Tokajer und mehr

Tokajer und mehr

Der Weinbau in Ungarn ist maßgeblich von den Römern begründet worden, die in ihrer Provinz Pannonien entlang der Donau die ersten Reben pflanzten. lm Mittelalter wanderten zahlreiche Siedler aus den süddeutschen Weinbauregionen in das Donaugebiet ein und sorgten für eine Ausweitung der Rebflächen. Darauf sind auch die vielen deutschen Begriffe für ungarische Weine und Landschaften zurückzuführen. Während des Bestehens der habsburgischen Doppelmonarchie Österreich-Ungarn erlangte ungarischer Wein internationalen Ruf, und der Tokajer wurde an allen europäischen Königshöfen genossen. 1947 wurde der Weinbau zentralisiert, sämtlicher Handel mit dem Ausland, vornehmlich mit der DDR und der Sowjetunion, wurde von der staatlichen Monimpex abgewickelt.

Ungarn ist heute das bedeutendste Weinland des ehemaligen Ostblocks.

Die Weingüter des Landes verfügen über rund 110.000 Hektar Rebfläche, die sich in drei große Bereiche teilt. Transdanubien westlich der Donau mit dem Plattensee (Balaton), dem größten Binnensee Europas, das große Tiefland in Südungarn östlich der Donau mit seinen sandigen Böden und die Berge nördlich von Budapest, von wo einige der bekanntesten ungarischen Weine stammen. Von allen Staaten des ehemals kommunistischen Machtbereichs besitzen die ungarischen Gewächse wieder die größte Reputation, aber sie konnten weitgehend auch auf die größte Tradition zurückblicken, was ihnen bei der Rückkehr auf die Märkte von großem Nutzen ist.

Das betrifft natürlich vor allem den berühmten Tokajer, der seit dem 17. Jahrhundert erzeugt wird und im 18.

Jahrhundert konkurrenzlos als edelster Wein der Welt anerkannt war. Aus dieser Zeit trägt er noch den etwas umständlichen Titel "Wein der Könige - König der Weine", ein Titel übrigens, den noch einige andere Weine für sich beanspruchen, Madeira selbst. So ging man dazu über, die Weine zur Reifung in Schiffen erst einmal in die Tropen segeln zu lassen. Später entwickelte man spezielle Hitzeräume, die Estufas,in denen die Reifung der Madeiras beschleunigt werden konnte. Die Reblauskatastrophe brachte auch für Madeira eine Zäsur.

Weinregionen in Ungarn

Es brauchte bis weit ins 20. Jahrhundert, bis sich der Weinbau auf der Insel davon einigermaßen erholt hatte. Doch auch heute stehen nur 1800 Hektar unter Reben, wodurch sich der Seltenheitswert des Madeira erklärt. Schwierig ist die Pflege der auf halsbrecherisch steilen Terrassen ins chwindelnden Höhen von bis zu 1000 Metern angelegten Weinberge, zumal hier wegen des feuchtwarmen subtropischen Klimas regelmäßig gegen Mehltau und Graufäule gespritzt werden muss und jede Mechanisierung unmöglich ist. Auch die Lese bedeutet härteste körperliche Arbeit. Nach dem Pressen wird das Lesegut je nach Rebsorte an der Maische oder ohne Schalen vergoren und anschließend durch die Zugabe von 95-prozentigem Schnaps abgestoppt und auf 17-18 Volumenprozente gespritet.

Heute gibt es vom Madeira verschiedene Grundtypen, die sich nach der verwendeten Rebsorte unterscheiden, wobei wiederum unterschiedliche Ausbaumethoden auch innerhalb eines Grundtyps große Unterschiede zeitigen können. Der einfachste Madeira besteht aus der Sorte Tinta Negra Mole. Aus ihr wird viel von dem Kochwein gemacht, als der der Madeira in aller Welt bekannt ist. Besserer Wein entsteht aus den edlen Sorten Sercial, Verdelho, Bual und Malvasia, auch als Malmsey bezeichnet. Der Sercial ist ein recht heller, trockener Wein, der Verdelho ist dem Sercial ähnlich, aber etwas süßer und zeigt eine goldene Farbe.

Diese beiden Madeiras eignen sich sehr gut als Aperitifs.

Der dunklere, schwere und recht süße Bual ist dagegen eher als Dessertwein zu genießen, und beim Malmsey aus der Malvasia-Traube handelt es sich um einen dunkelgoldenen, öligsüßen, aber nie klebrigen Wein voller geschmacklicher Fülle. Verschnitte aus verschiedenen Rebsorten, von denen keine einen Anteilvon 85 Prozent erreicht, werden nach der Geschmacksrichtung als "dry", "medium" oder "sweet" auf den Markt gebracht. Drei Jahre in Estufas und Tanks ausgebaute Weine werden meist als "Finest" etikettiert. Fünf Jahre alte Madeiras dürfen das Prädikat "Reserve" bzw. "Reserva" tragen und sind aus den genannten Edelsorten bereitet.

ln ihnen finden sich auch ohne Estufa-Behandlung in Fässern gereifte Weine. 10 Jahre alte Madeiras heißen "Reserva Velha" oder "Special Reserve" und sind meist ohne Estufa-Behandlung gereift. 15 Jahre alte Gewächse tragen die Bezeichnung "Extra Reserve" oder "Exceptional Reserve" und sind nur selten zu finden. Besonders fein sind die 20 Jahre im Fass gereiften "Fresqueira Vintage". Derart alte Weine, bei denen sich das Alter immer auf den jüngsten Wein des Verschnittes bezieht, sind echte Raritäten.

Kaum noch zu bekommen sind alte Jahrgangsweine, wie beim Port als Vintage bezeichnet.

Sie gehören zu den robustesten Weinen der Welt, die bis zu 100 Jahre altern können, ohne an Qualität zu verlieren. Selbst in bereits geöffneten Flaschen halten sie sich noch mehrere Jahre. Die wichtigsten Erzeuger sind u.a. Borges, Henriques & Henriques, Madeira Wine Company, Pereirad'Oliveira, Vinhos Barbeito, Vinhos Justino Henriques und Silva Vinhos.

Der Weinbau

Seit dem Zusammenbruch der Planwirtschaft ist trotz einiger Verunsicherung viel internationales Kapital in die ungarische Weinwirtschaft geflossen, und die daraus resultierenden Qualitätssteigerungen machen sich in den ungarischen Weinen überall stark bemerkbar.

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Die über 20 Kellereien des Landes werden heute von knapp 10.000 Winzern beliefert.

Ungarische Weine sind in die Qualitätsstufen Tafelwein, Qualitätswein und "Weine von besonderer Qualität" eingeteilt. Die einfachen Tafelweine werden meist in Liter-Flaschen abgefüllt und müssen mindestens acht Prozent Alkohol aufweisen. Qualitätsweine werden in den üblichen 0,75-Liter-Flaschen angeboten und müssen einen Mindestalkoholgehalt von 10 Volumenprozent aufweisen. Zudem müssen sie gebietstypische Merkmale ihres Herkunftgebietes zeigen, die Rebsorte und den Jahrgang der Lese ausweisen. "Weine von besonderer Qualität" werden ausschließlich aus reifen bis überreifen Trauben gekeltert.

Sie müssen in ihrer Art ebenfalls gebietstypisch sein, die verwendete Rebsorte widerspiegeln, und der Jahrgang des Lesegutes muss auf dem Etikett angegeben sein. Die ungarischen Winzer erzeugen eine Vielzahl verschiedenster Weine, zum Teil aus lokalen ungarischen Sorten, teilweise aus regional wichtigen Sorten wie dem Blauen Portugieser (Kekoporto) oder dem Lemberger (Kekfrankos), aber auch aus den bekannten Weltstars Cabernet Sauvignon, Merlot, Pinot Noir und Chardonnay. Einheimische Hauptrebsorten des osteuropäischen Landes sind der weiße Furmint, aus dem auch der berühmte Tokajer gekeltert wird, der Lindenblättrige und die Mädchentraube.Eine weitere Spezialität Ungarns ist die rote Sorte Kadarka.

Ungarn ist vor allem ein Land des Weißweins und erzielt neuerdings mit den internationalen Sorten Sauvignon Blanc

und Chardonnay gute Erfolge. Rotweinmacht nur etwa 30 Prozent des Ertrages aus. Neben den genannten Rebsorten bauen die ungarischen Winzer vor allem auch Welschriesling (Olaszrizling, Laski Rizling) sowie Leänyka, Traminer, Zweigelt, Muscat Ottonel, Müller-Thurgau (ung. Rizlingszilväni) und Grauburgunder (Szürkebarät) an.

Die Weinregionen

Rund um den Plattensee, in der Ebene von Budapest, an der Donau und in den nördlichen Bergen herrscht eingemäßigt kontinentales Klima, das im Sommer große Hitze bringt und im Winter zu hartem Frost führt. Der Boden besteht in der flachen Landschaft östlich der Donau, die auch als Alföld bekannt ist, vor allem aus Sand, auf dem in diesem trockenen Klima, in dem es im Sommer gelegentlich Dürreprobleme gibt, eher leichte Weine mit wenig Säure entstehen. In dieses sandige Gebiet konnte die Reblaus, die im 19. Jahrhundert auch vor den ungarischen Weinbergen nicht halt gemacht hat, nicht vordringen.

Die Anbaugebiete heißen Kiskunsag, Csongräd und Hajos-Vasküt.

Westlich der Donau mäßigt der große Plattensee die Klimaschwankungen etwas, sodass hier auf vulkanischen Böden mit Beimischungen von Sand gehaltvollere Weine erzeugt werden. Südlich des Plattensees liegen die Anbaugebiete Del-Balaton, Mecsek und Villäny-Siklös, besser bekannt als Pecs, sowie das bekannte Szekszärd, wo aus den Sorten Kekfrankos, Kadarka, Cabernet Sauvignon und Merlot ausgezeichnete Rotweine, schwere und körperreiche sortenreine Weine aus der Kadarka-Rebe sowie ansprechende Weißweine aus Chardonnay erzeugt werden.

Hier geht die flache Donauebene in ein hügeliges und bergiges Gelände über. Direkt am Nordufer der Plattensees finden sich die Anbaugebiete Balatonmelek, Badacsony und Balatonfüred-Csopak. Hier herrscht der Anbau von Rotwein vor, in den herbstlichen Nebeln des Sees können aber auch hochwertige Beerenauslesen aus weißen Sorten entstehen, die wie in Österreich als Ausbruch-Weine bezeichnet werden. Dasselbe gilt für das Anbaugebiet Sopronim äußersten Nordwesten, bei dem es sich eigentlich um die ungarische Fortsetzung der österreichischen Rebflächen am Neusiedlersee handelt.

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Weitere wichtige, im Norden des Plattensees gelegene Anbaugebiete für teilweise ausgezeichnete sortenreine Rot und Weißweine sind Pannonhalma-Sokoröalja, Mör, lzär-Neszmely, Etyekund Smolö. lm Norden der Hauptstadt Budapest liegen an den Abhängen der Gebirge drei weitere wichtige Anbaugebiete. An den Vorbergen des Mätra-Gebirges finden sich die Rebflächen von Mätraalja, in den Bükk-Bergen befindet sich Bükkalja. Von hier kommt der Egri Bikaver, das bekannte Erlauer Stierblut. Dieser Rotwein wird heute nicht mehr traditionell rein aus der wegen ihrer sehr späten Reife in Ungnade gefallenen Kadarka-Traube bereitet, sondern als Verschnitt von Kadarka mit Kekfrankos und Cabernet Sauvignon. Weiter im Osten kommt man in das weltberühmte Tokaj-Hegyalja, Herkunftsgebiet des edlen Tokajers.

Tokajer

Rund um die gleichnamige Stadt wird auf vulkanischen Böden der bemerkenswerte Tokajer erzeugt. Er besteht aus der Furmint-Traube mit Anteilen des Lindenblättrigen (Herslevelü) und des Muscat Blanc ä Petits Grains. Es gibt drei Varianten mit unterschiedlichen Bereitungsmethoden. Der einfachste Tokajer wird als trockener Wein von früher gelesenen Trauben bereitet und in 0,75-Liter-Flaschen gefüllt. Die nächste Stufe wird als Auslesewein erzeugt und trägt den Namen Szamorodni, was so viel bedeutet wie "wie gewachsen".

Dabei kann es sich um herausragende Weine mit üppiger Frucht, lebendiger Säure und unendlich pikanten Noten

handeln - gelegentlich, je nach Jahrgang, mit einem Hauch von Edelsüße. Mit 13-14 Volumenprozent Alkohol sind diese Gewächse meist recht gehaltvoll. Der edlere Tokajer wird als Beerenauslese nach einem eigentümlichen, als "Aszü" bezeichneten Verfahren bereitet. Die von Botrytis befallenen Beeren werden einzeln gelesen und gesondert zu einer sehr süßen Paste mit extrem hohem Mostgewicht gepresst.

Das nicht von Edelfäule befallene Traubengut wird gekeltert, abgepresst vergoren, und pro 136 Liter Jungwein gibt man nun zusätzlich zwischen drei und sechs Lesekörbe ä 30 Kilogramm (Butten, Puttonyos) der edelsüßen Paste in den Gärbehälter. Die Mischung wird bis zu 24 Stunden eingemaischt und durch die Zugabe von Spezialhefen dann noch einmal vergoren, wobei diese Gärung je nach Anzahl der Butten sehr lange dauern kann. Danach werden die Weine in 136-Liter-Fässer abgestochen, in denen sie in kühlen Kellern weiter lagern, ehe sie wie die Szamorodni-Weine auf die charakteristischen 0.5-Liter-Flaschen abgefüllt werden.

Das klassische Verfahren, von dem es heute allerdings bereits Modifikationen gibt, sieht auch einen Zusammenhang

zwischen der Buttenzahl und der Dauer des Fassausbaus vor. Die mit drei Puttonyos angereicherten Aszü-Weine reifen fünf Jahre im Fass, die vierbuttigen sechs Jahre, die Fünf-Butten-Weine sieben Jahre und die sechsbuttigen acht Jahre.

Die Anzahl der dem Most zugegebenen Butten muss auf dem Etikett angegeben werden. Besteht der Tokajer vollständig aus edelfaulen Beeren, so nennt man ihn Essencia. Die aus dem Vorlaufmost des edelfaulen Traubenguts gewonnenen Weine heißen Absolute Essencia und sind noch süßer. Beide Weine gären so langsam, dass es manchmal Jahre dauern kann, bis sie "fertig" sind. Danach verbringen sie noch viele Jahre im Fass, bevor sie die entsprechende Reife für die Flaschenabfüllung erlangt haben.