafelweinen sowie die Produktion weinhaltiger Getränke wie Sangria oder Glühwein.

Vin de Pays

Die zweitniedrigste französische Qualitätsstufe ist der Vin de Pays, der Landwein. Er wurde erst 1973 ins Leben gerufen und sechs Jahre später seitens des Gesetzgebers genau festgelegt. Ziel war es, eine Qualitätsstufe zu schaffen, die über das meist ziemlich bescheidene Maß der normalen Vins de Table hinausgeht. So floss zumindest in Ansätzen die Idee des Terroir in die Landweine ein. Die Weitsicht der französischen Weinwirtschaft bei der Einführung der Vins de Pays zeigte sich spätestens, als preiswerte und dennoch hochwertige Rebsortenweine aus der Neuen Welt die Märkte in Europa zu bedrängen begannen.

Der sortenreine Vin de Pays erwies sich - zumindest auf den Exportmärkten - als genau die richtige Antwort auf diese

neue Herausforderung. Alte, mit der Zeit etwas heruntergekommene Weinberge, die vorher der Tafelweinproduktion dienten, wurden renoviert, Carignan, Aramon und Alicante Bouschet mit Stumpf und Stiel herausgerissen und Grenache, Syrah, Cabernet Sauvignon, Merlot, Chardonnay, Chenin blanc, Sauvignon blanc u.a. in großem Maße angepflanzt. Die in der Neuanlage großer Rebflächen bestens erfahrenen Fachleute aus den USA und aus Australien waren dabei in hohem Maße beteiligt und behilflich. Schnell stellte sich heraus, dass dies der richtige Weg war, denn die neu angelegten oder renovierten Weinberge brachten Jahr für Jahr bessere Landweine hervor.

Heute ist es keine Seltenheit mehr, wenn man französische Weine entdeckt, die nach ihrer "cepage", nach der verwendeten Rebsorte benannt sind. Die meisten kommen aus Südfrankreich, aus dem Midi, viele sind durch die Etikettierung oder die Form und die Farbe der Flaschen dazu geeignet, bereits optisch Aufmerksamkeit zu erregen. Dabei handelt es sich fast durchweg um sauber bereitete, ansprechende und duftige Weine für viele Gelegenheiten, die den üblichen Tafelweinen weit überlegen sind. Man ist erstaunt, was Rebsorten wie etwa der Sauvionon Blanc unter Einsatz modernster Vinifikationsmethoden in einer für ihn eher untypischen Region wie dem Midi leisten kann. Der Erfolg der Landweine zeigt sich allerdings mehr auf den französischen Exportmärkten als im Heimatland selbst, wo die Konsumenten sich für mehr und mehr den AC-Weinen zuwenden.

In Deutschland und auch in Großbritannien hingegen haben die sortenreinen Landweine mit ihren günstigen Preisen

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eine große Fangemeinschaft gefunden. Diese Weine erlauben es dem Konsumenten, einen französischen Wein auszuwählen, ohne sich durch das Dickicht der fast 400 Appellationen für Qualitätsweine hindurchwühlen zu müssen. Ahnlich wie bei einem australischen, neuseeländischen, südafrikanischen, kalifornischen, chilenischen oder argentinischen Wein weiß jeder Weinfreund, welche Art von Geschmackserlebnis sich in der Flasche verborgen hält, was man bei AC-Namen wie Madiran, Minervois oder Vacqueyras nicht unbedingt voraussetzen kann.

Doch auch die AC-Weine haben sich einer gewissen Auswirkung des Landwein-Booms der letzten Jahre nicht entziehen können, denn angesichts des äußerstattraktiven Preis-Leistungs-Verhältnisses der Vins de Pays gerieten vor allem einfachere AC-Weine aus dem Midi, aus der Provence, von der Rhöne, aus dem Burgund und aus Bordeaux auf den Exportmärkten unter enormen Preisdruck. Da diese aber auf Grund der strengen AC-Vorschriften kaum noch kostengünstiger produziert werden können, blieb vielen Erzeugern nur die Anhebung ihres Qualitätsstandards, um den gebührenden Abstand zu den Vins de Pays wieder herstellen zu können. So hat die Einführung der Landweine der Weinwelt nicht nur eine sehr attraktive Komponente hinzugefügt sondern gleichzeitig auch noch indirekt über den Preiskampf die Qualität vieler AC-Weine angehoben.

Auch der berühmte Beaujolais Primeur hat den Höhenflug der Vins de Pays zu spüren bekommen, denn es werden heute viele Vins de Pays als Primeur-Weine erzeugt, und diese werden einen ganzen Monat vor dem Beaujolais Primeur auf den Markt gebracht. Die Vorschriften für die Erzeugung der Vins de Pays sind bei weitem nicht so streng wie die AC-Vorschriften für Qualitätsweine, aber vom Grundsatz her eindeutig an ihnen orientiert. Das Traubengut für Landweine unterliegt Ertragsbeschränkungen von 90 Hektolitern Wein pro Hektar Rebfläche. Das ist doppelt so hoch wie die Erträge der meisten AC-Weine, liegt aber immer noch deutlich unterhalb des langjährigen deutschen Durchschnittsertrags von ca. 100 Hektolitern pro Hektar.

Neben der Beschränkung der Höchstmengen unterliegen Landweine auch einer Regelung des Mindestalkoholgehaltes

und müssen sich einer organoleptischen Prüfung unterziehen. Auch die für die Erzeugung von Landwein zugelassenen Rebsorten werden vom Gesetzgeber festgelegt. Darüber hinaus kommt auch hier der Gedanke des Terroir zum Tragen, wenn auch in wesentlich abgemilderter Form. So tragen alle Vins de Pays geographische Herkunftsbezeichnungen, und kein Landwein darf mit einem Landwein aus einem anderen als dem auf seinem Etikett angegebenen Gebiet verschnitten werden. Zurzeit gibt es über 140 Vins de Pays, gegliedert in drei Kategorien, die die Größe des Herkunftsgebietes betreffen, auf den Etiketten jedoch keine Erwähnung finden. Verständlich, dass es bei dieser großen Zahl von Herkunftsbezeichnungen eine Menge gibt, die nur regionale Bedeutung besitzen.

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Einige werden auch so gut wie gar nicht verwendet. Die weitläufigste Herkunft haben die Vins de Pays de Region. Sie kommen entweder aus dem "Garten Frankreichs", dem riesigen Einzugsgebiet der Loire, oder aus den Regionen Gard, Herault, Aude oder Pyrdnees-Orientales. Die nächste Gruppe der Landweine ist die der enger umgrenzten Vins de Pays de Departement. Wie der Name schon sagt orientieren sie sich an den verwaltungsmäßigen Grenzen der einzelnen Departements. Am engsten eingegrenzt ist die Herkunft der Vins de Pays de Zone, die aus nur wenige Hektar großen Weinbergen kommen können. Allerdings sind dies keine wirklich strengen geographischen Herkunftsbezeichnungen im Sinne der AC-Vorschriften, sondern gelegentlich auch Namen, die an historische Gegebenheiten oder auch umgangs-sprachliche Bezeichnungen für gewisse Landstriche erinnern sollen.

Hier war bei der Suche nach einem Namen oft auch der Umstand zu beachten, dass der neue

Landwein nicht in Konflikt mit schon bestehenden Namen von AC-Weinen oder auch VDQS-WeInen gerät. Inzwischen hat der Landwein mit einem Anteil von ungefähr einem Viertel der französischen Gesamterzeugung mit den Tafelweinen gleichgezogen, und es ist zu erwarten, dass er diesen in absehbarer Zeit überflügeln wird. 70 Prozent aller Landweine sind Rotweine, 20 Prozent Roseweine und nur zehn Prozent Weißweine. Die Erzeugung von Landwein ist für viele Winzer dann attraktiv wenn ihre Weinberge außerhalb der für die Erzeugung von AC-Weinen klassifizierten Flächen liegen, wenn ihre Erträge oberhalb der für die Erzeugung von AC-Weinen zugelassenen Höchstmengen liegen oder wenn sie Rebsorten im Ertrag haben, die für die Erzeugung von AC-Weinen vom Gesetzgeber nicht zugelassen sind. Weit über drei Viertel aller Landweine kommen aus Südfrankreich.

Die meisten davon werden im Midi erzeugt. Der Vin de Pays d'Oc steht dabei an erster Stelle, gefolgt von Landweinen aus der Provence und von der südlichen Rhöne. Bei Landweinen, die nicht nach Rebsorten benannt sind, sondern nur unter der Nennung der Herkunft etikettiert sind, wird die Auswahl des richtigen Gewächses allerdings dann schon schwieriger. Der Vorteil des Cepage-Weines entfällt hier, und gelegentlich stürzt man ins tiefste Dunkel eines unendlichen Namen-Wirrwarrs. Dass Vin de Pays d'Ocaus dem Languedoc-Roussillon und Vin de Pays du Jardinde la France aus dem Loire-Gebiet kommt, kann man sich ja noch ziemlich leicht merken.

Dass aber ein Vin de Pays de Thdzac-Perricard aus der Gegend um Cahors, ein Vin de Pays des Coteaux du Littoral Audois von der Mittelmeerküste oder ein Vin de Pays des Coteaux de Condomois aus der Gegend von Bergerac kommt, bleibt oft mals sogar fortgeschrittenen Weinkennern zunächst verschlossen. Zusätzlich zu den großen Mengen zuverlässiger Landweine entsteht aber auch eine Hand voll Vins de Pays, die nach den AC-Maßstäben und unter Einhaltung höchster Qualitätsstandards in der Vinifikation erzeugt werden. Niedrige Erträge sowie Ausbau und bei Weißweinen auch Vergärung in kleinen, oftmals neuen Holzfässern lassen Weine entstehen, die sich hinter keinem AC-Wein Frankreichs verstecken müssen - sowohl qualitativ als auch preislich.

Bekanntester dieser Weine ist der Mas de Daumas Gassac.

Der konzentrierte, tiefgründige und intensive Rotwein besteht aus Cabernet Sauvignon mit Anteilen von Cabernet Franc, Malbec, Merlot, Pinot noir und Tannat, der komplexe, ausdrucksvolle Weißwein aus Chardonnay, Viognier und der Lokalsorte Petit Manseng. Beide Weine werden als Vins de Pays del'Hörault etikettiert. Kraftvoll. tanninreich und langlebig sind die Rotweine der Domaines de Ravanes, die entweder reinsortig aus Cabernet oder Merlot sowie als Verschnitt von beiden erzeugt werden. Von gleicher Qualität sind die trockenen und süßen Abfüllungen aus der Sorte Ugni Blanc.

Die Weine kommen als Vins de Pays des Coteaux de Murvielin den Handel. Andere hochwertige Landweine sind bereits zu Qualitätsweinen der Stufe VDQS hinaufgestuft worden wie der Vin de Pays de Millau und stehen auf dem Sprung zum AC-Wein. So können aufstrebende Erzeuger von Landweinen ganze Weinbauregionen prägen und das qualitative Gesamtniveau einer Landweingegend entscheidend verbessern.