Zu Füßen der Anden

Der Weinbau begann in Argentinien ähnlich wie in Chile nach der Besiedelung des Landes durch die spanischen Eroberer in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Hier kamen die Conquistadores allerdings gleich von zwei Seiten, über die Anden und aus dem Osten, vom Atlantik. Die ersten Weintrauben kamen über den Atlantik nach Argentinien, ihre Anpflanzung an der Atlantikküste wurde jedoch ein kompletter Misserfolg. Nach mehreren weiteren gescheiterten Versuchen, die Rebe von Peru aus einzuführen, gelang es schließlich, Rebstöcke über die Anden aus Chile zu bringen, wo sich schon ein gewisser Weinbau etabliert hatte.
Wie in anderen Gegenden Amerikas auch, waren es vor allem katholische Mönche, die mit dem Weinbau begannen und
bald Messweine für ihre liturgischen Zwecke erzeugten. Lange Zeit blieb der Weinbau auf die nur sehr dünn besiedelte Gegend um Mendoza beschränkt. Die meisten Weine waren nicht stabil genug, die lange Reise zu den Metropolen im Osten zu überstehen. Mit der stärkeren Besiedelung des Landes ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts brachten italienische, spanische und deutsche Einwanderer viele europäische Rebpflanzen nach Argentinien - und mit ihnen auch die Reblaus. Doch diese konnte bis heute nur ziemlich wenig Schaden anrichten, da sie sich in den sandigen Böden der argentinischen Anbaugebiete nicht besonders wohl fühlt.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Weinbaugebiete von Mendoza mit der Hauptstadt Buenos Aires durch Eisenbahnlinien verbunden, dadurch bekam der Wein einen schnellen Zugangsweg zu dem Bevölkerungszentrum des Landes, was zum Boom der Weinwirtschaft führte. Bis in die 1920er-Jahre hinein gehörte Argentinien zu den wohlhabendsten Staaten der Erde, und dementsprechend gut ging es auch dem Weinbau. Doch seit dem befindet sich der zweitgrößte Staat Südamerikas in einer fortwährenden Rezession, die im Grunde bis heute andauert und in ihrer Folge die Sozialstruktur des Landes und letztlich auch den Weinbau tief greifend verändert hat. Der argentinische Weinkonsum stieg in dieser Zeit stark an und lag am Ende der 1960er-Jahre mit rund 90 Litern pro Jahr und Kopf an der Weltspitze, wo er sich einige Jahre halten konnte.
Die starke Inlandsnachfrage war auch ein Grund für die Unbekanntheit argentinischer Weine
im Ausland. Die Produktion von etwa 18 Millionen Hektolitern Wein jährlich reichte aus, um den einheimischen Markt zu bedienen. Die billigen Massenweine, die die Weingiganten erzeugten, reichten allerdings qualitativ nicht für den Export, meistens wurden sie in Kartonverpackungen, Kunststoffbehälter oder Großflaschen abgefüllt. Inzwischen ist der Weinkonsum in Argentinien allerdings stark zurückgegangen. Heute beträgt der Pro-Kopf-Verbrauch nur noch 40 Liter pro Kopf und Jahr.
Rebsorten
Diese Entwicklung hat zu einer Neubesinnung der argentinischen Weinwirtschaft geführt. Große Flächen wurden aus der Produktion von Traubengut für die Weinerzeugung herausgenommen und fortan der Tafeltraubenerzeugung gewidmet. Die Beispiele der exportorientierten Weinbauländer der Neuen Welt und ihrer großen Erfolge machte den großen Traubenanbauern und Kellereien deutlich, dass der argentinische Weinbau ohne Export auf Dauer keine rosige Zukunft vor sich haben würde.
Vor allem die außerordentlich ertragsstarken hellroten Traubensorten Criolla und Cereza, die von der Hälfte der argentinischen Rebflächen riesige Mengen billiger Weißweine lieferten, mussten nun in großem Stil edleren Rebsorten weichen. Selbstverständlich stehen heute immer noch große Flächen mit diesen Sorten im Anbau, die bei entsprechender Bewässerung bis zu 400 Hektoliter Wein pro Hektar Rebfläche hervorbringen können, doch sind die europäischen Edelsorten Barbera, Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah, Malbec, Chardonnay und Sauvignon Blanc auf dem Vormarsch.
Die Rotweinerzeugung beansprucht heute rund ein Viertel der argentinischen Rebfläche, die Weißweinerzeugung aus
weißen Trauben ein gutes Drittel. Der Rest ist nach wie vor mit Criolla und Cereza bestockt. Der typischste argentinische Weißwein wird aus der Rebsorte Torrontes erzeugt, die aus dem spanischen Galizien stammt, dort aber nicht die Bedeutung besitzt wie in Argentinien. Der muskatduftige Wein überzeugt durch seine Frische und Frucht. Wenn in argentinischen Restaurants ein offener "Wein des Hauses" angeboten wird, handelt es sich in der Regel immer um einen aromatischen Torrontes.
Weinkategorien
Bisher wurden vom argentinischen Weininstitut, dem Instituto Nacional de Vitivinicultura, drei geschützte Herkunftsgebiete definiert: Lujän de Cuyo und San Rafael in der Provinz Mendoza sowie Alto Valle in der Provinz Rio Negro. Das in Mendoza ansässige Institut ist zudem für die Klassifizierung der Weine zuständig. In Argentinien gibt es einfachen Tischwein (Vino de Mesa, Vino Comün), den aus bestimmten Edelreben erzeugten Qualitätswein (Vino Reserva) und den Vino Fino, einen gelagerten Qualitätswein. Die Klassifizierung Denominacion de Origen Controlada (DOC) wird nicht an alle Weine vergeben, die aus dem jeweiligen DOC-Gebiet stammen, sondern nur an solche Gewächse, die mindestens acht Monate im Eichenfass und weitere zwölf Monate auf der Flasche gereift sind. Ein weiterer Qualitätsgarant ist die Asociacion Vitivinicola Argentina, ein Zusammenschluss der bedeutendsten Weingüter des Landes.
Das Klima
Der argentinische Weinbau beschränkt sich auf Grund der klimatischen Verhältnisse auf die gebirgigen Regionen Salta, La Rioja und San Juan im Nordwesten den Landes, auf Mendoza und das Uco-Tal im Zentrum der östlichen Ausläufer der Anden und auf Rio Negro und die Pampa im südlichen Patagonien. Sowohl der flache Streifen rund um die Hauptstadt Buenos Aires, der tropische Nordosten, der trockene und heiße Norden und der durch starke antarktische Winde sehr kühle äußerste Süden eignen sich nicht für die Kultivierung von Rebpflanzen. Die argentinischen Reben wachsen an den Osthängen der Anden und den Ausläufern des Gebirges im mittleren Süden des Landes. Das heiße und trockene Klima im Schutz der bis zu 7000 Meter hohen Gebirgskette, die Argentiniens Grenze zu Chile markiert, fördert die Entstehung alkoholreicher und kräftiger Rotweine.
Auf Grund dieses Klimasreifen selbst in Höhen von 1200 Metern über dem Meeresspiegel noch Trauben - in diesen bereits spürbar kühleren Lagen entstehen die argentinischen Weißweine und Roses. Doch sind die Weinberge in den Gebieten rund um Mendoza ständig von schweren Unwettern bedroht - besonders die regelmäßigen Hagelschauer, die Eisklumpen in der Größe von Kieselsteinen auf die Weinberge regnen lassen und deshalb von den Einheimischen auch als "Piedras" (Steine) bezeichnet werden, führen zur Vernichtung ganzer Rebstöcke.
lm Frühsommer kann die "Zonda", ein heißer, schwerer Sturm aus dem Nordwesten, die
Blüte der Rebpflanzen beeinträchtigen, ansonsten gibt es kaum klimatische Risiken, und die Trauben reifen fast immer sehr gut aus. Insgesamt stehen in Argentinien heute rund 200.000 Hektar unter Reben. Der größte Teil der Trauben reift in der Provinz Mendoza, wo etwa drei Viertel aller Weinberge Argentiniens zu finden sind. Knapp 50.000 Hektar Weinberge gibt es in der nördlich von Mendoza gelegenen Region San Juan, im Schwinden begriffene 5000 Hektar in der Provinz La Rioja. Außerdem finden sich in der Provinz Salta im äußersten Norden des Landes auf einer Fläche von knapp 2000 Hektar Rebstöcke, in der Region Rio Negro sind knapp 6000 Hektar Land mit Reben bestockt.
Mendoza
Bereits die ersten Siedler im 16. Jahrhundert erkannten, dass Landwirtschaft in dieser trockenen Gegend ohne künstliche Bewässerung nicht denkbar ist, und sie entwickelten ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem, das noch heute zu den besten und leistungsfähigsten der Welt zählt. Und auch heute noch zeigt sich mitten in der Provinzhauptstadt Mendoza, welche enormen Herausforderungen hier auf den Weinbau warteten: Quer durch das Stadtzentrum ziehen sich zum Teil offene Bewässerungskanäle, durch die das Wasser auf die landwirtschaftlichen Nutzflächen der Region geleitet wird.
Die umfangreiche und aufwändige Bewässerung ist Voraussetzung für den intensiven Weinbau in der Region, und
viele hundert Kilometer Bewässerungskanäle und -gräben leiten das Wasser, das reichlich aus den Anden in die Täler strömt, zu den Pflanzen. Die Technik besteht darin, die Rebflächen regelmäßig mit Wasser zu überfluten und so die Rebpflanzen mit der lebenswichtigen Feuchtigkeit zu versorgen. In den letzten Jahren werden in Mendoza nach dem Vorbild Kaliforniens immer mehr aufwändige und kostspielige Tropfbewässerungssysteme installiert.
In der Regel stehen die Pflanzen im Norden Mendozas auf Höhenlagen zwischen 600 und 700 Meter, der Nachschub für die Bewässerungssysteme kommt aus dem Fluss Mendoza, der Schmelzwasser aus den Anden heranführt, und einer Vielzahl von Tiefbrunnen. Die Böden sind hier tiefgründig, teilweise auch steinig und bieten mit ihrem guten Wasserabzug ideale Bedingungen für den Weinbau. Die Durchschnittstemperaturen betragen im Sommer 25 Grad Celsius. Die Rebstöcke auf der Hochebene zwischen Junin und Santa Rosa werden vom Fluss Tunuyän mit Wasser versorgt, die Temperaturen sind mit denen von Nordmendoza vergleichbar. lm Süden Mendozas, in den Bezirken San Rafael und Alvear, versorgen die Flüsse Atuel und Diamante die landwirtschaftlichen Nutzflächen mit Wasser. Die Weinberge stehen in 450 bis 850 Metern Höhe auf kalkhaltigen Schwemmlandböden. Hier ist es im Sommer mit Durchschnittstemperaturen von 22 Grad Celsius etwas kühler als im Norden der Provinz.
Eine Besonderheit stellen die Weinberge des Uco-Tals dar, die sich auf Höhen von zwischen 800 und 1200 Metern über
dem Meeresspiegel befinden. Die Höhebedingt, dass das Gebiet mit einer sommerlicher Durchschnittstemperatur von 15 Grad Celsius recht kühl und damit ideal für die Erzeugung feiner Weißweine ist. Mendoza als Zentrum des argentinischen Weinbaus setzt die Trends für die Weine aus Argentinien: Neben den obligatorischen dunklen Weißweinen aus Criolla und Cereza wird ein immer größerer Anteil der Flaschen mit hochwertigem Rotwein gefüllt, vor allem aus der Malbec-Traube, die in Argentinien eine viel größere Bedeutung erlangt hat, als sie in ihrer ursprünglichen Heimat im Südwesten Frankreichs jemals hatte. ln Mendoza erreicht der Malbec unter den langen Reifebedingungen Konzentration, Tiefgründigkeit und Eleganz, weshalb der Cabernet Sauvignon nur schwer Fuß fassen kann.
Ein großer Teil des Weißweins wird zu Schaumwein verarbeitet, der in der Regel nach der "Methode champenoise" bereitet wird, wie die klassische Methode der Flaschengärung hier noch genannt wird. Die Argentinier ignorieren die französische Schutzmarke großzügig, wenn sie ihren Schaumwein im Alltag als "Champan" bezeichnen - ein anderer Begriff für Sekt oder Schaumwein ist hier weitgehend unbekannt.
Der Norden Argentiniens
Im Nordwesten des Landes reifen in den Provinzen Salta, La Rioja und San Juan Trauben. Durch Salta verläuft der 25. Breitengrad -entsprechend heiß ist das kontinentale Klima der Region. Auf Grund der Hitze mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 15 Grad Celsius ist der Weinbau auf Höhen von bis zu 1500 Meter ausgewichen. In La Rioja reifen die Trauben in einer Höhe von gut 900 Metern, es regnet mit 130 Millimeter Niederschlag pro Jahr praktisch nie. Die Weine aus La Rioja sind kaum mehr als ein schwacher Abglanz der Gewächse aus der gleichnamigen spanischen Spitzenregion, denn das hier im Vergleich mit den anderen argentinischen Weinbauregionen noch heißere Klima und vor allem die mangelnden Bewässerungsmöglichkeiten lassen Traubengut reifen, das für die Erzeugung von Likörweinen und Branntweinen Verwendung findet.
San Juan liegt südlich von La Rioja zwischen dem 31. und dem 32. Breitengrad.
Hier speist der Fluss San Juan die Felder und Weinberge mit dem seltenen Nass. Tonerde und Sand lassen die Reben gut gedeihen, die auf Höhen ab 630 Metern - im Tal des Flusses Pedernal sogar bis 1350 Meter - wachsen.
Weine aus der Pampa
Der mittlere Süden Argentiniens wird als Patagonien oder kurz Pampa bezeichnet. Hier wird das Landschaftsbild von unendlich scheinenden Vieh weiden geprägt, doch finden sich am östlichen Rand der Andenausläufer auch Wälder, landwirtschaftliche Nutzflächen und Weinberge. Das Weinbaugebiet liegt auf einer moderaten Höhe von 300 Metern, in etwa auf dem 39. Breitengrad. Das Rio-Negro-Tal, in dem der Weinbau konzentriert ist, befindet sich zwischen den Bergen und den Flüssen Neuquen und Limay. Das Klima ist kontinental, warm und trocken.
Die Erzeuger
Der argentinische Weinmarkt wird von zwei großen Erzeugern dominiert, Santa Ana und Penaflor. Penaflor besitzt ein Fass mit fünf Millionen Liter Fassungsvermögen und erzeugt überwiegend einfache Tischweine, dessen Tochterunternehmen Bodega Trapiche aber auch sehr gute Weine mit den Namen Medalla und Andean. Die Großkellerei Santa Ana beliefert vor allem den europäischen Markt mit Qualitätsweinen. Neben diesen beiden Giganten sind aber auch die Bodega Lagarde und das Weingut Casscne S.A. zu nennen.
Spitzenweine werden von den Bodegas Juan Lopez, Norton, Salentein, Nicoläs Catena, Escorihuel, Flichman, Weinert, Santa Julia sowie dem argentinischen Ableger von Moet & Chandon, der Bodega Chandon, erzeugt. Darüber hinaus sind noch die Weine von Pascual Toso. Castell Vollmer und den Bodegas Esmeralda (als Catena und Trumpeter etikettiert) außerhalb des Landes bekannt. Eine Zahl kleinerer Erzeuger, die so genannten Boutique Wineries, gewinnen immer mehr an Bedeutung und bringen neue lmpulse in die argentinische Weinwelt ein. Erwähnenswert sind u.a. Dolium und die Domaine Vistalba.