Sherry

Sherry

Wie so viele Weine aus dem Mittelmeerraum wurde der Sherry von den Ländern im Norden Europas zunächst wegen seiner Stärke, Süße und Haltbarkeit geschätzt - alles Vorteile, durch die er sich radikal von den üblichen Rotweinen des Mittelalters unterschied. Zu Zeiten Shakespeares, als Hochprozentiges noch unbekannt war, galt der sack, wie man ihn in England damals nannte, als stärkstes Getränk überhaupt. Nach der wärmenden Wirkung eines Bechers mit vielleicht 17 Prozent Alkohol gierte nicht nur Sir John Falstaff in Shakespeares König Heinrich IV., sondern jeder Tavernenbesucher. Sack kam aus Málaga, von den Kanaren, aus Griechenland oder aus Zypern. Der König des sack aber war der sherris, benannt nach der andalusischen Weinstadt Jerez de la Frontera.

Jerez betreibt schon seit dem Mittelalter internationalen Handel. Bis zum Aufstieg von Rioja gab es nirgendwo sonst in Spanien so riesige Bodegas mit derart millionenschweren Lagerbeständen. Die Entwicklung des Sherrys vom zunächst grobschlächtigen, ohne Ausbau verschickten Produkt zum ausgefeilten Getränk in vielerlei Ausprägungen nahm im 18.Jahrhundert ihren Anfang. Wie Champagner, dem er in mehr als nur einer Beziehung ähnelt, begann sein Aufstieg mit dem Reichtum und technischen Fortschritt des 19. Jahrhunderts.

Seinen Erzeugern gelang es, die natürliche Anpassungsfähigkeit eines kräftigen, aber ansonsten eher flachen,

neutralen Weißweins bis zum Limit auszuschöpfen. Sie nutzten seine Eignung für den Ausbau im Fass unter Sauerstoffeinfluss - die eigentlich verheerende Oxidation - zur Herausarbeitung von Geschmacksnuancen, die so unterschiedlich waren wie Zitronen und Datteln. Und sie perfektionierten die Kunst des Verschneidens, indem sie die gesamte zur Verfügung stehende Palette ausnutzten, um jede nur erdenkliche Nuance dazwischen zu bekommen - und das mit schöner Regelmäßigkeit jedes Jahr aufs Neue.

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Die Sherrybereitung unterscheidet sich kaum von der Weißweinerzeugung. Ein ziemlich leichter Wein wird rasch gepresst und vergoren. Am Ende ist ein natürlicher Alkoholgehalt von 12 bis 16 Prozent zu erwarten. Nun wird dieses Erzeugnis mit Weingeist gespritet, um je nach Qualität und anvisierten Eigenschaften 15 bis 18 Prozent zu erreichen. Erst jetzt beginnt das einzigartige Ausbauverfahren.

Ist es die launenhafte Natur des Sherrys, dass er sich in unterschiedlichen 500-Liter-Fässern unterschiedlich entwickelt, selbst wenn er aus ein und demselben Weinberg stammt? Der Hauptunterschied besteht darin, dass der eine Wein eine kräftige Hefeschicht, Flor genannt, entwickelt und der andere eben nicht. Alle jungen Weine kommen zunächst in die Kinderstube, die criadera, mit zu vier Fünftel gefüllten Fässern. Die feinsten und delikatesten Gewächse - nur leicht gespritet, damit sie ihre Finesse bewahren - entwickeln rasch den cremigen Schaum auf der Oberfläche, der im Frühjahr zu einer mehrere Zentimeter dicken Schicht anwächst.

Diese einzigartige Hefedecke schützt den Wein vor Oxidation, reagiert aber gleichzeitig mit ihm und gibt ihm subtile

Reifenoten mit. Die feinsten Versionen, Finos genannt, sind früher trinkreif als die schwereren Sherrys. Sie bleiben hell, weil die schwimmende Hefeschicht Sauerstoff fernhält. Mit fünf Jahren können sie auf dem Höhepunkt sein, doch das genaue Alter ist unwichtig, denn wie alle Sherrys werden sie in einer Solera verschnitten.

Junge Weine schwererer, plumperer und schärferer Ausprägung entwickeln weniger oder überhaupt keinen Flor. Eine gehörige Dosis Weingeist unterbindet jede Hefeaktivität. Diese zweite Sherrykategorie nennt man Oloroso. Die besten Vertreter werden ohne Floreinfluss bei vollem Sauerstoffkontakt abgefüllt. Ihr Reifeprozess ist gleichzeitig ein Oxidationsprozess; er macht sie dunkler und intensiviert ihren Geschmack.

Eine dritte, ausgefallenere Kategorie ist der seltene Palo Cortado. Er vereint die Breite und Tiefe eines erstklassigen Oloroso mit der Duftigkeit, Finesse und Schärfe eines Fino.

Diese drei von Anfang an unterschiedlichen Weinstile sind das Rohmaterial einer Bodega. Nun ist es ihre Sache, sie so zu behandeln, dass die Unterschiede hervorgehoben werden, und sie zu einer wesentlich größeren Bandbreite unterschiedlicher Stile zu kombinieren. Baut man einen Fino über die Lebensdauer seines Flors hinaus aus, wird er in der Regel dunkler und vielfältiger im Geschmack. Seine Farbe wandelt sich von Strohgelb über Bernstein zu einem kräftigen Schwarzbraun im hohen Alter. Jede Bodega hat eine oder mehrere Soleras mit alten Finos, die alle Stadien vom frischen Fino über den satteren, konzentrierteren Fino-Amontillado bis zum intensiv nussigen, kaftvollen alten Amontillado durchlaufen haben.

Im Handel allerdings findet man solche reinen, unverschnittenen Amontillados selten.

Der Begriff wird immer häufiger für jede Art von Medium-Sherry zwischen einem trockenen Fino und einem cremigen alten Oloroso angewandt, ohne dass in der Regel die Qualität eines der beiden erreicht wird. Alle Sherrys im Urzustand in der Solera sind knochentrocken. Im Gegensatz zu Port wird Sherry nie gespritet, bevor die Fermentation zu Ende und der gesamte Zucker vergoren ist. Ein unverschnittener, "roher" Sherry ist daher eine spröde Angelegenheit. Die einzige Ausnahme bildet der Dulce, ein konzentrierter Wein zum Süßen von Verschnitten.

Während des Ausbaus in der Bodega erhöht sich infolge der Verdunstung des Wassers der Alkoholgehalt und damit der Anteil der Geschmacksstoffe. Sehr alte, noch immer im Fass ruhende Sherrys werden oft buchstäblich ungenießbar, sind aber trotzdem höchst wertvoll, weil sie einem Verschnitt enorme Geschmackstiefe verleihen können.

Jeder Händler in Jerez wird seine eigenen Marken verschneiden. Die besten entstammen einer einzigen, hochgeschätzten Solera, die in der Regel mit dem Konzentrat arrope leicht gesüßt wurde. Mitunter braucht es noch einen Spritzer eines fast schwarzen, aber nahezu geschmacklosen vino de color zur Feinjustierung der Farbe. Mit einem Quäntchen jungem Wein bringt man vielleicht noch etwas Frische ins Spiel.

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Ein Massensherry dagegen besteht zum Großteil aus einem minderwertigen, minimal ausgebauten Rayas oder Entre Finos, wie zweitklassige Weine im Fino-Stil genannt werden. Ein kleiner Anteil aus einer guten Solera peppt den Geschmack etwas auf, und eine ordentliche Dosis kaschiert die Unzulänglichkeiten des Basismaterials. Leider hat gerade diese Art von Machwerken dem Sherry den Ruf eines stillosen, muffigen Getränks eingetragen - mit dem Ergebnis, dass die wirklich großen Schöpfungen, die sich in ihrer Klasse auf dem Niveau eines großen weißen Burgunders oder Champagners bewegen, unglaublich unterschätzt werden.

In den letzten Jahren haben viele große Häuser neue Weine herausgebracht, um das Interesse

an Sherry insgesamt wiederzubeleben. So kamen mit einem Jahrgang gekennzeichnete, mit Altersangabe versehene oder in winziger Menge abgefüllte Exemplare aus den ältesten Soleras auf den Markt. Im Jahr 2000 wurden Sherrys mit Altersangabe sogar als offizielle Kategorie anerkannt. Für Kenner sind sie ein echter Genuss, aber auf den Gesamtverkauf haben sie nur wenig Einfluss. Dieser leidet nach wie vor unter dem verstaubten Image.

Das Sherry-Anbaugebiet

Jerez liegt 16 Kilometer landeinwärts von der Bucht von Cádiz im Südwesten Spaniens. Die Stadt ist auf allen Seiten von Weinbergen umgeben, deren beste sich auf Kalksteinaufschlüssen erstrecken, die im Norden und Westen in einer Reihe dünenartiger Erhebungen zwischen den Wasserläufen Guadalete und Guadalquivír hervortreten. Letzterer bildet die nördliche Grenze des Anbaugebiets und ist als der Fluss von Sevilla berühmt geworden, von dem aus Kolumbus sich zur Entdeckung Amerikas, Pizarro zur Eroberung Perus und Magellan zu seiner Weltumsegelung aufmachten. Die drei Sherrystädte sind Sanlúcar de Barrameda, Jerez de la Frontera und Puerto de Santa María. Das Land zwischen ihnen heißt Jerez Superior und ist das Kerngebiet des besten Sherryterrains.

Im Anbaugebiet gibt es drei Bodentypen, doch nur auf dem intensiv weißen Albariza, einem Ton mit bis zu 80 Prozent

reinem Kalkanteil, entsteht der beste Wein. Aufgrund seiner guten wasserspeichernden Eigenschaften widersteht er der Dürre im Sommer und dem austrocknenden Levante, der von Afrika aus ins Land bläst. Zudem wirft er das Sonnenlicht zu den niedrig erzogenen Buschreben zurück, sodass die Trauben in einer Art Solarofen reifen. Barro, ein brauner, kalkiger Ton, ist zwar nährstoffreicher, liefert aber schwerere, kantigere Weine. Und der Arena, ein Sandboden, wird heute kaum noch für den Weinbau genutzt.

Jeder niedrige Weinberg hat seinen eigenen Namen: Carrascal, Macharnudo, Añina und Balbaina sind die berühmtesten pagos, Lagen, die Jerez im Norden und Westen in einem Albariza-Bogen umspannen. Die pagos südlich und westlich von Sanlúcar 22 Kilometer von Jerez entfernt erstrecken sich auf einem weiteren Aufschluss mit ausgezeichnetem Boden; der bekannteste heißt Miraflores.

Seit dem Beginn des Exportrückgangs 1979 hat es massive Umwälzungen in der Sherryindustrie gegeben. Man hat Fördergelder für das Roden überschüssiger Weinberge ausgestreut. Zahlreiche Betriebe wurden aufgekauft oder fusionierten. Dem Sherry war eine Blütezeit vom Mittelalter bis zum Jahr 1979 beschieden und in den Pflanzungen spiegelte sich die Zuversicht aller wider, dass das immer so weitergehen würde. 1997 war der Umbau abgeschlossen. Die Rebfläche ist heute noch 10000 Hektar groß.